Schlagwort: Kernwaffen

Frage der Selbstachtung

An diesem Montag kommt, sofern das Treffen nicht noch kurzfristig verschoben wird, der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien zusammen, um über den Stand der Umsetzung des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) durch Teheran zu beraten. Das 2015 geschlossene Abkommen soll(te) den Aufstieg der Islamischen Republik Iran zu einer Atommacht verhindern.

Die IAEA hat in ihrem jüngsten Bericht dem islamistischen Regime den weiteren massiven Ausbau seines Atomprogramms und den Besitz einer »signifikanten« Menge angereicherten Urans bescheinigt. Ab dem Erreichen dieser Schwelle kann »die Möglichkeit der Herstellung von Kernsprengstoff« durch die Islamische Republik von der Internationalen Atomenergiebehörde »nicht ausgeschlossen werden«.

Zugleich beklagt IAEA-Chef Rafael Grossi, daß Teheran seiner Behörde weiter zufriedenstellende Auskünfte zu wichtigen Fragen verweigere und sich auch sonst nicht eben kooperativ zeige. So darf die IAEA vertragswidrig nach wie vor nicht auf die Daten ihrer Überwachungskameras an Standorten des iranischen Atomprogramms zugreifen. Angaben der UN-Behörde sind daher eher vorsichtige Schätzungen.

Zuletzt war zudem bekannt geworden, daß Teheran sich bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten Einblicke in Interna der IAEA verschaffen und dank der dadurch erworbenen Kenntnisse die Behörde manipulieren konnte. Bei seinem Treffen wird dem IAEA-Gouverneursrat daher kaum eine andere Möglichkeit bleiben, als mit einer ungewöhnlich scharfen Verurteilung Teherans auf dessen Verstöße zu antworten.

Hatte das islamistische Regime in der Vergangenheit immer wieder erfolgreich versucht, durch kleinere Zugeständnisse und Versprechungen einer solchen Verurteilung zu entgehen, die Sanktionen begründen könnte, setzt es nun auf verschärfte Konfrontation. Rafael Grossi betreibe »eine Kampagne gegen Iran«, behauptet die Tehran Times, während Kayhan die IAEA gar unter dem Einfluß von »Zionisten« sieht.

Verbunden mit der Ankündigung »einer verhältnismäßigen, wirksamen und sofortigen [iranischen] Reaktion« stellen diese antisemitischen Angriffe auf die Behörde eine weitere Herausforderung für deren Gouverneursrat dar. Von seiner Antwort auf sie, von der Entschlossenheit besonders seiner westlichen Mitglieder dürfte auch abhängen, ob die Wiener Gespräche über den JCPOA doch noch einen Sinn bekommen.

Kompromittiert: »Sonder-Überwachungsregime« mit Hintertüren

Das islamistische Regime in Teheran hatte jahrelang Zugriff auf geheime Dokumente der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und konnte dadurch deren Arbeit in der Islamischen Republik Iran effektiv sabotieren. Einmal mehr wird deutlich, daß und wie Teheran den Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) schon vom Beginn seiner Umsetzung im Januar 2016 an hintertreiben konnte.

Wie das Wall Street Journal berichtet, hatte das Regime in Teheran seit rund zwei Jahrzehnten, also bereits seit Zugriff Anfang der 2000er, Zugang zu internen Dokumenten der Behörde, die von den Vereinten Nationen 2015 mit der Überwachung der Umsetzung des JCPOA durch die Islamische Republik beauftragt worden war. Teheran konnte sich dadurch gezielt auf Inspektionen der IAEA vorbereiten.

Sollte der JCPOA der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergiebehörde »umfassendere Kontrollen denn je« in der Islamischen Republik ermöglichen und damit einen ganz fundamentalen Beitrag zur Verhinderung des Aufstiegs des Mullah-Regimes zur Atommacht leisten, zeigt sich jetzt, daß das versprochene »historisch beispiellose Sonder-Überwachungsregime« von Anfang an eine Farce war.

Wurden schon die noch im April 2015 von einem deutschen »Architekten« des Abkommens gepriesenen »unangekündigte Inspektionen aller Anlagen« bis zur Unterzeichnung des JCPOA wieder gestrichen und das »Sonder-Überwachungsregime« dadurch gewiß nicht unmaßgeblich geschwächt, konnte Teheran es durch seinen Zugang zu den internen IAEA-Berichten noch weit darüber hinaus sabotieren.

War seinen Verfechtern 2015 der Abschluß eines Abkommens wichtiger als dessen Inhalt, so daß sie den JCPOA bereits durch ihre Zugeständnisse aufweichten, konnte Teheran dank seines Wissens die IAEA und mit ihr die Weltgemeinschaft seit 2016 noch weitergehender täuschen und manipulieren. Verstößt es inzwischen auch offen gegen den JCPOA, sollte er nun endgültig als unrettbar aufgegeben werden.

Lakaien Teherans

Inzwischen ist es deutlich über ein Jahr her, daß in der österreichischen Hauptstadt Wien Gespräche über den Joint Comprehensive Plan of Action aufgenommen wurden, das von Teheran immer offensiver gebrochene Abkommen, dessen ursprüngliches Ziel es war, den Aufstieg des islamistischen Regimes zu einer Atommacht zu verhindern. Bereits seit März freilich wird nicht mehr verhandelt in Wien.

Denn es gibt, wie etwa das französische Außenministerium mitteilt, allerdings auch nicht mehr viel Gesprächsstoff: »Der Entwurf des Abkommens über die Rückkehr zur Einhaltung des JCPOA liegt seit mehr als zwei Monaten vor«. Gleichzeitig hat es das islamistische Regime in Teheran jedoch erklärtermaßen nicht besonders eilig, seine Zustimmung zu geben, sondern treibt den Preis dafür lieber in die Höhe.

Mit seiner an die Regierung in Washington gerichteten Forderung, die Pasdaran, bewaffnete »Eliteeinheiten« der Mullahs, von der amerikanischen Liste ausländischer terroristischer Organisationen zu streichen, nutzt Teheran die Verhandlungen von Wien praktisch für ein dreistes Erpressungsmanöver. Möglich gemacht wird das derweil erst durch die Beschwichtigungspolitik insbesondere der Europäer.

Hat die amerikanische Einstufung der Pasdaran nämlich zwar »gar nichts mit dem JCPOA« zu tun, wie wiederum Paris erklärt, sind die Europäer zugleich nicht gewillt, Druck auf die Islamische Republik auszuüben. Ihr »Außenminister« Josep Borrell Fontelles versuchte vielmehr, in Washington für eine teilweise Entkriminalisierung der auch als Revolutionsgarden (IRGC) berüchtigten Organisation zu werben.

Leider ist die von Joe Biden geführte Regierung der Vereinigten Staaten ihrerseits ebenfalls mehr an einer Einigung mit Teheran interessiert, als daran, den bereitwillig als Emissäre der Mullahs auftretenden Europäern die unzweideutige Abfuhr zu erteilen, die sie verdienten. So kommt es, daß deren Josep Borrell Fontelles schon wieder frohlockt, »wir befinden uns auf einem neuen Weg der Fortsetzung des Dialogs«.

Scheitern als Chance

Nach offiziell freilich nicht bestätigten Angaben trifft die Regierung in Washington Vorbereitungen für ein »Scheitern« der Verhandlungen über den Joint Comprehensive Plan of Action. Die vor einem Jahr gestarteten Verhandlungen sollen zwar ein unterschriftsreifes Abschlußdokument hervorgebracht haben, könnten aber an der iranischen Forderung nach einem Ende der Ächtung der Pasdaran zerbrechen.

Hat sich das islamistische Regime in Teheran darauf festgelegt, über diese Forderung nicht zu verhandeln, signalisiert die US-Regierung ihren Verbündeten nun nach den Angaben, die von Präsident Donald J. Trump vorgenommene Einstufung der Pasdaran als terroristisch nicht rückgängig zu machen. So treten die Verhandlungen seit Wochen auf der Stelle, die binnen »Tagen« abgeschlossen sein sollten.

Ist Diplomatie zweifellos gelegentlich von großem Nutzen, muß ihr Scheitern nicht unbedingt eine Katastrophe darstellen. Das Scheitern der Wiederbelebung des JCPOA, die dank der systematischen klandestinen und zuletzt immer offener betriebenen Verstöße Teherans gegen das Abkommen ohnehin einen zweifelhaften Nutzen hätte, könnte den Westen, besonders aber Europa, zwingen, Farbe zu bekennen.

Scheiterte der JCPOA de facto auch am europäischen Unwillen, dessen Instrumentarium – obschon es allzu schwach ist – dazu zu nutzen, die Vertragstreue Teherans zu erzwingen, könnte ein offiziell eingestandener Mißerfolg der Wiener Gespräche insbesondere die »E3« dazu bewegen, ihr Appeasement gegenüber Teheran aufzugeben und ein hartes Sanktionsregime gegen dessen Atomprogramm zu etablieren.

Es wäre jedenfalls fahrlässig, die Gespräche in Wien um jeden Preis fortzuführen und darauf zu hoffen, daß doch noch ein Wunder geschieht. Der russische Überfall auf die Ukraine führt auch vor, wozu Kernwaffen in der Hand von Schurken-Regimes führen. Teheran steht an der Schwelle zur Atommacht entfernt. Ein Scheitern der Wiener Gespräche könnte der Impuls sein, den es braucht, das zu verhindern.

Multilaterales Fiasko

Die Islamische Republik Iran hat nach zwischenzeitlich von der Internationalen Atomenergiebehörde bestätigten eigenen Angaben Anlagen zur Herstellung von Teilen für Zentrifugen zur Urananreicherung nach Natanz verlegt. Die aus dem stillgelegten Standort Karaj stammenden Anlagen wurden nach den Berichten in den letzten Tagen im unterirdischen Komplex Natanz bereits in Betrieb genommen.

Gestattete das islamistische Regime in Teheran der IAEA, die von den Vereinten Nationen mit der Überwachung der Einhaltung des Joint Comprehensive Plan of Action betraut ist, die Installation von Kameras am neuen Standort der Anlagen, bleibt der UN-Organisation derweil weiter der Zugriff auf deren Aufnahmen verwehrt. Das Mullah-Regime setzt damit seine Verstöße gegen den JCPOA fort.

Die Verhandlungen in der österreichischen Hauptstadt Wien über die Zukunft des Abkommens, mit dem – in der Theorie seiner »Architekten« – der Aufstieg der Islamischen Republik zur Atommacht verhindert werden sollte, treten unterdessen weiter auf der Stelle. Hieß es schon vor Monaten, eine Einigung sei nur eine Frage von »Tagen«, baut Teheran sein Atomprogramm trotz der Gespräche nur weiter aus.

Tatsächlich haben sich die Verhandlungen darüber – wie der JCPOA selbst und dessen Umsetzung insbesondere durch die »E3«, die drei europäischen Vertragsstaaten – längst zu einem Schutz des iranischen Atomwaffenprogramms gewandelt. Statt mit den im JCPOA vorgesehenen Mitteln zumindest etwas Druck auf die Mullahs auszuüben, wird gerade das unterlassen, um das Abkommen nicht zu gefährden.

Dabei ist sein Scheitern längst nicht zu übersehen. Teheran verfügt über mehr und deutlich höher angereichertes Uran als der JCPOA gestattet, es nutzt zur Anreicherung moderne Zentrifugen, deren Betrieb das Abkommen ausschließt. Und mit einer IAEA, die Kameras zwar installieren, deren Aufnahmen aber nicht sichten darf, ist das als »beispiellos« gepriesene Kontroll-Regime nur noch ein schlechter Witz.

Und dennoch wagen es weder die »E3«, von denen derlei freilich auch nicht zu erwarten ist, noch die Regierung in Washington, aus den Verhandlungen in Wien wegen erwiesener Nutzlosigkeit auszusteigen. Immerhin, die Vereinigten Staaten haben sich zuletzt geweigert, sich durch Teheran zur Entkriminalisierung der Pasdaran (IRGC) nötigen zu lassen. Gleichwohl lassen auch sie die Mullahs gewähren.

Seit nunmehr einem Jahr wird über den Joint Comprehensive Plan of Action in Wien verhandelt – oder eben auch nicht. Von jenem »guten Willen« Teherans, den Washington für seine Teilnahe zur Voraussetzung erklärt hatte, war nie etwas zu sehen. Während erste Bestimmungen des JCPOA bald auslaufen, verspricht Teheran, es werde an seinem Kurs festhalten. Der Multilateralismus ist den Mullahs ein treuer Verbündeter.

Hoffnungsschimmer

Die amerikanische Regierung lehnt es nach Angaben der in der US-Hauptstadt erscheinenden Washington Post ab, die Einstufung der iranischen Pasdaran als terroristische Organisation. Wie die Tageszeitung unter Berufung auf Angaben eines hochrangigen Vertreters der Administration berichtet, will die von Präsident Joe Biden geführte Regierung entsprechende Forderungen aus Teheran nicht erfüllen.

Die Revolutionsgarden (IRGC) des islamistischen Regimes in Teheran waren von Präsident Donald J. Trump im April 2019 offiziell als terroristischen Organisation geächtet worden. Im Rahmen der Gespräche über den Joint Comprehensive Plan of Action in Wien, die seit einem Jahr andauern, fordert das Mullah-Regime die Streichung seiner Pasdaran von der amerikanischen Liste terroristischer Organisationen.

Bisher gab es immer wieder Berichte darüber, daß die Regierung in Washington zumindest darüber nachdenke, auf die iranische Forderung einzugehen, um einen diplomatischen Erfolg bei den Verhandlungen in der österreichischen Hauptstadt zu ermöglichen. Sollte der Bericht der Washington Post zutreffen, dürfte ein Scheitern des von Teheran immer massiver verletzten JCPOA unausweichlich sein.

Von so manchem seiner »Architekten« als Gewähr gegen ein weiteres atomar bewaffnetes islamistisches Regime angepriesen – andere waren etwas realistischer -, ist der JCPOA indes längst nur mehr wenig wert: Die Islamische Republik Iran steht bereits an der Schwelle zur Atommacht. Ein Eingeständnis der in Wien verhandelnden Mulitlateralisten, daß sie gescheitert sind, würde nur diese Realität anerkennen.

Damit allerdings würden sie, und das meint vor allem die »E3«, die drei europäischen Vertragsländer, zugleich gezwungen, von ihren unsäglichen Versuche abzulassen, das islamistische Regime in Teheran durch gutes Zureden von seinem Atomprogramm abzubringen, sondern sich tatsächlich der islamistischen Bedrohung zu stellen. Sollte die Washington Post sich nicht irren, wäre das daher nur zu begrüßen.

Europäischer Holzweg

Hieß es vor gut einer Woche, die Gespräche über den Joint Comprehensive Plan of Action stünden kurz vor einem Abschluß, war schon wenig später nicht mehr die Rede davon. Hatte Josep Borrell Fontelles eben noch optimistisch von einer »Angelegenheit von Tagen« gesprochen, mußte der »Außenminister« der EU kurz darauf verkünden, es sei längst noch »kein Ende« der Verhandlungen absehbar.

Und in der Tat scheint die Reisediplomatie Enrique Moras am vergangenen Wochenende nichts gebracht zu haben. Der Koordinator der Europäischen Union für die Gespräche in Wien konnte weder die Mullahs in Teheran von ihrer Forderung nach einer Streichung ihrer Revolutionsgarden von der amerikanischen Liste terroristischer Organisationen abbringen, noch Washington im Sinne Teherans überzeugen.

Stecken die seit einem Jahr andauernden Verhandlungen in der österreichischen Hauptstadt trotz eines angeblich schon vorliegenden konsensfähigen Abschlußpapiers einmal mehr in einer Sackgasse, sind es erneut die »E3«, die drei europäischen Vertragsstaaten des JCPOA, die mit ihrer Weigerung, deren Scheitern einzugestehen, dafür sorgen dürften, daß die Gespräche fortgesetzt und vollends zur Farce werden.

War zwar der JCPOA von Anfang an nicht geeignet, das mit ihm verbundene Ziel zu erreichen, das islamistische Regime in Teheran zur Aufgabe seines Kernwaffenprogramms zu bewegen, hat insbesondere der (west-)europäische Umgang mit ihm dafür gesorgt, die Lage zu verschärfen. Mit ihrer Verweigerung, auf amerikanische Verbesserungsvorschläge einzugehen, trieben sie Washington aus dem Vertrag.

Und als Teheran in der Folge von heimlichen zu offenen Verstößen gegen das Abkommen überging, hintertrieben sie amerikanische Sanktionen, etwa durch die deutsch-französische Erfindung Instex, statt sich selbst wenigstens auf das – freilich durchaus schwache – Instrumentariun des JCPOA zu besinnen und mit ihm zu versuchen, die Mullahs zur Einhaltung ihrer vertraglichen Verpflichtungen zu zwingen.

Das Ergebnis dieses Versagens der Regierungen in Berlin, London und Paris ist ein Mullah-Regime, das heute dreist Forderungen diktiert und dank seines auch in den letzten zwölf Monaten vorangetriebenen Kernwaffenprogramms die Schwelle zur Atommacht jederzeit überschreiten kann. Daß Europa auch daraus wenig gelernt hat, dokumentiert Josep Borrell Fontelles Aussage, er sehe »kein Ende« der Gespräche.

Denn das bedeutet ja, daß die Verhandlungen aus europäischer Sicht weitergehen sollen, wo es notwendig wäre, sich aus ihnen zurückzuziehen und spätestens jetzt den Druck auf die islamistischen Herrscher in Teheran zu erhöhen, beispielsweise durch die Aktivierung des »Snap back«-Mechanismus’ des JCPOA. Dadurch würde das ausgesetzte internationale Sanktionsregime gegen sie wiederbelebt.

Eine Diplomatie, die alle paar Wochen einen Erfolg innert weniger »Tage« ankündigt, der dann freilich ausbleibt, verspielt damit jede Glaubwürdigkeit und macht sich darüber hinaus mit ihrer fortgesetzten Weigerung, ihr Scheitern einzugestehen, letztlich den Mullahs untertan. Wer einen militärischen Konflikt um das iranische Atomprogramm verhindern will, sollte vom Appeasement Abstand nehmen.

Selbstaufgabe

Bald ein Jahr ist es her, daß in der österreichischen Hauptstadt Wien Gespräche über den Joint Comprehensive Plan of Action begannen, gegen den das islamistische Regime in Teheran bereits damals massiv verstieß und seither immer massiver verstößt. Waren für die Verhandlungen nur wenige Wochen vorgesehen, wird nun, nach ganzen zwölf Monaten, einmal mehr ihr baldiger Abschluß angekündigt.

Während Enrique Mora, der Koordinator der Europäischen Union für die Gespräche in Wien, nach Teheran geflogen ist, um mit dem dortigen Regime nach Lösungen für »noch ausstehende Probleme« zu suchen, kündigte Josep Borrell Fontelles, der »Außenminister« der EU, eine Einigung innerhalb von »Tagen« an. Er könne zwar »nicht sagen, wie und wann, aber es ist nur noch eine Frage von Tagen«.

Zu den noch ungeklärten Fragen gehört die iranische Forderung nach einer Streichung der Pasdaran, der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC), von der amerikanischen Liste als terroristisch geächteter Organisationen. Washington soll tatsächlich erwägen, sich dieser Forderung zu beugen, obwohl die Pasdaran sich erst vor wenigen Tagen noch zu Angriffen auf amerikanische Ziele im Irak bekannten.

Hat die Regierung in Washington längst die meisten ihrer Forderungen vergessen, von deren Erfüllung durch Teheran sie ihre Teilnahme an den Gesprächen abhängig machte, ist zu fürchten, daß sie auch hier nachgibt und die Ächtung der Pasdaran aufhebt. Und sollte sie sich noch zieren, wird Enrique Mora nicht zögern, in Washington, wo er am Montag erwartet wird, als Fürsprecher Teherans aufzutreten.

Dabei sollten die Vereinigten Staaten, aber auch und gerade die Europäer mehr Druck auf die Islamische Republik Iran ausüben, statt sich ausgerechnet von ihr Bedingungen diktieren zu lassen. Das islamistische Regime hat in den vergangenen zwölf Monaten keinerlei Bereitschaft zu Kompromissen gezeigt, nicht einmal sein illegales Atomprogramm eingefroren, sondern es immer aggressiver vorangetrieben.

Es bleibt abzuwarten, was aus der jüngsten Ankündigung wird, innerhalb von »Tagen« werde eine Einigung vorliegen – es ist inzwischen weit mehr als vier Wochen her, daß der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian von nur noch »Tagen« sprach. Die »E3« und Washington lassen nichts unversucht, Teheran milde zu stimmen. Sie scheinen bereit, jeden Preis zu zahlen, bis hin zur Selbstverleugnung.

Beste Absichten

In wenigen Wochen wird es ein Jahr her sein, daß in der österreichischen Hauptstadt Wien Verhandlungen über den Joint Comprehensive Plan of Action begonnen haben, darüber, ob das Regime in Teheran seine ständigen Verstöße gegen das Abkommen einstellen wird, darüber, ob Amerika wieder ein Vertragsstaat werden wird, nachdem Präsident Donald J. Trump 2018 Washingtons Austritt erklärt hatte.

Über den Stand der Verhandlungen läßt sich gegenwärtig nur spekulieren. Erklärte der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian vor nunmehr über einem Monat, für eine Einigung blieben nur »noch Tage«, verkündete EU-»Außenminister« Josep Borrell Fontelles vor einer Woche via Twitter, die Verhandlungen pausierten. Gleichzeitig wird gemeldet, eine Einigung in Wien stehe unmittelbar bevor.

Unterdessen dürften der Überfall Moskaus auf die Ukraine und zahlreich wiederholte Versicherungen Washingtons, der NATO sowie weiterer ihrer Mitglieder, nicht militärisch eingreifen zu wollen, Teheran endgültig vom Nutzen seines Kernwaffenprogramms überzeugt haben. Die Islamische Republik Iran steht nach Expertenangaben nach Monaten der Diplomatie in Wien nur kurz davor, Atommacht zu werden.

Gab die Regierung in Washington vor bald einem Jahr zu Protokoll, sie lasse sich nur unter der Voraussetzung auf Gespräche ein, daß Teheran »gute Absichten« zeige, ist auch dieses Versprechen längst vergessen: Berichte der Internationalen Atomenergiebehörde, nach denen Teheran gerade dafür sorgt, einen Abtransport seines hochangereicherten Urans zu erschweren, läßt Washington bisher unkommentiert.

Dabei hatten erst vor wenigen Tagen Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich, die als »E3« Vertragsstaaten des JCPOA sind, das Regime in Teheran noch mit einer ihrer berüchtigten »Gemeinsamen Erklärungen« gerade davor gewarnt. Doch obwohl die Mullahs damit einmal mehr ihre wahren Absichten demonstrieren, erklärt Präsident Joe Biden die Verhandlungen nicht für gescheitert.

Von den »E3« waren ohnehin nie ernsthafte Schritte gegen Teheran zu erwarten, wenn das dortige Regime sie und ihren Multilateralismus wieder einmal vorführte und bloßstellte. Washington scheint nun vollends entschlossen, seine »Partner« an Rückgratlosigkeit noch übertreffen zu wollen. Die iranische Bombe wird viele »Geburtshelfer« haben. Einer von ihnen bewohnt derzeit das Weiße Haus in Washington.

Gefährliche Dummheit

Josep Borrell Fontelles, der Hohe Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, hat mitgeteilt, die seit bald einem Jahr in Wien geführten Gespräche über den Joint Comprehensive Plan of Action müßten »pausieren«, obwohl den Angaben zufolge ein »finaler [Vertrags-]Text auf dem Tisch« liege. Für die »Pause« seien, so der »Außenminister« der EU, »externe Faktoren« verantwortlich.

Nachdem es in den letzten Monaten und Wochen immer wieder hieß, es blieben den Unterhändlern in der österreichischen Hauptstadt nur noch »Tage«, um sich über ein Abkommen einig zu werden, mit dem der Joint Comprehensive Plan of Action noch gerettet werden könnte, rückt mit der nicht eben informativen Ankündigung Josep Borrell Fontelles’ ein »diplomatischer Erfolg« erneut in weite Ferne.

Es liegt durchaus nahe, hinter den »externen Faktoren« Forderungen zu vermuten, wegen des russischen Einmarschs in die Ukraine gegen Moskau verhängte Sanktionen dürften sich nicht auf dessen Handelsbeziehungen mit Teheran auswirken. So inakzeptabel wie diese Forderungen ist es freilich, ihretwegen den Gesprächen in Wien schulterzuckend eine »Pause« von zumal unbekannter Dauer zu verordnen.

Mit dem Joint Comprehensive Plan of Action, gegen den das islamistische Regime in Teheran fortgesetzt und immer massiver verstößt, sollte dessen Aufstieg zur Atommacht verhindern. Verzögerungen der Gespräche über eine Rückkehr der Mullahs zu dem Abkommen machen es nur noch weiter zu einer Farce. Experten warnen längst, Teheran könne sich jederzeit dazu entscheiden, Atombomben herzustellen.

Sofern das islamistische Regime mit Mitteln der Diplomatie tatsächlich noch davon abgehalten werden soll, dann drängt die Zeit: Versicherungen Washingtons und aus europäischen Hauptstädten, Kiew nicht militärisch helfen zu wollen, zeigen, daß eigene Kernwaffen einer aggressiven Außenpolitik gewiß nicht hinderlich sind. Es ist vor diesem Hintergrund abenteuerlich, Teheran weitere Zeit zu verschaffen.

Statt die Wiener Verhandlungen für Wochen oder Monate auszusetzen, wäre es daher nötig, gerade jetzt auf einen schnellen Abschluß zu drängen – laut Josep Borrell Fontelles soll ja sogar ein »finaler Text« vorliegen. Teheran denkt nicht daran, sein Atomprogramm einzufrieren, weil er das mit den Wiener Gesprächen macht. Der EU-»Außenminister« hat Stabilität und Frieden gewiß keinen Dienst erwiesen.