Schlagwort: Sergej Lawrow

Judenkundler

Als die deutsche Führung Anfang 1942 sich am Berliner Wannsee versammelte, um über die »Endlösung der europäischen Judenfrage« zu konferieren, ging sie von über 11 Millionen »Glaubensjuden« aus, die es im Rahmen des Vorhabens »nach dem Osten« zu »evakuieren« galt. Weltweit lebten damals ca. 17 Millionen Juden. Acht Jahre später, 1950, lebten in Europa noch etwa 3,5 Millionen Juden.

Ende 2021, 76 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, den Berlin vom Zaun brach, die »Evakuierung der Juden nach dem Osten« ins Werk setzen zu können, lebten weltweit nach Angaben der Jewish Agency etwa 15,2 Millionen Juden, noch immer weniger als zu Beginn der 1940er. Der Holocaust, der industriemäßig organisierte Mord an mindesten sechs Millionen Juden, ist längst nicht »überwunden«.

Deutet der russische Außenminister Sergej Lawrow in diesen Tagen öffentlich an, dieses in der Geschichte der Menschheit präzedenzlose Verbrechen könne etwas mit dem »jüdischen Blut« zu tun gehabt haben, das seinen Angaben zufolge durch Adolf Hitlers Adern floß, ist das mehr als »nur« ein rhetorischer Ausrutscher auf Kosten all der zwischen 1933 und 1945 von Deutschen massakrierten Juden.

Die zutiefst antisemitischen Aussagen des russischen Außenministers sind ein beredtes Zeugnis der Verkommenheit der derzeitigen Führung in Moskau. Hat ihr Krieg gegen die Ukraine längst jedes Maß verloren, das Verwandeln dicht bewohnter Gegenden in dystopische Trümmerwüsten, systematische Vertreibungen, Vergewaltigungen und Mord haben mit der Nazi-Barbarei mehr gemein als mit »Entnazifizierung«.

Daß der Kreml nun mit Sergej Lawrows »Erkenntnissen« zum Einfluß »jüdischen Bluts« öffentlich vulgäre antisemitische Theorien zusammenspinnt, belegt auf erschreckende Weise den völligen Wahnsinn, der inzwischen das Denken der russischen Führung um Wladimier Putin und dessen Außenminister bestimmt. In Moskau haben Barbaren das Sagen, die sich jede Zivilisiertheit ausgetrieben haben.