In den nächsten Tagen könnte Israel eine von einem neuen Ministerpräsidenten angeführte neue Regierung bekommen. Eine – gleichwohl knappe – parlamentarische Mehrheit für eine Koalitionsregierung unter Naftali Bennett scheint zu stehen. Deren politisches Programm, das vor allem in dem Anspruch besteht, Amtsinhaber Benjamin Netanjahu ablösen zu wollen, ist zwar in der Tat äußerst dünn.
Allerdings mühen sich der Likud-Politiker und zumindest lautstarke Teile seiner Partei derzeit auch redlich, den Eindruck zu erwecken, daß dieses Ziel Priorität hat. Ihre Angriffe auf die potentiellen Mitglieder des neuen Kabinetts und die Abgeordneten, die es stützen wollen, haben längst jedes akzeptable Maß verloren. Sie sind mitverantwortlich für ein Klima, vor dessen Zuspitzung Behörden waren.
Es mag bedauerlich für Benjamin Netanjahu und seine Partei sein, verlieren er und sie an Macht. Er und sie haben Israel lange und maßgeblich geprägt, sind für viele Erfolge sicherlich zu loben. Mit ihrer Hetze, ihren würdelosen Angriffen tragen sie nicht »nur« zu einer gesellschaftlichen Spaltung bei, die Politiker bereits um Gesundheit und Leben fürchten läßt, sie diskreditieren sich nicht zuletzt selbst.
Für die politische Krise, in der Israel steckt, sind Amtsinhaber Benjamin Netanjahu und der Likud nicht unwesentlich mitverantwortlich. Das hat ihren Beliebtheitswerten wenig geschadet, auch bei den jüngsten Parlamentswahlen konnten sie die meisten Stimmen erringen. Freilich ist es Benjamin Netanjahu dann nicht gelungen, eine regierungsfähige Mehrheit an Abgeordneten der Knesset zu organisieren.
Es hat nichts mit »Verrat« oder einem »Putsch« zu tun, wurde darauf der Oppositionspolitiker Yair Lapid mit der Bildung einer Regierung beauftragt. Daß er dabei erfolgreicher war als der Amtsinhaber, mag man bedauern, ein Grund, einen Bürgerkrieg anzuzetteln oder zu riskieren, ist es jedoch nicht. Ruiniert Benjamin Netanjahu sein Ansehen, ist das seine Entscheidung. Israel sollte er dabei verschonen.