Spitzenforschung: Karriere mit attac

„Gibt es noch Wege zum Frieden in Nahost?“ – die „Sommerakademie“ von attac hatte sich viel vorgenommen. Helfen bei der Beantwortung dieser Frage sollte der „globalisierungskritischen“ Bewegung Norman Paech, „Mitglied in den wissenschaftlichen Beiräten von Attac [!], IPPNW und IALANA“. Als Teilnehmer eines Versuchs, auch mit Gewalt die israelische „Blockade“ Gazas zu brechen, verfügt Norman Paech nach Ansicht der Veranstalter, die auf einen israelischen Referenten übrigens verzichteten, offenbar über die zur Behandlung des Themas nötige Qualifikation.

Die bewies Norman Paech nach seinem Einsatz auf dem Islamisten-Schiff Mavi Marmara auch bei zahlreichen Vorträgen vor Gleichgesinnten: Einen Zuruf aus dem Publikum, Israel sei ein „faschistisches Regime“, wollte der attac-Beirat bei einem dieser Auftritte nicht unkommentiert lassen und regte an, die Bundeswehr in den Kampf gegen die israelische Marine zu schicken, der dann wohl ein antifaschistischer ausdrücklich gegen Juden an der Seite der antisemitischen Hamas wäre.

In seiner Ende 2009 in Bielefeld erschienenen Dissertation mit dem Titel „Eine andere Welt ist möglich – ohne Antisemitismus?“ untersucht Holger Knothe „die Positionierungen von Attac zwischen universalistischem Anspruch einerseits sowie Erinnerungsabwehr und stereotypen Wahrnehmungen des Nahostkonfliktes andererseits“, wie der Verlag formuliert. „Wie also sieht aus Sicht von Attac, in Anlehnung an deren Slogan, die ‚andere Welt‘ aus, die möglich ist. Ist es eine andere Welt ohne Antisemitismus oder wird dieses Problem bisher schlichtweg ignoriert“ (S. 15), fragt der Autor etwas verständlicher.

Die Antwort liegt, scheint’s, nahe. „Auf der Ebene der konkreten Beobachtung globalisierungskritischer Akteure“, schreibt Holger Knothe etwa, „zeigte sich, dass deren Ökonomiekritik strukturell vielfache Anschlussmöglichkeiten für antisemitische Weltbilder enthält“ (S. 132). Und es kommt noch schlimmer für attac: „[I]nnerhalb zentraler globalisierungskritischer Narrative [bestehen] bedeutende und wichtige Anschlüsse hin zu antisemitischen Stereotypen und ideologischen Elementen des Antisemitismus“ (S. 133).

Doch was nach vernichtender Kritik klingt, ist gar keine. Obgleich Holger Knothe nämlich seine belastenden Schlüsse nicht beleg- oder grundlos formuliert, sucht er attac sogleich wieder zu entlasten. Antisemitismus tritt, so der Autor, zwar auf, doch attac sei als ein Netzwerk zahlreicher heterogener Organisationen nicht verantwortlich zu machen für Verirrungen einzelner Personen oder Gruppen. Es sei daher „unbestritten, dass die globalisierungskritische Bewegung und ihr prominentester Protagonist Attac nicht per se als antisemitisch bezeichnet werden kann“ (S. 133).

Und auch sonst hat Holger Knothe allerlei zur Entlastung von attac zu sagen. So transformiere sich etwa „die Ökonomiekritik und genauso die spezifische Wahrnehmung der USA nur in den seltensten Fällen folgerichtig in geschlossen antisemitische Welterklärungen“ (S. 132). Das wird auch die Hamas erfreuen oder gegebenenfalls verärgern, die ihn leugnen und gleichzeitig allen Juden mit einem Holocaust drohen kann, aber – das ist ja nicht ganz folgerichtig – nun wenigstens nicht antisemitisch ist.

Wo bei attac schließlich doch noch Antisemitismus aufscheine, sollte man sich tunlichst in Zurückhaltung üben, da „eine inflationäre Verwendung des Begriffes ‚Antisemitismus‘ dessen inhaltliche Bedeutung aushöhlen würde und zu einer historisch-politischen unsachlichen Relativierung tatsächlich manifester antisemitischer Ideen und Praxen beitragen würde“ (S. 133). Man sollte, und diesen Rat hat Holger Knothe zweifellos berücksichtigt, also offenbar besser weg- als genauer hinschauen. Das ist eine wenigstens seltsame Logik.

2003 erklärte attac, „es gab und es gibt bei Attac keinen Platz für Antisemiten“, 2010 „verurteilt das globalisierungskritische Netzwerk Attac Deutschland“ als „Überfall israelischer Kommandoeinheiten“, was dem Schutz der israelischen Bevölkerung vor terroristischen Angriffen der in Gaza nach einem gewalttätigen Putsch „regierenden“ Hamas dient, und während einer attac-„Sommerakademie“ finden Seminare statt, in denen Antisem„Israelkritiker“ über Israel zu Gericht sitzen, die sich ihr schönes Beisammensein auch nicht durch Gäste aus Israel vermiesen lassen wollen.

Dazwischen attestierte Holger Knothe den „Globalisierungskritikern“ gegen jede Evidenz, was die schon 2003 dekretierten, doch nie hielten: „Die Positionen von Attac sind nicht antisemitisch.“ Für seine Reinwaschung attacs wird Holger Knothe nun mit der Berufung zum Post Doctorate Associate der bislang noch renommierten Yale Initiative for the Interdisciplinary Study of Antisemitism (YIISA) belohnt. Dazu ist wohl ihm, gewiß jedoch nicht der Antisemitismusforschung zu gratulieren.