Mobbing

Bisher nicht eben als glühende Zionistin aufgefallen, wurde Sarah Muscroft, der Leiterin des für die umstrittenen Gebiete und Gaza zuständigen Büros des Amts der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), nun ein Tweet zum Verhängnis, in dem sie schrieb, »der wahllose Raketenbeschuß des Islamic Jihad, der israelische Vergeltungsmaßnahmen provoziert« sei verurteilenswert.

Diese wenigen Worte reichten aus: »Palästinensische Zivilgesellschaft« und ihre westlichen Cheerleader erklommen die virtuellen Barrikaden und warfen der Funktionärin vor, es in ihrer darob verleumderischen Nachricht versäumt zu haben, sich mit dem »Widerstand« des »palästinensischen Volkes« solidarisch zu zeigen und Jerusalem für die jüngsten gewaltsamen Auseinandersetzungen um Gaza verantwortlich zu machen.

Zwar zeigte sich Sarah Muscroft einsichtig, löschte ihren bösen Tweet, räumte ein, »schlecht informiert« gewesen zu sein, bat »aufrichtig« für »mein schlechtes Urteilsvermögen« um Entschuldigung. Doch auch das spätere Abschalten ihres Twitter-Kanals konnte die Proteste nicht besänftigen: Die Vereinten Nationen enthoben Sarah Muscroft ihres Postens, es sei »nicht sicher, ob sie weiter in Ost-Jerusalem bleiben« könne.

Zum Ende der vorvergangenen Woche besuchte Tor Wennesland, der den Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für den Friedensprozeß im Nahen Osten gibt, in Jenin die Familie des zuvor von israelischen Sicherheitskräften festgenommenen Chefs des Islamic Jihad in den umstrittenen Gebieten, inzwischen hat der Diplomat eine Gruppe von Beobachtern beauftragt, sich um das Wohlbefinden des Inhaftierten zu kümmern.

Die durch den Norweger auf diese Weise nahezu in Perfektion verkörperte politische Neutralität der Vereinten Nationen konnte denn auch offenbar die gestrenge – aber natürlich nur der Gerechtigkeit verpflichtete – »palästinensische Zivilgesellschaft« überzeugen. Anders als Sarah Muscroft, deren Zukunft nun ungewiß ist, hat Tor Wennesland noch allerbeste Aussichten, sich selbst in seinem wichtigen Amt zu beerben.