Frage der Distanz

Keine vier Wochen vor der Parlamentswahl in Deutschland erreicht der Wahlkampf der Unionsparteien ein Niveau, für das der Begriff »peinlich« noch allzu wohlwollend wäre. Deuten Umfrageergebnisse darauf hin, daß die Sozialdemokratie mit ihrem farblosen Olaf Scholz als Spitzenkandidat erfolgreicher abschneiden könnte als die CDU, warnt man dort nun vor einem »Linksruck« in Deutschland.

Daran ist an sich auch nichts verwerflich. Es gibt Gründe, weder SPD, Bündnis 90/Die Grünen oder die »Linkspartei« sonderlich zu mögen. Attackieren aber CDU-Wahlkämpfer den Spitzenkandidaten der SPD mit der Forderung, dieser möge sich von der »Linkspartei« distanzieren, ist das doch erbärmlich. Läßt man sich ein auf dieses Niveau, müssen Armin Laschet und seine CDU Fragen beantworten.

In Thüringen beispielsweise duldete die CDU bis vor kurzem ganz offiziell eine Minderheitsregierung unter Führung eines »linken« Ministerpräsidenten. Nachdem diese Duldung inzwischen zwar vorbei ist, sorgten Landtagsabgeordnete der CDU aber dafür, daß der Landtag sich nicht auflöste und Neuwahlen ansetzte. In der Folge regiert dank dieser Abgeordneten der »linke« Ministerpräsident weiter.

Vor eineinhalb Jahren waren es wiederum Parlamentarier der CDU, die gemeinsam mit Parlamentariern der dort auch mit antisemitischen Forderungen auftretenden AfD, die Thüringen einen Kurzzeit-Ministerpräsidenten bescherten, bevor Bodo Ramelow das Amt übernehmen konnte. Im Wahlkreis Suhl soll derweil nun Hans-Georg Maaßen für die CDU ein Direktmandat im Bundestag erringen.

Der ehemalige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz ist ungefähr so bekannt wie berüchtigt für seine Nähe zu Rechtspopulisten und Kontakte zur AfD, der umstrittenen »Alternative für Deutschland«. Läge es ob dieser Beispiele nicht nahe, einen Kandidaten, der anderen Offenheit für das linke politische Lager vorwirft, nach seiner Distanzierung von »Linken« wie Rechtsextremen zu fragen?