Schlagwort: Knesset

Überfälliges Votum

Mit deutlicher Mehrheit haben die Abgeordneten der Knesset am Donnerstag eine Resolution angenommen, mit der sie sich das israelische Parlament gegen die Gründung eines »palästinensischen« Staates ausspricht. 68 Volksvertreter unterstützten den Resolutionsentwurf, der von Abgeordneten der oppositionellen Partei Neue Hoffnung – Vereinte Rechte vorgelegt worden war und einen »palästinensischen« Staat als Bedrohung für Israel ablehnt.

Während 9 Abgeordnete gegen die Resolution votierten, boykottierten die übrigen 43 Parlamentarier die Abstimmung, mit der das Parlament in Jerusalem auf die wachsende Unterstützung »Palästinas« insbesondere in der westlichen Welt reagiert. Zuletzt hatten mehrere europäische Staaten »Palästina« als einen »Staat« anerkannt, Norwegen und mit Irland, Slowenien sowie Spanien nach Schweden (2014) drei weitere Mitglieder der EU.

Zwar behaupteten die Regierungen dieser Staaten, sie wollten mit ihrer Entscheidung die Perspektiven auf eine »Zwei-Staaten-Lösung« erhalten und auf diese Weise Frieden und Stabilität im Nahen Osten fördern. Tatsächlich allerdings signalisierten sie mit ihr ihre Ablehnung Israels, des jüdischen Staates, während der seine bloße Existenz gegen vor allem von Gaza aus operierende islamistische Terroristen der iranischen »Achse des Widerstands« verteidigt.

Die Terroristen und Israel, das diese erklärtermaßen auslöschen wollen, sind sich in der Bewertung von Schritten zur Aufwertung und Anerkennung »Palästinas« durchaus einig: Sie legitimieren und belohnen den Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2024 mit all den dabei verübten barbarischen Verbrechen, die sich, wie inzwischen selbst eine »NGO« wie Human Rights Watch einräumt, gezielt gegen Zivilisten und die Menschheit richteten.

Galt es – nachzulesen etwa in der Roadmap – bisher tatsächlich als ausgemacht, daß ein »palästinensischer« Staat allenfalls als Folge einer friedlichen Beilegung des »palästinensisch«-israelischen Konflikts entstehen und international anerkannt werden könnte, markieren die diplomatischen Aufwertungen »Palästinas« der vergangenen Wochen eine deutliche Abkehr von dieser Idee. Frieden gilt nicht mehr als Voraussetzung für einen Staat »Palästina«.

Es ist daher nur folgerichtig, daß die Knesset-Mehrheit sich gegen ein auf solche Weise etabliertes »Palästina« ausspricht. Jene, die jetzt, ausgerechnet jetzt, da »Palästinenser« noch immer Dutzende jüdische Geiseln in ihrer Gewalt haben, einen »Palästinenserstaat« diplomatisch aufwerten oder ihn gar anerkennen, unterstützen damit keine »Zwei-Staaten-Lösung«, sie sabotieren einen Frieden. Dessen Chancen werden durch das israelische Parlament bewahrt.

Demokratische Selbstverständlichkeiten

In Israel haben sich am Sonnabend erneut zahlreiche Menschen an Demonstrationen »gegen die Rechtsregierung« unter Premierminister Benjamin Netanjahu beteiligt. In Tel Aviv sollen sich mehr als 80.000 Menschen an den Protesten beteiligt haben; deutlich überschaubarer waren die Demonstrationen in anderen Metropolen des Landes, darunter die israelische Hauptstadt Jerusalem und Haifa.

War es den Protestierenden vor Wochenfrist noch mühelos gelungen, das Niveau der Satisfaktionsfähigkeit zu verfehlen, scheinen ausgerechnet dem »faschistischen Regime« in Jerusalem nachgesagte Anweisungen an die Sicherheitskräfte, die Benutzung nationalsozialistischer Symbolik gegebenenfalls durch Verhaftungen zu unterbinden, eine gewisse Versachlichung der Proteste herbeigeführt zu haben.

Gleichwohl bleibt eine »Kritik« fragwürdig, die mit inflationierten »Faschismus«-Vorwürfen nicht »nur« Antisemiten in aller Welt, darunter Regimes wie die in Teheran, Gaza oder Ramallah, in die Hände spielt, sondern eben diesen und dessen Verbrechen schamlos verharmlost. Und müßte nicht gerade auf das Parlament statt auf Straßenkampf setzen, wer jedenfalls vorgibt, »Faschismus« verhindern zu wollen?

Die Wahl zur 25. Knesset hat am 1. November 2022 stattgefunden, vor nicht einmal drei Monaten, die Regierung in Jerusalem verfügt in ihr über eine demokratisch legitimierte Mehrheit. Allein Benjamin Netanjahus Likud konnte bei der Wahl trotz einiger Verluste bei größerer Wahlbeteiligung noch etwas mehr als 1.1 Millionen Stimmen erringen und war damit die stärkste aller zur Wahl stehenden Parteien.

Wären die Knesset, wäre die Regierung in Jerusalem schlecht beraten, ignorierten sie Großdemonstrationen wie die in Tel Aviv, wäre es zugleich kein Ausweis funktionierender demokratischer Zustände, würde die politische Entscheidungsfindung auf die Straßen Tel Avivs verlegt. Wer die Institutionen der Demokratie erhalten will und sie stärken, muß sich ihrer auch bedienen, selbst wenn das mühsam scheint.

Benjamin Netanjahu 6.0

Im Parlament in Jerusalem, der Knesset, hat der Likud-Politiker Benjamin Netanjahu eine neue Regierung vorgestellt. Die 37. Regierung des Landes ist die sechste unter Benjamin Netanjahu, der nach gut eineinhalb Jahren in der parlamentarischen Opposition wieder das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen wird. Nach eigener Auskunft geht er davon aus, die volle Legislaturperiode im Amt bleiben zu können.

Sparen Kritiker und vor allem notorische »Israelkritiker« im Ausland mit Blick auf die Zusammensetzung der neuen Regierung nicht mit wenig schmeichelhaften Charakterisierungen, die nicht eben selten freilich kaum mehr sind als ressentimentgesättigte Verleumdungen, setzte Benjamin Netanjahu in der Knesset ihnen drei »nationale Aufgaben« entgegen, deren Umsetzung sich seine jüngste Regierung widmen will.

Außenpolitisch wohl am bedeutsamsten ist es für Israel, den Aufstieg der Islamischen Republik Iran zur Atommacht zu verhindern. Das Regime in Teheran hat sich immer wieder zu seiner zum Staatsziel erklärten Absicht bekannt, den jüdischen Staat auszulöschen. Das Engagement zur Eindämmung des islamistischen Regimes soll flankiert werden von einer fortgesetzten Annäherung an weitere arabische Staaten.

In Israel hat Benjamin Netanjahu vor, mit dem Bau einer Hochgeschwindigkeitsbahn alle Landesteile miteinander zu verbinden, ein wohl recht ambitioniertes Projekt angesichts von Gedankenspielen mancher Koalitionspartner, an Shabbat die Versorgung mit elektrischem Strom drastisch zu beschränken. Kaum Chancen sieht Benjamin Netanjahu hingegen auf Fortschritte im »Friedensprozeß« mit den »Palästinensern«.

Auch mit dieser Einschätzung zeigt der neue alte Premierminister durchaus ein hohes Maß an Realismus. Die »Palästinenserführungen« in Ramallah und Gaza haben wieder und wieder deutlich gemacht, für einen Frieden mit dem jüdischen Staat nicht bereit zu sein, inzwischen unterminiert auch die EU mit ihren Plänen für die C-Gebiete offen die Abkommen von Oslo, die vertragliche Basis überhaupt für Friedensgespräche.

So staatsmännisch der Likud-Politiker sich indes gibt, ist er doch kein unbeschriebenes Blatt. Hat er sich in der Vergangenheit verdient um Israel gemacht, werden besonders seine letzten Amtszeiten überschattet von Korruptionsaffären, deren juristische Bearbeitung noch eine Weile dauern dürfte. Daß der Ministerpräsident Probleme damit zu haben scheint, private und öffentliche Interessen zu trennen, läßt an ihm zweifeln.

Demokratische Normalität

Nach eineinhalb Jahren in der Opposition und einem Erfolg des politisch rechten Lagers bei vorgezogenen Parlamentswahlen schickt sich Benjamin Netanjahu an, erneut das Amt des israelischen Ministerpräsidenten zu übernehmen. Und obschon die neue Regierung die Amtsgeschäfte noch gar nicht übernommen hat, gelten ihr umfangreiche Kritik und, vor allem aus dem Ausland, maßloses Ressentiment.

Israel ist eine Demokratie, die einzige im Nahen Osten. Das heißt leider nicht, daß alles reibungslos funktioniert: Vor allem scheint es schwierig in Israel, verläßliche Aussagen über die Dauer einer Legislatur zu machen. Theoretisch wird ein Parlament für vier Jahre gewählt, das eine Regierung bestimmt. Praktisch ist die von Premier Yair Lapid geführte Regierung seit Juni 2021 im Amt, aber längst ohne Mehrheit.

Die daher angesetzten Neuwahlen zur nunmehr 25. Knesset am 1. November brachten für die amtierende Koalition keine Mehrheit mehr, obwohl Yesh Atid, die Partei des amtierenden Premiers, deutlich zulegen konnte. Gestärkt wurde das »rechte« Lager, wobei dort Benjamin Netanjahus Likud als führende Partei trotz höherer Wahlbeteiligung ihr Ergebnis aus den vorherigen Wahlen nicht mehr erreichen konnte.

Auch wenn die neueste von Benjamin Netanjahu geschmiedete Koalition über eine deutlichere parlamentarische Mehrheit verfügt als die amtierende Regierung zu Beginn ihrer Amtszeit, ist damit schon die Grundlage gelegt für einen vorzeitigen Bruch im »rechten« Lager, zumal auch Premier Benjamin Netanjahu eher aus persönlichen Gründen ins Amt strebte denn aus authentischen politischen Überzeugungen.

Und so dürfte denn auch die 25. Knesset sich vorzeitig auflösen müssen, um vermutlich eher früher als später neue Parlamentswahlen ansetzen zu können. Spekulationen darüber, ob Benjamin Netanjahus jüngste Wiederkehr dann seine letzte gewesen sein wird, verbieten sich freilich. Das wurde mancherorts schon zu oft vorhergesagt. Hoffen indes darf man, die jüdische Demokratie, sie wird weiter funktionieren.

Strahlender Verlierer

Nach der Auszählung beinahe aller zur Knesset-Wahl am Dienstag abgegebenen Stimmen wird eine Rückkehr Benjamin Netanjahus in das Amt des Ministerpräsidenten von Israel immer wahrscheinlicher. Das konservative Lager, das den Likud-Politiker unterstützen könnte, verfügt nach den vorläufigen Auszählungsergebnissen mit prognostizierten 65 Mandaten über eine deutliche Mehrheit der 120 Parlamentssitze.

Freilich ist damit noch nicht gesagt, daß es Benjamin Netanjahu auch tatsächlich gelingt, sich diese Mehrheit zu sichern. Im Vergleich zur letzten Wahl vor eineinhalb Jahren hat sein Likud sein Wahlergebnis (gut 24 Prozent) bestenfalls halten können, während Yesh Atid, die Partei des amtierenden israelischen Premiers Yair Lapid, sich von 14 Prozent im März 2021 auf 18 Prozent aller Stimmen verbessern konnte.

Bei einer im Vergleich zum März 2021 höheren Wahlbeteiligung ist Benjamin Netanjahu damit jedenfalls nicht unbedingt ein allzu hell strahlender Sieger. Sollte er dennoch als Premier reüssieren können, verdankt er das weniger eigenen Verdiensten, sondern den Hoffnungen, die andere Politiker erfolgreich haben wecken können, und unbestreibaren Schwächen einiger Parteien im derzeitigen Regierungslager.

Für den Likud war die erneute Spitzenkandidatur Benjamin Netanjahus damit nicht wirklich ein Erfolg. Will die Partei längerfristig nicht an Bedeutung verlieren, sollte sie Nachwuchstalente fördern, statt sich weiter an ihn zu binden, sofern die nicht ohnehin schon zur Konkurrenz im eigenen politischen Lager abgewandert sind. Ob die wird halten können, was sie versprochen hat, bleibt derweil noch abzuwarten.

Stabile Demokratie

Am Dienstag sind die Bürger Israels aufgerufen, über die Zusammensetzung der 25. Knesset zu bestimmen, des Parlaments in der israelischen Hauptstadt Jerusalem. Eineinhalb Jahre nach der letzten Parlamentswahl am 23. März 2021, die dem Land im Juni 2021 einen Ministerpräsidenten bescherte, der nicht Benjamin Netanjahu hieß, dreht sich freilich auch diese Abstimmung vor allem um den Likud-Politiker.

Denn es gibt in Israel noch genügend Wähler, die die Vorstellung einer wieder von Benjamin Netanjahu geführten Regierung in Jerusalem hinreichend attraktiv finden, dem konkurrierenden politischen Lager die Unterstützung zu verweigern. Zwar hat sich Benjamin Netanjahu verdient gemacht um den jüdischen Staat, gleichwohl hat er mit seiner Selbstherrlichkeit dem demokratischen System auch massiv geschadet.

Und auch bei dieser Wahl dürfte es Benjamin Netanjahu wieder vor allem darum gehen, als Premier Einfluß nehmen zu können auf das noch immer gegen ihn laufende Verfahren, in dem ihm Korruption vorgeworfen wird, und weniger um die Interessen des Landes. Davon jedenfalls, glaubwürdig für Werte stehen zu können, sind Benjamin Netanjahu und der von ihm dominierte Likud gegenwärtig weit entfernt.

Ließ der Langzeit-Premier bereits frühere Regierungen in schwierigen Situationen allein wegen der Hoffnung platzen, gestärkt aus Neuwahlen hervorgehen zu können – was ihm allerdings nicht gelingen sollte -, versuchte er als Oppositionspolitiker, der Regierung auch – und gerade – dann zu schaden, wenn er dafür angeblich »eigene« politische Überzeugungen und damit »seine« Klientel verraten mußte.

Daß die bereit scheint, Benjamin Netanjahu und dem an ihn geketteten Likud ihre taktischen »Spielereien« zu vergeben, ist dabei nur die eine Seite der Medaille. Auch die derzeitige Regierungskoalition vermag offenbar nicht mehr ausreichend zu überzeugen. Ihre ohnehin knappe parlamentarische Mehrheit hat sie aus eigenem Unvermögen verspielt, immerhin hielt sie dabei jedoch vergleichsweise lang.

Und so dürfte es am Mittwoch erneut keinen strahlenden Gewinner geben, der den Wahlsieg aus eigener Kraft erringen konnte. Weil die Wähler ihren politischen Überzeugungen treu bleiben, egal, wer ihnen gerade als Spitzenkandidat vorgesetzt wird, wird das Wahlergebnis wieder ausfallen wie schon bei all den Wahlen der vergangenen Jahre, werden beide politischen Lager ähnlich viele Mandate erringen.

Überraschend – und beunruhigend – wäre allein ein anderer Wahlausgang. Und auch diese Vorhersehbarkeit, so wenig zufriedenstellend sie derweil sein mag, ist ein Merkmal einer dann doch recht stabilen Demokratie. Denn häufige Wahlen bedeuten eben auch, daß allzu große politische Umwälzungen ausfallen. So halten fragile Mehrheiten und funktionierende Institutionen politische Hitzköpfe in Schach.

Stillstand

Kommt einer auf sie angewiesenen Regierung die parlamentarische Unterstützung abhanden und ist es den Parlamentariern innerhalb einer angemessenen Frist unmöglich, eine Mehrheit für eine neue Regierung zu organisieren, sollten die Selbstauflösung des Parlaments und die damit verbundene Ansetzung vorgezogener Wahlen dafür niemanden schrecken, feiern muß man deshalb freilich erst recht nicht.

Wenn in Israel nun im Herbst erneut vorzeitig Knesset-Wahlen stattfinden, weil der am Ende doch nicht ausreichend großen »Koalition des Wandels« einige Mandatsträger die Unterstützung verweigerten, ist das dennoch bitter. Denn die ab Mitternacht von Yair Lapid als Premier geführte amtierende Regierung scheiterte weniger an einer inhaltlichen Frage, denn an einer Opposition, die ihre Werte verriet.

Den Ausschlag dafür jedenfalls, daß die Koalition in Jerusalem nach nur gut eineinhalb Jahren am Ende ist, gab ein Verrat »eigener« Positionen durch den Likud, dessen Abgeordnete zwar zweifellos nicht verpflichtet waren, die Regierung in Jerusalem zu retten. Eine Partei, die die Bevölkerung in den Außenposten als »ihre« Klientel ansieht, sollte diese jedoch auch nicht verraten, nur um jene vorzuführen.

War die Verlängerung eines Gesetzes, nach dem in den Außenposten israelisches Zivilrecht gilt, bisher eine Formsache, weil es zwar hier und da Widerspruch dagegen gab, aber parteiübergreifend die mehrheitliche Zustimmung als sicher galt, stolperte die noch von Premier Naftali Bennett geführte Regierung jetzt über die Verweigerung der Zustimmung der Partei seines Amtsvorgängers Benjamin Netanjahu.

Dabei hat der konservative Langzeitministerpräsident eben jenes Gesetz selbst mehrmals verlängert. Vor dem Hintergrund, daß das Ergebnis auch der jetzt bevorstehenden Wahlen sich kaum wesentlich von dem der vorhergehenden unterscheiden dürfte, war die Ablehnung der Gesetzesverlängerung durch die derzeit größte Oppositionspartei besonders schäbig. Leider wird das ihrem Ansehen aber kaum schaden.

Allerdings dürften diese »Spielchen« kaum das Ansehen des demokratischen Systems mehren. Bis zur Wahl werden in der Knesset sicher keine bedeutsamen Themen mehr verhandelt; hinterher wird die Organisation einer regierungsfähigen Mehrheit Zeit beanspruchen – und wie lange die halten wird, steht in den Sternen. So wird gesellschaftliche Entwicklung, zu der auch der öffentliche Disput gehört, ausgebremst.

Rückkehr einer Krise

Nachdem ihr eine Mehrheit in der Knesset nicht mehr sicher ist, strebt die israelische Regierung die Auflösung des Parlaments in Jerusalem und damit vorgezogene Neuwahlen noch in diesem Jahr an. Die politische Krise, von der die letzten Jahre mit von Premierminister Benjamin Netanjahu geführten Regierungen geprägt waren, ist mit einer weiteren schneller als erwartet endenden Legislaturperiode wieder da.

Werden die 120 Abgeordneten des israelischen Parlaments in der Theorie für eine Zeit von vier Jahren gewählt, müssen sich die Parteien in Israel nun wohl auf Neuwahlen im Oktober vorbereiten. Fand die letzte Parlamentswahl am 23. März 2021 statt, dürfte die 24. Knesset in der nächsten Woche nach nichtmal eineinhalb Jahren ihre Auflösung beschließen. Immerhin dafür scheint eine Mehrheit sicher.

Nachdem vor wenigen Tagen die weitere Verlängerung der Geltungsdauer eines Gesetzes, nach dem das israelische Zivilrecht auch für »Siedler« in den Außenposten Anwendung findet, gescheitert war und seither weitere Abgeordnete ankündigten, nicht mehr im Sinne der gegenwärtig von Ministerpräsident Naftali Bennett geführten Regierung votieren zu wollen, ist der Wunsch nach Neuwahlen nachvollziehbar.

Dem Regierungsbündnis in Jerusalem gehören (noch) acht Parteien an, die mit 61 Sitzen im Parlament von Anfang an über eine denkbar knappe Mehrheit verfügten. Jeder Abgeordnete, der – aus welchen Gründen auch immer – »seiner« Regierung die Stimme verweigert, konnte damit eine Koalitions- und Regierungskrise auslösen. Vielleicht ist es daher bemerkenswert, daß das Bündnis immerhin über ein Jahr hielt.

Letztlich scheiterte die amtierende Regierung freilich nicht wirklich an der Uneinigkeit in den »eigenen« Reihen, sondern an einer Opposition, die in einer wichtigen Abstimmung ausdrücklich gegen die eigenen politischen Überzeugungen stimmte. Das Gesetz, das nun Ende Juni ausläuft, wurde zuvor alle fünf Jahre von einer Mehrheit der Abgeordneten der Knesset als eine Selbstverständlichkeit verlängert.

Zuletzt entschied sich die von Benjamin Netanjahu geführte konservative Opposition aber dagegen, um Premier Naftali Bennet vorzuführen. Daß sie damit riskierte, ausgerechnet die »Siedler«, als deren Vertretung sie sich fühlt, in weitreichende rechtliche Unsicherheiten zu stürzen, sollten die nicht vergessen – falls sie im Oktober überhaupt noch als Wähler an dem bevorstehenden Urnengang teilnehmen dürfen.

Sabotage

Der Oberste Gerichtshof in Jerusalem hat das israelische Innenministerium angewiesen, das Staatsbürgerschaftsgesetz nicht länger umzusetzen, da es ausgelaufen sei. Das erstmals 2003 aus Sicherheitsgründen beschlossene Gesetz soll ein »automatisches« Aufenthaltsrecht für Ehepartner israelischer Bürger aus feindlichen Gebieten verhindern. Es war seither jährlich in der Knesset verlängert worden.

Das Gesetz ist innerhalb der großkoalitionären israelischen Regierung umstritten, so daß ihr im Parlament die nötige Mehrheit dafür fehlt. Und auf die Opposition, insbesondere die Abgeordneten der Partei des ehemaligen Premiers Benjamin Netanjahu kann Amtsnachfolger Naftali Bennett nicht zählen: Inhaltlich teilt der Likud die Ziele des Gesetzes, stimmt ihm jedoch aus »politischen« Gründen nicht zu.

Bereits im vergangenen Juli, als die Verlängerung des Gesetzes erstmals nach der Bildung einer der neuen israelischen Regierung in der Knesset anstand, zogen die Abgeordneten der einstigen Regierungspartei es vor, Naftali Bennett eine Abstimmungsniederlage zu bereiten, statt für die Verlängerung der Geltungsdauer des zuvor von ihnen regelmäßig im Parlament unterstützten Gesetzes zu stimmen.

Die an Innenministerin Ayelet Shaked gerichtete Mahnung des Obersten Gerichtshofs, das von ihr unterstützte Gesetz nicht länger zu vollziehen, ist daher vor allem ein »Verdienst« der bizarren Haltung der stärksten Oppositionspartei. Statt ein von ihnen eigentlich befürwortetes Gesetz mit einigen Stimmen zu unterstützen, lassen deren Abgeordnete es scheitern – und spielen so mit der Sicherheit des Landes.

Störversuche

In wenigen Stunden könnte Israel eine neue Regierung haben – oder vor einer weiteren vorgezogenen Parlamentswahl stehen. Bis zuletzt halten die Bemühungen des amtierenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und seiner Parteifreunde um die Stimmen von Abgeordneten der »Koalition des Wechsels« an, die mit ihrem abweichenden Votum den Regierungswechsel noch abwenden könnten.

Es fällt leider durchaus schwer, in diesem Verhalten etwas anderes zu sehen als billige Sabotageversuche. Es ist nachvollziehbar, daß die neue Koalition nicht auf ungeteilten Beifall stößt, schon gar nicht von Benjamin Netanjahu mit Applaus bedacht wird. Für einen Premier, der die letzten 12 Jahre ununterbrochen im Amt und dort einigermaßen erfolgreich war, sind diese Versuche schlicht würdelos.

Während – laufen die Störversuche des Amtsinhabers ins Leere – sein Nachfolger Naftali Bennett in seiner Antrittsrede die Amtszeit Benjamin Netanjahus mit dem in der Tat ja wohlverdienten Respekt würdigen dürfte, läßt ausgerechnet der Likudpolitiker die Selbstachtung vermissen. Er scheint nicht mit seinen Verdiensten in Erinnerung bleiben zu wollen, sondern mit seinem niveaulosen Abgang.

Wie tief gesunken der amtierende Premier und seine Partei oder wenigstens Teile des Likud sind, wie sehr das politische Klima in Israel unter ihrem Handeln in den letzten Monaten gelitten hat, davon zeugte zuletzt ihre Zusage, einen gewaltlosen Machtwechsel gewährleisten zu wollen. Es ist traurig, daß man hoffen muß, sie halten sich an eigentlich selbstverständliche demokratische Spielregeln.