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Gedenkweltmeister

Als erster deutscher Außenminister seit über einem Vierteljahrhundert hat der SPD-Politiker Heiko Maas am Montag die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau besucht. Nach seiner Visite in dem ehemaligen deutschen Vernichtungslager, in dem mehr als 1,1 Millionen Menschen, die meisten von ihnen Juden, ermordet wurden, nannte der Politiker Auschwitz den »schrecklichste[n] Ort der Welt«.

Bereits vor seiner Abreise hatte der Sozialdemokrat erklärt, für ihn sei »Auschwitz die immerwährende Mahnung, für die unantastbare Würde des Menschen weltweit einzustehen – persönlich wie politisch«, eine Aussage, die wie weitere Äußerungen via Twitter vor allem dadurch auffällt, daß sie die Opfer des Holocaust – Juden – und den Antisemitismus, der ihre Mörder antrieb, nicht erwähnt.

»Leid über Polen gebracht«: Judenreines Gedenken

Daß der Minister so den Charakter des Verbrechens, an das er doch angeblich erinnern wollte, vernebelte und es damit in letzter Konsequenz vielleicht sogar leugnete, scheint ihm auch am Tag danach nicht aufzufallen. Dabei offenbaren nicht wenige Kommentare unter den Tweets des Sozialdemokraten, wie wichtig es nach wie vor ist, an die Verbrechen Deutscher an Juden zu erinnern.

Wenn da beispielsweise kommentiert wird, »und darum holen Leute wie Sie die größten Judenhasser ins Land«, oder nicht weniger exemplarisch gefordert, »denken sie mal darüber nach, was es bedeutet Millionen von Antisemiten ins Land zu holen«, zeigt sich, daß Deutschland es gar nicht nötig hat, Antisemitismus zu importieren. Er ist in Deutschland noch immer und vor allem – deutsch.

Davon wollen die Verfasser solcher Kommentare nichts wissen, wenn sie Antisemitismus allein als Folgeerscheinung von Migration sehen wollen. Wie Heiko Maas gedenken kann, ohne die Opfer des deutschen Antisemitismus auch nur zu erwähnen, geben sie vor, gegen Antisemitismus einzutreten, ohne den, dessen Produkt Auschwitz ist, anerkennen zu wollen. Erbärmlich sind sie allesamt.

Bildungsreise

Vor einer Woche besuchten 25 junge muslimische Flüchtlinge und Juden die Holocaust-Gedenkstätte Auschwitz, um dort gemeinsam an die Opfer des Vernichtungsfeldzugs der Deutschen gegen das europäische Judentum zu erinnern. Organisiert hatten die Reise die Union Progressiver Juden und der Zentralrat der Muslime in Deutschland, die auch für prominente Begleitung der Reise sorgten.

So nahmen die Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und Thüringen, der Unionspolitiker Daniel Günther und der Linken-Politiker Bodo Ramelow an der mehrtägigen Ausfahrt teil, deren »Erfolg« darob freilich schon vorher abzusehen war. »Die Trauer eint uns«, zitiert das österreichische Boulevardblatt Krone einen aus Syrien nach Deutschland geflüchteten Teilnehmer der Reise.

»Die Mühe hat sich gelohnt«, konstatierte Rabbiner Walter Homolka von der Union Progressiver Juden, als ein »Pilotprojekt, das Nachahmer finden sollte«, bezeichnete Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, die Reise, mit der die beiden Organisatoren nach eigenen Angaben gegen zunehmenden Antisemitismus in Deutschland »ankämpfen« wollten.

So lobenswert dieses Ansinnen allerdings auch ist, ob ein Besuch in einer Holocaust-Gedenkstätte zu diesem Zweck geeignet ist, scheint doch fraglich. »Antisemitismus ist Massenmord und muss dem Massenmord vorbehalten bleiben«, hat einmal ein Parteifreund Bodo Ramelows erklärt und mit dieser Behauptung auf absurde Weise das Ausmaß des Phänomens Antisemitismus geleugnet.

Soll nun jedoch Antisemitismus mit Reisen nach Auschwitz und andere Gedenkstätten bekämpft werden, wird dann nicht gerade der Eindruck erweckt, Antisemitismus sei »dem Massenmord vorbehalten«? Der Holocaust ist Bestandteil der Weltgeschichte. Zu ihrer Vermittlung können solche Besuche beitragen. Aber machen sie bewußt, daß Antisemitismus eben nicht mit Mord anfängt?