Intellektuelles Armutszeugnis

Schon ein paar Tage ist es her, daß Der SPIEGEL auf seiner Website einen Kommentar von Tobias Rapp veröffentlichte, der ob antisemitischer »Kunst« auf der documenta fifteen in Kassel empfahl, es nicht zu übertreiben: »Abhängen? Nein, aushalten. Israel wird nicht durch ein paar miserable Kunstwerke bedroht.« Zwei Wochen später sekundiert ihm Eva Menasse im gedruckten »deutschen Nachrichtenmagazin«.

Nach der Frage, ob der BND an der Entfernung eines Wandbilds beteiligt gewesen sei, kommt sie zur Sache: »Ich habe [..] keine Angst vor 20 Jahre alten antisemitischen Karikaturen aus Indonesien, auch nicht vor denen, die sie gewebt oder gemalt haben. Angst habe ich vor denen, die Walter Lübcke auf seiner Veranda erschießen oder versuchen, mit einer Maschinenpistole in eine voll besetzte Synagoge einzudringen.«

Versuchten schon vor dem auch deshalb absehbaren »Antisemitismusskandal auf der Documenta« allerlei deutschsprachigen Intellektuellen und ihre publizistischen Komplizen zu leugnen, was freilich nicht zu leugnen war, ist jetzt Verharmlosung angesagt. Da wird der erst verhüllte, dann abgehängte Antisemitismus zur »miserablen«, aber immerhin »Kunst« verklärt, dort gibt es eine schlimmere Bedrohung.

Die dürfte es allerdings immer geben. Der »linke« Politiker Diether Dehm sprach – in Kassel – einmal aus, wohin dieses Denken führt: »Antisemitismus ist Massenmord und muß dem Massenmord vorbehalten bleiben.« Beim Antisemitismus scheint nämlich nicht zu gelten, was bei »Hassrede« als Allgemeinwissen gilt: »Wer zu Hass ermuntert, ihn verbreitet, ihn anstachelt, ebnet den Weg zu Gewalt und Vernichtung«.