Vor- und Feindbild

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hat sich mit seiner Ankündigung, die geplante Justizreform aussetzen zu wollen, vorerst Zeit gewonnen. Während Demonstrationen von Unterstützern des Vorhabens bisher überschaubar blieben, dürfte der breite gesellschaftliche Ausstand dagegen erneut aufflammen, sollte die Koalition ihre Reformen in den nächsten Wochen weiter voranzutreiben versuchen.

Daß der Premier die Zustimmung seines Ministers Ben Gvir zur Aussetzung der Reformbemühungen mit dem Versprechen »eigener« bewaffneter Sicherheitskräfte »erkaufte«, deutet jedenfalls darauf hin, daß die gesellschaftliche Krise längst nicht überwunden oder eine Zuspitzung abgewendet ist. Noch blieben und endeten die Demonstrationen gegen die Regierung – von Ausnahmen abgesehen – friedlich.

Damit allerdings erweist sich, wie tief verwurzelt, wie selbstverständlich zivilisierte Formen der politischen Auseinandersetzung im jüdischen Staat sind, wie stark die jüdische Demokratie tatsächlich ist. Während gerade repräsentative Umfragen die unter »Palästinensern« erschreckend breite Unterstützung auch und gerade terroristischer Gewalt dokumentieren, bewährt sich die Demokratie in Israel in der Krise.

Auf diese Weise ist und bleibt Israel ein leuchtendes Beispiel für zahlreiche Menschen in der Region. Für andere, und manche von ihnen behaupten von sich, »Menschenrechtsaktivisten« zu sein, bleibt es gerade deshalb Ziel ihrer verleumderischen Angriffe. Amnesty International und Co., diese billigen Cheerleader von Blutsäufern vom Schlage eines Abu Mazen, diskreditieren sich damit freilich nur selbst.

Verantwortungslosigkeit

Der amerikanische Präsident Joe Biden hat gegenüber Medienvertretern deutlich gemacht, den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu jedenfalls »in nächster Zeit« nicht zu einem Besuch nach Washington einladen zu wollen. Verbunden mit erneuerter Kritik an innenpolitischen Entscheidungen des Likud-Politikers ist die öffentliche Absage an einen Besuch Benjamin Netanjahus ein Affront.

Zwar wäre es wohl keine Übertreibung, dem israelischen Premier zu bescheinigen, er sei umstritten, repräsentiert Benjamin Netanjahu in diesem Amt noch immer einen der engsten Alliierten der Vereinigten Staaten auf der Welt, ganz bestimmt aber im Nahen Osten. Joe Bidens demonstrative Verweigerung einer Einladung an ihn beschädigt daher auch die bilateralen Beziehungen zwischen Washington und Jerusalem.

Während sich Peking gerade mit der Vermittlung einer (Wieder-)Annäherung zwischen dem islamistischen Regime in Teheran und dem Königshaus in Riyadh als neue potentielle Hegemonialmacht in der Region in Stellung zu bringen versucht, riskiert der demokratische Präsident mit der Herabwürdigung des israelischen Regierungschefs einen weiteren Ansehens- und – vor allem – Einflußverlust in der Region.

Niemand verlangt ein Verstummen jeglicher Kritik an politischen Entscheidungen in der jeweils anderen Hauptstadt. Geht sie – unter Verbündeten, die mit Differenzen zumindest bisher umzugehen vermochten – allerdings so weit, daß man sich offiziell aus dem Weg geht, hat sie jedes Maß verloren. Joe Bidens möglicherweise folgenschwere Entscheidung und ihre öffentliche Kommunikation sind unverantwortlich.

Menschenfeinde

Die »Nichtregierungsorganisation« Amnesty International hat Israel erneut »Apartheid« vorgeworfen. In ihrem am Dienstag veröffentlichten Bericht »Zur Lage der Menschenrechte in der Welt« hat die Organisation ihre Vorwürfe gegen den jüdischen Staat bekräftigt, »Apartheid« gegenüber »Palästinensern« zu praktizieren und insbesondere westlichen Staaten »Heuchelei« bescheinigt, da sie dazu schweigen würden.

Es ist nicht ohne eine gewisse Ironie, daß die umstrittene »NGO« ihre neuerlichen Verleumdungen Israels mit Klagen über eine Zunahme von »Haßverbrechen« garniert. In Deutschland etwa bereiten den »Menschenrechtlern« nach Auskunft ihres Berichts antisemitischer Übergriffe Sorgen. Daß sie mit ihren die Apartheid verharmlosenden Angriffen auf Israel Teil des Problems sein könnten, kümmert sie dabei weniger.

Es ist keine Premiere, daß Israel »Apartheid« vorgeworfen wird. Spätestens seit Anfang 2022 gehört der Begriff zum ständigen Repertoire auch dieser Organisation, deren Generalsekretärin Agnes Callamard sich im Februar des Jahres gewiß nicht ganz zufällig zum freundlichen Plausch mit »Palästinenserpräsident« Abu Mazen in Ramallah traf, dessen undemokratisches Regime tief in Korruption und Terror verstrickt ist.

Mit der Wiederholung ihrer unfundierten »Apartheid«-Vorwürfe gegen Israel bringt Amnesty sich und gewiß nicht eben wenige Menschen, denen tatsächlich etwas an Menschenrechten liegen mag, weiter in Verruf. Die »NGO« macht sich mit ihnen den Sprachgebrauch antisemitischer Terroristen zu eigen und legitimiert damit ihre Verbrechen. Amnesty bringt damit selbst Menschen in Gefahr, statt sich für sie einzusetzen.

Hybris

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat am Sonntag Verteidigungsminister Yoav Gallant entlassen, nachdem der sich zuvor öffentlich für eine Aussetzung der zunehmend umstrittenen Justizreform der Koalition in Jerusalem geäußert hatte. Mit der Entlassung des Ministers, die er mit fehlendem Vertrauen begründete, löste Benjamin Netanjahu noch in der Nacht Massenproteste im ganzen Land aus.

An den Demonstration in Tel Aviv und weiteren Städten Israels beteiligten sich einige Zehntausend Menschen, womöglich deutlich mehr, wobei es auch zu Zusammenstößen mit Sicherheitskräften kam. Der Gewerkschaftsdachverband Histadrut rief zu einem Generalstreik auf, zahlreiche Hochschulen kündigten an, den Lehrbetrieb aus Protest gegen die Reformpläne der Regierung in Jerusalem ruhen zu lassen.

Und auch im Kabinett des Likud-Politikers mehrten sich am Abend und in der Nacht die Stimmen, die sich gegen die Durchsetzung der Reformpläne aussprachen, während andere Minister ihren weiteren Verbleib im Kabinett von deren rascher Umsetzung abhängig machten. Benjamin Netanjahu soll nun eine »Rede an die Nation« planen, in der er vermutlich den vorläufigen Verzicht auf die Reform ankündigen wird.

In einer außenpolitisch nicht eben entspannten Lage – das islamistische Regime in Teheran steht näher an der Schwelle zur Atommacht als je zuvor, gleichzeitig nähert es sich wieder an Riyadh an, »palästinensische« Terrororganisationen wollen Ramadan zu einem besonders blutigen Monat machen – haben der israelische Regierungschef und die ihn noch stützenden Parteien Israel ohne Not in eine tiefe Krise gestürzt.

Drei Monate ist der Likud-Politiker derzeit im Amt, und das Land ist in einem Zustand, in dem seine Verteidigungsfähigkeit offenbar enrsthaft gefährdet ist, weil immer mehr Reservisten jedenfalls dieser Regierung Entscheidungen über ihr Leben nicht mehr anvertrauen wollen, gleichzeitig drohen die wachsenden Proteste das öffentliche Leben im Land lahmzulegen, spekuliert wird gar über Bürgerkriegsszenarien.

Die Zuspitzung der Krise, in die Benjamin Netanjahu und seine Regierung Israel mit ihrem unreflektierten Festhalten an einer Justizreform gestürzt haben, die eher sehr persönlichen Interessen von Kabinettsmitgliedern dienen dürfte und weniger denen des Landes, war dabei durchaus absehbar. Daß sich nun weite Teile der Gesellschaft Israels im Ausstand befinden, ist ein Armutszeugnis für den Ministerpräsidenten.

Nur drei Monate nach Amtsantritt dürften nur noch wenige Menschen in Israel sich einen Premier Benjamin Netanjahu wünschen. Ob ein bloßes Aussetzen der Justizreform seine Regierung retten wird können, muß daher bezweifelt werden. Die Gräben, die in den vergangenen Wochen aufgerissen wurden, sind tief und breit. Benjamin Netanjahu täte wohl gut daran, über die Ermöglichung von Neuwahlen nachzudenken.

Konfliktstifter

Antisemitismus, das ist inzwischen vielfach belegt, hat einen festen Platz in den zahlreichen von der UNRWA betriebenen Schulen in Gaza, den umstrittenen Gebieten, in Jordanien, im Libanon, in Syrien und selbst noch in der israelischen Hauptstadt Jerusalem. Das liegt einerseits an den dort verwendeten Lehrmaterialien und -plänen, andererseits an den Einstellungen von Lehrpersonal, Eltern und Gesellschaft.

In den Schulen des »Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten«, wie die Organisation in der Tat heißt, die mit ihnen nach eigener Auskunft mehr als eine halbe Million Kinder und Jugendliche erreicht, werden nämlich die Unterrichtsmaterialien verwendet, die am jeweiligen Standort der Schule landesüblich sind – mit Ausnahme freilich Jerusalems, wo Ramallahs Lehrplan gilt.

Theoretisch vorhandene »ergänzende Lehrmaterialien«, die die UNRWA-Führung erwähnt, wenn besonders bösartiger Hetze an ihren Schulen international Schlagzeilen macht, werden vom Lehrpersonal boykottiert, das aus seinen Ansichten derweil auch sonst kein Geheimnis macht. In Jerusalem »protestieren« schon mal die Eltern, suchen die Behörden ihren Kindern die »palästinensische Identität zu rauben«.

Die UNRWA ist zur Finanzierung ihrer Aktivitäten auf Spenden angewiesen, denn das »Hilfswerk« verfügt nicht über ein festes jährliches Budget. Größte Unterstützer der Organisation sind die Vereinigten Staaten, Deutschland und die Europäische Union. Als Washington 2018 – auch mit Verweis auf den durch die UNRWA täglich verbreiteten Antisemitismus – aus der Unterstützung ausstieg, sprang Berlin bereitwillig ein.

Seit dem letzten Regierungswechsel in den Vereinigten Staaten liegt Washington aber wieder ganz vorn, wenn es um dreistellige Millionenbeträge für das »Hilfswerk« geht, Deutschland und die Europäische Union folgen, Und hinterfragt dort überhaupt noch jemand den dokumentierten Antisemitismus des »Hilfswerks«, sind es meist politisch recht unappetitliche Gestalten mit durchaus zweifelhaften Motiven.

Mit ihren als »humanitär« bezeichneten Zuwendungen an die UNRWA leisten Washington, Berlin und Brüssel einen kaum zu unterschätzenden Beitrag, Generation um Generation »palästinensischer« Heranwachsender antisemitisch zu indoktrinieren und so den »palästinensisch«-israelischen Konflikt zu perpetuieren, während sie gleichzeitig, Gipfel ihrer Bigotterie, regelmäßig Israel für Gewalt anprangern.

Arroganz

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und sein Kabinett, der Likud und die mit ihm koalierenden Parteien lassen wenig unversucht, sich und die Werte, für die zu stehen sie vorgeben, in Mißkredit zu bringen. Versuchten Politiker bisher wenigstens, sich als Diener eines wie auch immer definierten Gemeinwohls darzustellen, macht Benjamin Netanjahu derzeit ganz offen Politik in eigener Sache.

Das in dieser Woche mit 61 gegen 47 Stimmen in der Knesset beschlossenen Gesetz, das eine Amtsenthebung eines Regierungschefs durch das Parlament nahezu unmöglich macht, ist jedenfalls offenkundig darauf ausgerichtet, den amtierenden Premier gegen juristischen Ärger politisch zu »immunisieren«. Benjamin Netanjahu und seine Mitkoalitionäre demonstrieren mit ihm, daß es ihnen nicht um Israel geht.

Verfügten sie noch über einen Rest politischen Anstands, hätten sie dieses Gesetz, wenn es schon notwendig sein soll, so formuliert, daß es seine Wirkung erst auf zukünftige Amtsinhaber entfaltet. Noch besser freilich wäre, es wäre nie vorgelegt worden: Denn was anderes als eine Einladung an Amtsinhaber, Gesetze zu mißachten, soll es sein? Und welches Zeugnis stellen sich die, die es abnickten, damit selbst aus?

Es gab einmal einen Premier Benjamin Netanjahu, dessen Abwahl oder Amtsverzicht eine deutliche Lücke aufgerissen hätte. In dieser Woche ist es dem Likud-Politiker und seinen Verbündeten gelungen, dem Ansehen der Politik weiteren schweren Schaden zuzufügen, Vertrauen in sie zu erschüttern. Israels Demokratie sollte stark genug sein, sich davon zu erholen. Benjamin Netanjahus Ruf dagegen ist nicht mehr zu retten.

Berliner Verleumdungen

Das Auswärtige Amt zu Berlin läßt mitteilen, eine im israelischen Parlament, der Knesset in Jerusalem, beschlossene Änderung des »Rückzugsgesetzes« aus dem Jahr 2005 stelle »einen gefährlichen Schritt hin zu möglichen erneuten Siedlungsaktivitäten dar«, durch den »die ohnehin angespannte Sicherheitslage im Westjordanland« sich weiter zuspitzen könne. Jüdisches Leben gilt Berlin einmal mehr als Gefahrenquelle.

Das vor 18 Jahren von einer als »rechts« geltenden Regierung in Jerusalem gegen große Widerstände in der israelischen Gesellschaft beschlossene und durchgesetzte »Rückzugsgesetz« regelte den Rückbau von Außenposten in Gaza und den Rückzug der israelischen Streitkräfte aus dem Gebiet. Betroffen von dem Gesetz waren aber auch die jüdischen Bewohner von vier geräumten Außenposten in den umstrittenen Gebieten.

Mit der nunmehr beschlossenen Änderung werden, wie der israelische Premier Benjamin Netanjahu betonte, jene Regelungen im »Rückzugsgesetz« aufgehoben, mit denen Juden »in diskriminierender und verletzender Weise« ein Leben im Norden der umstrittenen Gebieten untersagt wurde. Keineswegs allerdings beabsichtige Jerusalem, mit der Gesetzesänderung neue Außenposten zu etablieren oder zu legalisieren.

Als das »Rückzugsgesetz« beschlossen wurde, war es Ausdruck der Überzeugung, daß die Aufgabe israelisch verwalteter Gebiete eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen »Palästinensern« und dem jüdischen Staat beschleunigen könne. Daß das Konzept »Land für Frieden« kaum mehr als eine eine naive Hoffnung war, zeigte sich anschaulich, als der »palästinensische« Mob 2005 in Gaza errichtete Synagogen brandschatzte.

Später flogen immer wieder Raketen aus dem geräumten Gaza auf Israel, während der inzwischen zum »Präsidenten« aufgestiegene Abu Mazen es auffallend verabsäumte, mäßigend auf die in Gaza dominierenden und heute herrschenden Islamisten einzuwirken, Verantwortung auch für diesen Teil »Palästinas« zu übernehmen. Wo seine PLO herrscht, sorgte er gleichwohl ebenfalls nicht für einen Rückgang von Haß und Terror.

Beklagt das Auswärtige Amt, die Knesset verstoße mit ihrer Gesetzesänderung gegen »einmal gemachte Zusagen«, die »international verhandelt« und »garantiert« worden seien, offenbart das nur einmal mehr die deutsche Bigotterie. Während das Regime in Ramallah nachgerade regelmäßig international garantierte Abmachungen für nichtig erklärt, hält Berlin das nämlich ebenso regelmäßig nicht für eines Kommentars würdig.

Apartheid

Am Donnerstag beginnt der von Muslimen begangene Ramadan, ein Monat des Fastens, der der Besinnung auf die erstmalige Herabsendung des Korans gewidmet sein soll, der den Menschen, die an ihn glauben, vermittelt, nach welchen Regeln sie ihr irdisches Leben gestalten soll(t)en und was ihm folgt. Der »heilige« Monat könnte für Gläubige einer des Innehaltens und Nachdenkens über die Vergangenheit und die Zukunft sein.

In Jerusalem, der Hauptstadt Israels, rechnen die Sicherheitsbehörden allerdings nicht nur mit vielen Muslimen, die zum Felsendom und zur Al-Aqsa-Moschee pilgern und dort friedlich beten wollen, sondern auch mit massiven Versuchen, antisemitische Krawalle und Gewalt auszulösen. In der israelischen Hauptstadt wurden deshalb zusätzliche Sicherheitskräfte stationiert, die wohl besonders an den Freitagen gefordert sein werden.

Denn in der Tat bereiten nicht bloß islamistische Terrororganisationen wie die in Gaza herrschende und Teilen der umstrittenen Gebiete dominierende Hamas oder der Islamic Jihad ihre Anhänger auf gewalttätige Ausschreitungen vor, auch die »Palästinenserführung« in Ramallah raunt bereits von israelischen »Provokationen«, während »Präsident« Abu Mazen schon erklären läßt, Jerusalem sei verantwortlich für alles, was geschehe.

Auch sie lädt damit zu Gewalt ein, indem sie ihr nämlich einen Freibrief erteilt: Sollte es zu Krawallen kommen, werden dafür nicht jene sein, von denen die Gewalt ausgeht. Denn die wurden ja »provoziert« – und konnten dann wahrscheinlich gar nicht anders. Daß damit ausgerechnet die »Palästinenserführung« jenen, die sie zu vertreten vorgibt, ein denkbar schlechtes Zeugnis ihrer zivilisatorischen Reife ausstellt, ist eine schöne Ironie.

Besonders peinlich freilich wirkt Gerede von angeblichen israelischen »Provokationen« angesichts etwa der Tatsache, daß der Tempelberg für Juden, denen er ebenfalls ein besonders wichtiges Heiligtum ist, und alle anderen denkbaren nichtmuslimischen Besucher in den letzten zehn Tagen des Ramadan komplett gesperrt sein wird. Schon erstaunlich, wie sehr die Anhänger Allahs unter der zionistischen Schreckensherrschaft über Jerusalem leiden müssen.

Geschichtsfälscher

Vertreter der Europäischen Union sollen sich nach Angaben der vom Regime in Ramallah betriebenen »Nachrichtenagentur« Wafa von Äußerungen distanziert haben, mit denen der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich die Existenz eines »palästinensischen« Volkes bezweifelt hatte. Die Aussagen des israelischen Politikers seien »falsch, respektlos, gefährlich und«, was auch sonst, »kontraproduktiv«.

Nachdem bereits zuvor »Palästinenserpräsident« Abu Mazen Bezalel Smotrich und Israel »Rassismus« und »Geschichtsfälschung« hatte vorwerfen lassen, dürfte das letzte Adjektiv der von dem deutschen Diplomaten Sven Kühn von Burgsdorff geführten Brüsseler Repräsentanz nicht völlig falsch sein. Daran jedoch, daß der als »rechtsextrem« geltende Politiker Gründe für seine Bemerkungen hat, ändert das nichts.

In Geschichtsfälschung üben sich tatsächlich die »Palästinenserführung« in Ramallah und die Europäische Union. Das, was heute als »palästinensisch« gelten soll, wird in der »Palästinensischen Nationalcharta« definiert, die die PLO, die für sich auch beansprucht, einen »Staat Palästina« zu repräsentieren, formuliert hat. Das Dokument aus den 1960ern behauptet zwar durchaus eine historische »palästinensische« Identität.

Gleichwohl stellt es jedoch fest, daß »das palästinensische Volk [..] an die arabische Einheit« glaube, die »palästinensische Identität« nur ein Vehikel des – im übrigen: bewaffneten – Kampfes gegen »die zionistische Okkupation« sei. Die »Befreiung Palästinas« führe schließlich »zur arabischen Einheit«; »palästinensisch« sei es, »bei der Verwirklichung dieses geheiligten nationalen Zieles eine Vorreiterrolle« zu spielen.

Die »palästinensische Identität« erschöpft sich danach also in der bewaffneten Auseinandersetzung mit Israel. Das bedeutet aber auch, daß es in diesem Narrativ ohne Israel so etwas wie eine eigenständige »palästinensische« Identität in Abgrenzung zur arabischen gar nicht gibt. Sollte dies indes »falsch« sein, »respektlos« oder »gefährlich«, wäre Brüssel glaubwürdiger, kritisierte es vor Bezalel Smotrich die PLO.

Begriffsbestimmung

Israels Finanzminister Bezalel Smotrich hat bei einem Aufenthalt in Paris bestritten, daß die »Palästinenser« ein Volk im klassischen Sinn bilden. Was heute als »palästinensisch« gelte, erklärte der von seinen politischen Gegnern regelmäßig als »rechtsextrem« bezeichnete Minister, sei eine »Erfindung« im antisemitischen Kampf gegen den Zionismus und das zionistische Projekt, das wiedergegründete Israel.

In der Tat hat der Begriff »palästinensisch« heute eine wesentlich andere Bedeutung als vor noch etwa hundert Jahren. Und ähnlich wie der Begriff, der die »Palästinenser« heute bezeichnet, etwas darstellt wie eine »kulturelle Aneignung«, ist vieles, was heute als »palästinensisch« gilt, von anderen übernommen: Das vom Terroristen Yassir Arafat popularisierte »Palästinensertuch« etwa ist irakischer Herkunft.

Auf der internationalen Bühne werden die heutigen »Palästinenser« als solche erst seit den 1960ern wahrgenommen, wie sich leicht mit einem Blick in die Archive internationaler Zeitungen überprüfen läßt. Noch zwei Jahrzehnte zuvor, als die Vereinten Nationen einen Teilungsplan für das Mandatsgebiet Palästina verhandelten, ging es ausdrücklich um die Gründung eines arabischen sowie eines jüdischen Staates.

Die Ablehnung dieser Zwei-Staaten-Lösung durch viele arabische Staaten galt im übrigen nicht allein einem jüdischen Staat, sondern auch dem Gedanken an etwas wie eine »palästinensische Identität« in dem heutiigen Sinn. Insofern sind Bezalel Smotrichs Bemerkungen jedenfalls nicht falsch. Ob es freilich sinnvoll ist, die Existenz einer »palästinensischen Identität« zu bestreiten, ist dagegen eine andere Frage.

Denn selbstverständlich gibt es heute einige Millionen Menschen, die sich ausdrücklich als »Palästinenser« verstehen, selbst wenn eine »palästinensische Nation« keine historisch gewachsene wäre. Das wird nicht zuletzt beim Blick in die »Palästinensische Nationalcharta« der PLO deutlich, die ja selbst die Vernichtung des jüdischen Staats als den identitätsstiftenden Daseinszweck der »Palästinenser« benennt.

Dennoch werden die »palästinensische« Propaganda und mit ihr sympathisierende »Israelkritik« versuchen, Bezalel Smotrichs Worte als »rassistisch« zu diskreditieren. Da allerdings sollten sie vorsichtig sein. Die PLO-Charta gibt das Diskursniveau vor: »Das Judentum ist eine Religion und nicht eine unabhängige Nationalität; ebenso wenig stellen die Juden ein einzelnes Volk mit eigener Identität dar [..].«