Mit Abitur gegen Israel?
Gastbeitrag von Clemens Heni
Wer in Jerusalem Taxi fährt wird von arabischen Fahrern fast immer auf Hitler, Mercedes, BMW oder Siemens angesprochen, mit Stolz und Anerkennung. Deutschland genießt einen hervorragenden Ruf im Nahen Osten. Im Libanon schmückten einige während der WM ihre Straßen mit schwarzrotgoldenen Fahnen, verziert mit Hakenkreuzfahnen etc. Das zum einen.
Zum anderen: Wie ‚gebildet‘ ist dieses Deutschland bzw. seine Bevölkerung?
Nehmen wir einmal Kerstin Müller von der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Sie wurde 1963 geboren, Köln ist ihre „Heimatstadt“, sie ist von „ganzem Herzen Kölnerin“, vor „allem wegen des Karnevals!“ Den antisemitischen, den Holocaust einfach derealisierenden, hemdsärmeligen Foxtrott „Trizonesien“ der Kölner Ikone Karl Berbuer aus dem Jahr 1949 kennt sie vielleicht nicht, aber auch dieses Lied ist Deutschland. Eine Art Gründungsmythos der Bundesrepublik ist dieses Lied.
Kerstin Müller ist nicht ‚bildungsfern‘, sie hat laut Wikipedia Abitur und auch ein Studium der Rechtswissenschaften mit beiden Staatsexamen abgeschlossen.
Nach einem kurzen Gastspiel bei den Trotzkisten kam sie Mitte der 1980er Jahre zu den Grünen (ein Zeichen von Bildung?), seit 1994 sitzt sie im Bundestag.
Als am 31. Mai 2010 frühmorgens, nachdem die IDF mehrfach gewarnt und zur Umkehr aufgefordert hatte, schließlich aber die Schiffe der Gaza-Flotille enterte, Jihadisten, Terroristen, deutsche Linke, rechtsextremistische Türken im Umfeld der Grauen Wölfe sowie weitere Antisemiten/Antizionisten und Israelhasser jüdische Soldaten der IDF mit Messern bedrohten, sie verletzten, demütigten und in Todesgefahr brachten, war die Reaktion der Deutschen fast einhellig: böse Juden, braves Schifflein Mavi Marmara, arme „Friedensaktivisten“.
In Deutschland schrieben umgehend zumeist Deutsch-Türken die wohl zahlreichsten und brutalsten antisemitischen Statements und Hetzeinträge, die es in dieser Form zumindest in den letzten Jahren in der Bundesrepublik gab, online in Facebook. Vermutlich waren es sogar die offensivsten antisemitischen, den Holocaust lobenden Hetzereien, welche dieses Land je erleben musste seit 1945. Die Autoren auf Facebook agierten oft mit echtem Bild, richtigem Namen, ganz selbstverständlich posteten sie unter ihrem Namen Judenhass, wie er unfassbarer nicht sein kann. Nicht-muslimische Nazis, die sich so etwas kaum trauen, waren neidisch.
Kein Aufschrei in Deutschland. „Hitler mach dir kein Kopf, wir übernehmen den Rest der Juden“ stand da von Deutsch-Türken geschrieben, und vieles weitere Ekelerregende mehr.
Sodann bereitete Kerstin Müller mit ihrem Kollegen und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Dr. Frithjof Schmidt die Gaza-Resolution des Deutschen Bundestages vor. Diese Resolution vom 1. Juli 2010 stellt sich gegen Israel und wurde einstimmig angenommen. Sie fordert die Aufhebung der Blockade des Gaza-Streifens, der von der islamistischen Hamas besetzt gehalten wird. Die Hamas möchte Israel zerstören, wie es der Gründer der Muslimbrüder, Hassan al-Banna Ende der 1940er Jahre forderte – seine Aufforderung ist der Charta der Hamas vorangestellt.
Die gebildeten deutschen Politiker haben also eine Resolution verabschiedet, die eine antifaschistische Militäraktion von Juden angreift und verurteilt.
Ist es das was Sarrazin an Deutschland mag? Wird klar worum es eigentlich gehen sollte? Wer Antisemitismus, Israelhass und auch Antiamerikanismus sowie eine Philosophie des Kulturrelativismus, die sich vom Subjekt so lachend-selbstmörderisch verabschiedet, nicht analysiert und als derzeitigen dernier cri der ‚gebildeten‘ Welt begreift, kapiert gar nicht, in welcher Welt wir leben, gerade seit dem 11. September.
Um nicht mißverstanden zu werden: ich möchte auch niemals aufgrund des Gebrülle eines Muezzin in Europa aufwachen. Schlimm genug, dass es das in islamischen Ländern gibt. Religion ist ein Grundübel weltweit und für Erwachsene eigentlich zu lächerlich um wahr zu sein. Auch Kirchenglocken sind schrecklich, das Verbindende von Islam und Christentum ist dieses nach-außen-dringen-und-imperialistisch-missionarisch-tätig-sein. Das Proselytentum ist eine Gefahr für die politische Kultur allerorten, in Nigeria wie in Köln-Mühlheim, wenngleich mit ganz anderen alltäglichen Auswirkungen.
Doch philosophisch ist das lärmende Werben um Schäflein von diesen beiden größten monotheistischen Religionen gleichermaßen Nerv tötend, frech und hoffentlich bald Geschichte.
Sicher gibt es riesige Unterschiede von Christentum und Islam heute. Letzterer stellt die derzeit größte Gefahr für den Weltfrieden dar, wie sich spätestens am 11. September und seither gezeigt hat. Das Ende der Sowjetunion war weltpolitisch und sicherheitspolitisch betrachtet eine Katastrophe. Die binäre Weltordnung von zwei großen Blöcken war harmlos verglichen mit den asymmetrischen Kriegen seither. Die Sowjetunion und ihre Satelliten handelten primär machtpolitisch und rational. Al Qaida, die Taliban, der Iran, der politische Islam und vor allem die Jihadisten handeln irrational. Sie lieben den Tod und schauen verächtlich auf den Westen, der das Leben liebt.
Wenn Sarrazin davor warnen möchte, ist das wichtig und richtig. Doch es geht ihm um mehr oder was anderes, primär, wie es scheint. Wenn er wehleidig und populistisch die ‚Abschaffung Deutschlands‘ am Horizont sieht – WAS ist am heutigen Deutschland so prickelnd?
Was bringen Bildung, Abitur und Studium, Kolloquien, Pünktlichkeit, Strebsamkeit, Eloquenz und Schlagfertigkeit, FraktionsArbeit und Diskussion im heutigen Deutschland?
Der anti-israelische, einstimmig verabschiedete Bundestagsbeschluss vom 1. Juli 2010 unter Federführung von Kerstin Müller, die „Volksgemeinschaft gegen Israel“, wie es LizasWelt nennt, sollte nachdenklich stimmen.
„Das Ende der Sowjetunion war weltpolitisch und sicherheitspolitisch betrachtet eine Katastrophe“
Endlich sagt das mal jemand!
Das Ende der Sowjetunion war weltpolitisch und sicherheitspolitisch betrachtet eine Katastrophe? Das Ende der Sowjetunion war eine Befreiung! Trotz allem, bis heute. Nicht vergessen:
– Stalin war der erste Holocaust-Leugner und ließ das entsprechende „Schwarzbuch“ von Ehrenburg/Grossman begraben
– Gerade der Kommunismus transportierte den Antisemitismus des 19. Jahrhundert unter der Maske von Aufklärungsdiskursen weiter ins 21. Jahrhundert
– Marx war selber Antisemit. Und auch der Antisemitismus des späteren Faschismus/Nationalsozialismus hat Wurzeln in linken Diskursen des 19. Jahrhunderts
– Unter der dem Zwang des Kommunismus blieben nationalistische und antisemitische Diskurse des 19. Jahrhunderts in Osteuropa und Russland erhalten wie unter einer Käseglocke.
– Durch den Kommunismus wurde der Antizionismus als moderne Spielart überhaupt entwickelt.
Hi Thierry,
da sind eine ganze Reihe von Fehlern und Ressentiments in deinem Kommentar.
Zuerst zitiere ich mal einen Politologen, Dr. Kai Hirschmann, ein Terrorismusforscher:
„Am 11.09.2001 realisierten die Menschen schlagartig und endgültig, dass die übersichtliche Welt des ‚Kalten Krieges‘ mit exakt zu benennenden und zu lokalisierenden Gegnern nicht mehr existierte. Das Prinzip gegenseitiger Abschreckung funktionierte nicht mehr. An diesem Tag sicherte sich eine religiös motivierte Ideologie des Massenmords, vertreten durch Zehntausende Kämpfer weltweit und 19 Attentäter ‚vor Ort‘, mit Terroranschlägen in New York und Washington ihren unrühmlichen Platz in den Geschichtsbüchern. (…)
Das Weltbild während der Zeit des Kalten Krieges war dualistisch. Die beiden konkurrierenden Großmächte besaßen Ordnungsmacht und Interessen, die weit über ihre eigenen Territorien hinausreichten. Diese Bipolarität auf der Ebene von Nationalstaaten führte auch zu einer Disziplinierung regionaler Konfliktparteien sowie einer stabilisierenden ‚Lokal-Anästhesie‘ innerstaatlicher Differenzen. Durch die anschließende substitutive Multipolarität ist diese Disziplinierungsmacht verloren gegangen, was zu einer Verfielfachung der relevanten Akteure führte, die nunmehr nicht nur Staaten, sondern auch gesellschaftliche und ethnische Gruppen umfasste. (…) Die gesellschaftliche Internationalisierung in Form der überregionalen und globalen Organisationen privater, substaatlicher Akteure, darunter auch politische Gewaltgruppen und Terroristen. Hierfür haben sich in der Wissenschaft Begriffe wie ‚Low Intensity Wars‘, ‚kleine Kriege‘, ‚Privatized/Informal Conflicts‘ oder ‚neue Kriege‘ etabliert.“ (1)
Wichtig zu wissen ist auch, dass die erste Generation von Jihadisten, die „Veteranen (Mujahidin)“, sich im afghanischen Kampf gegen die Sowjetunion (1979-1989) gebildet hat. (2)
Der Abzug der Sowjets auf Afghanistan 1989 wurde von den Islamisten, Jihadisten als Sieg gefeiert, Hirschmann sieht vier wesentliche Punkte hierbei: 1) eine ‚Jihadistische Internationale‘ lohnt sich, sie haben Erfolg wenn sie „gut ausgerüstet und hoch motiviert“ sind; 2) Der Gegner muss sehr viel Geld und Material aufwenden, was zermürbt und am Ende zum Rückzug zwingt; 3) Es wird auch die Zivilbevölkerung Opfer bei Einsätzen gegen den Jihad, was von den Jihadisten gezielt einkalkuliert wird; 4) Der Gegner kann nicht gewinnen, man muss nur selbst als Jihadist „hinreichend brutal und blutig“ vorgehen. (3)
Zu Stalin habe ich Folgendes publiziert:
„Yitzhak Arad wrote some years ago about Stalin and the Soviet perception of Jews, and the Soviet responses to the Holocaust. Stalin had no interest in supporting Jews (as Jews) in fighting Nazi Germany. Stalin, Molotov and others almost always rejected the mention of Jews as specific groups of victims when talking about crimes of the Wehrmacht or the Germans in general. Stalin just mentioned Jews once, in a speech on 6 November 1941, not when dealing with the ongoing Holocaust, but rather with former Tsarist pogroms. In all other public speeches Stalin never came back to the Holocaust and the destruction of European Jews. Later in the 1940s and until his death, Stalin became a “paranoid anti-Semite.” Taking this accurate and important criticism into account, Arad ends his article with the following lines:
“However, this should not diminish the role played by Stalin and the Soviet Union as the major force that brought about the defeat and surrender of Nazi Germany, a state which had set itself the goal of annihilating the Jewish people. Germany’s defeat saved the lives of some millions of Jews.” (4)
Marx hat einen antisemitischen Artikel geschrieben, 1844, das jedoch analytisch mit der Kritik des Warenfetischismus im Kapital zurück genommen, u.a.
Die Völkischen und Nationalisten, Richard Wagner, Wilhelm II., das Waidhofner-Prinzip der national-deutschen Studentenverbindungen in Österreich, die Judenzählung im Ersten Weltkrieg, die Antibolschewisten und Antikommunisten in der Weimarer Republik etc. etc. etc. waren wegweisend für die Machtübergabe an Hitler 1933. Ohne das Geld des deutschen Kapitals wäre Hitler auch nicht so einfach an die Macht gekommen und dort geblieben. Der ‚deutsche Sozialismus‘ war ja privatkapitalistisch, antisemitisch grundiert. Viele ‚Liberale‘, Konservative, Bürgerliche verstehen bis heute nicht, dass ‚Sozialismus‘ gerade in Deutschland ein ‚deutscher‘ war und sehr kapitalistisch, arbeitsfetischistisch, gegen Handel, Börse und Juden.
Linke haben auch Antisemitismus produziert und toleriert, sicher. Doch bis 1933 waren in Germany die Nationalen, Völkischen, Reaktionären, Stolzdeutschen die größte Gefahr, no doubt about this.Der Kaiser kannte 1914 gleichwohl keine Parteien mehr und auch die SPD war natürlich stolzdeutsch dabei.
Antisemitismus war elementarere Bestandteil deutscher Kultur seit langem, Gustav Freytag, Werner Sombart, Stoecker, Treitschke oder Langbehn waren gleichwohl keine Kommunisten, sondern nationale, deutsche, völkische Antisemiten.
Siehe schließlich meine Kritik an Gauck etc.:
„Wer ein Interesse an Gesellschaftskritik hat, kann nicht nur die evangelikale Ideologie eines Christian Wulff analysieren, sollte vielmehr genauso sehr den Antisemitismus und Antikommunismus des Holocaustverharmlosers Joachim Gauck decodieren und kritisieren. Doch Chervel hat das Gauck’sche Schwarzbuch des Kommunismus ja positiv rezensiert, seinerzeit, und sich dem Wort von Stephane Courtois, „daß hier der ‚Klassengenozid‘ dem ‚Rassengenozid‘ gleichkommt“ angeschlossen. Chervel hat folgerichtig seine 1997 in der Süddeutschen Zeitung erschienene Rezension des „Schwarzbuches des Kommunismus“ auch in dem skandalösen Band „roter Holocaust“, ediert von Horst Möller, wieder abdrucken lassen.[i] Der Begriff „roter Holocaust“ ist eine geschichtsrevisionistische Aggression, ein sekundärer Antisemitismus, der längst Mainstream ist in Deutschland.“ (5)
Auch nachzulesen in der Vierteljahreszeitschrift Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums (6) :
„DANK AN DIE ROTE ARMEE DER UDSSR
Ohne den heroischen Kampf der Roten Armee der Sowjetunion wäre ganz Osteuropa heute inexistent. Diesen Aspekt betont der Historiker Yehuda Bauer in einem scharfen Text gegen Geschichtsrevisionismus und für eine angemessene Erinnerung an die Shoah. Ohne den Kampf der Sowjetunion wäre der Holocaust nicht beendet worden. Das soll alles weggewischt
und vernebelt werden, indem eine große europäische Bewegung versucht, den 23. August 1939 zu einem einheitlichen europäischen Gedenktag zu machen, wie die quasi deutsche Variante der Prager Deklaration sich nennt: 23august1939.de.)“ (6)
Kurz und knapp, wie der Holocaustüberlebende Yithak Arad, erster Leiter von Yad Vashem, sagt, Stalin war ein “kranker Antisemit”, ABER:
„However, this should not diminish the role played by Stalin and the Soviet Union as the major force that brought about the defeat and surrender of Nazi Germany, a state which had set itself the goal of annihilating the Jewish people. Germany’s defeat saved the lives of some millions of Jews.”
Wer das nicht sehen möchte vor überschäumendem Antikommunismus und purem Ressentiment verharmlost den Holocaust und schreibt die Geschichte um. Wer in letzter Zeit jemals in Lettland, Litauen oder der Ukraine war (wie ich) weiß was Antisemitismus, Neonazismus und staatlicher Antisemitismus im 21. Jahrhundert bedeuten, mitten in Europa.
Das nur in aller gebotenen Kürze,
viele Grüße,
Clemens Heni
Fußnoten:
(1) Kai Hirschmann (2007): Der Jihadismus: Ideologie, Organisation und Bekämpfungsmöglichkeiten, in: Kur Graulich/Dieter Simon (Hg.), Terrorismus und Rechtsstaatlichkeit. Analysen, Handlungsoptionen, Perspektiven, Berlin: Akademie Verlag, 99-121, 99f.
(2) Hirschmann 2007, 113.
(3) Hirschmann 2007, 110.
(4) http://clemensheni.files.wordpress.com/2009/10/clemens-heni-prague-declaration-antisemitism-online1.pdf (28.08.2010).
(5) http://clemensheni.wordpress.com/2010/06/17/%E2%80%9Egeistige-gesundung%E2%80%9C-%E2%80%93-joachim-gauck-und-die-neueste-deutsche-ideologie/ (28.08.2010).
(6) http://www.tribuene-verlag.de/T194_Die_Prager.pdf (28.08.2010).
Lieber Clemens,
es gibt zum sowjetischen Antisemitismus eine ganz direkte Ableitung aus der marxistischen Ideologie, nämlich aus der verkürzten Kapitalismuskritik des „orthodoxen“ Vulgär- bzw Traditionsmarxismus; da braucht man nicht auf Kulturalismen und Ontoligisierungsversuche ausweichen.
Diese schlecht-theoretische Lesart verortet alle Grundübel des Kapitalismus auf der Zirkulations-Sphäre, also beim Geld und seiner Bewirtschaftung.
Von dieser symptomatischen Verkürzung des Kapitalismus auf ein herbeihallizuniertes „Grundübel“ ist es dann nur ein ganz kurzer Schritt zur antisemtischen Projektion — und entsprechenden sozialen Praktiken gegen Juden, z.B. Pogrome.
Vor diesem Hintergrund hat es bereits 1947 wieder ein Pogrom in Warschau gegeben, und auch ein bekanntes anti-semitisches Machwerk des „deutschen Nachrichtenmagazins“ („Am Caféhandel beteiligt“, ca. 1950) sorgt sich vorgeblich einzig und allein um die Zirkulationssphäre – um unter diesem Vorwand seinem Hass auf die Juden um so hemmungsloser zu fröhnen.
Du kannst Dir den Zusammenhang von schlecht-theoretischer Ableitung und sozialer Praxis vielleicht auch noch mal bei Joachim Bruhn angucken, von der Initiative Sozialistisches Forum in Freiburg. Der steht bestimmt nicht im Verdacht, ein Antikommunist zu sein.
Bruhn sagt, in nuce: Man kann nicht für Kommunismus sein und über jene symptomatisch verkürzte Marx-Exegese, die zur „Deutschen Arbeitsfront“ und dem „Hitler-Stalin-Pakt“ geführt hat, hinwegsehen.
Was den späteren Einsatz der Sowjetunion und der Roten Armee zur Befreiung Europas vom deutschen Faschismus in keinster Weise schmälert.
Aber: Erfolgte der Einsatz eventuell erst nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, weil er vorher aus womöglich ideologischen Gründen – s.u. – nicht erfolgen konnte? Zu einer Zeit, als das nationalsozialistische Vernichtungsprogramm in Polen, Holland, Belgien und Frankreich bereits anlief? Das wüsste ich gerne.
Die schlecht-theoretische Beschränkung auf den falsch verstandenen „Geld“-Begriff jedenfalls gibt es in beiden Antikapitalismen – im deutschen und im sowjetischen; im deutschen Antikapitalismus war sie gesellschaftlich prävalent und wurde genozidal, im sowjetischen blieb sie latent, brach aber chronisch aus.
Dem Anspruch einer Kritik, die es ernst mit sich und dem Menschen meint, wird selbstverständlich keine von beiden Marx-Exegesen gerecht.
Vor diesemHintergrund war der Holocaust, die Shoah – abgesehen von vielen anderen historisch-politischen Bedingungen, die sie ermöglicht haben – eben auch die Konsequenz daraus, das „schaffende“ gegen das „raffende“ Kapital in antisemtischer Projektion in Stellung zu bringen.
So dachte sich der deutsche Faschismus sein Vernichtungsprogramm eben – neben vielen anderen Dingen – auch ganz ernsthaft als einen Beitrag zur Verbesserung der Welt; und in ähnlicher theoretischer Form taucht symptomatisch verkürzter Antikapitalismus heute allenthalben wieder auf, nicht nur beim Gerede von den sogenannten Heuschrecken, sondern auch bei der Marvi Marmara.
Eigentlich ging es mir aber um etwas ganz Anderes, nämlich um die trotskistische Episode einer Grünen MdB aus Köln, die als Symptom natürlich völlig inzidentiell für gesellschaftliche Zustände ist.
Bekanntlich ist es so, dass Trotski den deutschen Faschismus aus taktischen Erwägungen zumindest im Mai/Juni 1940 sehr goutierte, weil er (der deutsche Faschismus) den Untergang der bürgerlichen Gesellschaft forcieren und so die bolschewistische Revolution voranbringen würde.
Im O-Ton des Zeitgeists:
„But when the whole train is plunging into an abyss, the distinction between decaying democracy and murderous fascism disappears in the face of the collapse of the entire capitalist system… The victory of the imperialists of Great Britain and France would be not less frightful for the ultimate fate of mankind than that of Hitler and Mussolini. Bourgeois democracy cannot be saved.“
Im Klartext: Bürgerliche Demokratie wäre letztlich dasselbe wie Faschismus und wenn der deutsche Faschismus den englischen und französischen Imperialismus besiegte, hätte er – vor dem Sieg durch die Rote Armee – zumindest aus Sicht der Trotskisten zu etwas getaugt.
Nachzulesen ist das hier http://hurryupharry.org/2010/08/29/history-lessons-from-the-swp/
Nun kann man natürlich sagen, der sogenannte lange Arm Stalins habe nicht ohne Grund bis nach Mexico gereicht; das Motiv für Trotskis vorzeitigen Tod mag allerdings auch gewesen sein, dass er Stalin einfach zu ähnlich wurde.
Das einleitend zum Trotskismus.
Wer durch diese „geistige“ Schule gegangen ist, ohne es in späteren Jahren zu bereuen, muss sich deshalb nicht wundern, wenn er — oder vielmehr: wenn sie — auch Jahre später deutschen Identitätszwang in der „Juden-“ oder vielmehr „Israelfrage“ mit den Mitteln des Parlamentarismus exerziert.
Es fügt sich die trotskistische Episode dieser völlig typischen deutschen Grünen- oder auch „Linke“-MdB ins Gesamtbild ihres Charakters und das ist eben nichts, was in der Fußnote verhandelt werden müsste, denn es ist Inbegriff deutscher Ideologie, wie sie auf der Höhe des Zeitgeists von den Grünen und der „Links“-Partei interpretiert wird.