Peinlicher Ausfall

In der israelischen Hauptstadt Jerusalem beginnt heute der Prozeß gegen den eben von der Knesset im Amt bestätigten Premierminister Benjamin Netanjahu. Bei Beginn seiner ersten Amtszeit als Regierungschef im Mai 1996 der jüngste Politiker auf diesem Posten, ist Benjamin Netanjahu heute der erste Premierminister Israels, der sich einem Gerichtsverfahren stellen muß, während er im Amt ist.

Demonstriert der nach langwierigen Ermittlungen am Sonntag endlich eröffnete Prozeß, in dem Benjamin Netanjahu in mehreren Fällen Korruption vorgeworfen wird, die Unabhängigkeit der israelischen Justiz, wird sie aus genau diesem Grund auch vom Angeklagten und einigen seiner Anhänger angegriffen. Was man ihm womöglich noch nachsehen kann, ist bei den anderen jedoch inakzeptabel.

So erklärte etwa Parlamentssprecher Yariv Levin, der Prozeßauftakt werde als »ein Tiefpunkt des israelischen Rechtsstaates« in die Geschichte eingehen. Spätestens wenn – oder besser: gerade wenn – Benjamin Netanjahu freigesprochen werden sollte, was ja durchaus noch möglich scheint, wird sich erweisen, wie unüberlegt, wie dumm solche Attacken auf die Legitimität der israelischen Justiz sind.

Demokratien zeichnen sich durch funktionierende Gewaltenteilung aus. Mit seinem Frotalangriff jedoch diskreditiert der Parlamentssprecher als Vertreter der Legislative die Judikative auf höchst unangemessene Weise. Er trifft und bringt mit ihm auch die dritte Staatsgewalt in Mißkredit, die durch Premier Benjamin Netanjahu repräsentierte Exekutive. Zum Prozeß freilich ist das gewiß kein Beitrag.