Antisemitischer Alltag

Es ist erst zwei Wochen her, da betete die deutsche Politik nach antisemitischen Ausschreitungen in Berlin wieder einmal routiniert alle möglichen Worthülsen herunter, die man sich in den vergangenen Jahrzehnten für solche Anlässe ausgedacht hat. Trotz all dieser Bekenntnisse, die so inflationär vorgetragen wie schnell wieder vergessen sind, ist Antisemitismus auch 2022 alltäglich in Deutschland.

Das erlebten jüdische Flugreisende erst in der letzten Woche während ihres Flugs, der sie von New York nach Budapest bringen sollte, bei einem Zwischenhalt in der hessischen Metropole Frankfurt. Nachdem sich einige als orthodoxe Juden erkennbare Passagiere weigerten, Aufforderungen zum Tragen von Masken zu folgen, verweigerte Lufthansa-Personal allen Juden die weitere Beförderung.

Danach befragt, weshalb nicht nur jene Reisenden aufgehalten wurden, die sich der Aufforderung widersetzten, erklärte eine Mitarbeiterin der deutschen Fluggesellschaft die Maßnahme in entlarvender Offenheit damit, daß die »Störenfriede« als Juden identifizierbar gewesen seien. Es seien Juden gewesen, die Probleme bereitet hätten, also sei davon auszugehen, daß Juden weiteren Ärger machen würden.

Statt die drei, vier, fünf Passagiere, die sich womöglich nicht an Aufforderungen hatten halten wollen, von der Weiterbeförderung auszuschließen, seien alle Reisenden, »die durch Hut und Schläfenlocken als Juden zu erkennen waren«, aufgehalten worden, zitiert die Frankfurter Allgemeine einen der Betroffenen. »Die Juden an Bord seien« dabei »nicht einmal eine geschlossene Reisegruppe gewesen«.

Während die Lufthansa eine »Untersuchung« dieses »Vorfalls« angekündigt hat, von dem über 100 Menschen betroffen sind, bleiben sie und weitere Fluggesellschaften dabei, Passagieren mit israelischem Pass Transitflüge über Kuwait zu verweigern. Auch die deutsche Politik ist trotz anderslautender Ankündigungen seit über fünf Jahren bislang nicht wirksam gegen diese antisemitische Praxis vorgegangen.