Schlagwort: Thomas Kemmerich

Überflüssiger »Protest«

Am Wochenende wurde vielerorts in Deutschland gegen staatliche Grundrechtseinschränkungen demonstriert, darunter im ostthüringischen Gera, das vor etwas mehr als einem halben Jahrzehnt bundesweit Schlagzeilen machte, als die kommunalen Stadtwerke Insolvenz anmelden mußten, und vor einem Jahr, als die AfD nur kurz davor war, dort ihren ersten Oberbürgermeister stellen zu können.

Wie anderswo in Deutschland, wo der öffentliche Protest gegen die von Landes- oder Bundespolitik verordneten Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus von Gestalten dominiert wird, denen kein vernünftiger Mensch Satisfaktionsfähigkeit bescheinigen würde, trafen sich auch in Gera »besorgte Bürger« vom AfD-Funktionär über den Reichsbürger bis bis zum Verschwörungsgläubigen.

Unter ihnen auch Thomas L. Kemmerich, Thüringer Kurzzeit-Ministerpräsident von Gnaden des inzwischen nur noch als AfD firmierenden rechtsextremistischen »Flügels« um den Faschisten Björn Höcke. Und der FDP-Politiker, der einst als »Glatze, die in Geschichte aufgepasst hat«, auftrat, spazierte in einer Reihe mit einer Frau, die sich ein Plakat mit »Judenstern« um den Hals gehängt hatte.

Es gibt durchaus gute Gründe, an der Corona-Politik deutscher Regierungen zu zweifeln. Falls ein von einem CDU-Mitglied initiierter Aufmarsch wie der von Gera mit all seinen 750 Teilnehmern freilich für eine in den vergangenen Wochen untergegangene Demokratie stehen sollte, ist es vorschnell, um sie zu weinen. Solche »Demokraten« jedenfalls möchte man nicht einmal ignorieren müssen.

Bürgerlicher Offenbarungseid

Seit Mittwoch hat das ostdeutsche Bundesland Thüringen einen neuen Ministerpräsidenten. Galt die Bestätigung Bodo Ramalows im Amt im dritten Wahlgang als nahezu sicher, konnte am Ende der von der FDP aufgestellte Thomas Kemmerich die meisten Stimmen erringen und so für eine Überraschung sorgen. Seinen Wahlsieg verdankt er den Abgeordneten der AfD, der CDU und seiner FDP.

Wiewohl der neue Ministerpräsident nicht der Partei des Faschisten Björn Höcke angehört, ist Thomas Kemmerich damit der erste AfD-Ministerpräsident, denn ohne die Unterstützung durch die Abgeordneten der Partei, die zwar einen eigenen Kandidaten aufgestellt hatten, ihm jedoch geschlossen die Stimmen verweigerten, um für den FDP-Politiker zu stimmen, wäre der jetzt nicht im Amt.

Und allen anderslautenden Versicherungen zum Trotz setzten CDU- und FDP-Fraktion im Landtag in Erfurt ihre Zusammenarbeit mit den Rechtsextremisten auch nach der Vereidigung des neuen Ministerpräsidenten fort, als sie gemeinsam eine Vertagung der Vorstellung eines neuen Kabinetts durchsetzten. CDU und FDP haben den völkischen Rechtsextremismus gesellschaftsfähiger gemacht.

Die Wahl Thomas Kemmerichs mit den Stimmen der AfD-Fraktion war dabei alles andere als ein unerwarteter »Unfall«. Die AfD hatte angekündigt, in einem dritten Wahlgang einen Kandidaten von CDU oder FDP zu unterstützen. Und so sollte es kommen. Erst im entscheidenden Wahlgang aufgestellt, wurde Thomas Kemmerich gewählt, nahm seine Wahl an und ließ sich sogleich vereidigen.

Um einen »linken« Ministerpräsidenten zu verhindern, sind sich »bürgerlich« schimpfende Parteien kurz nach dem 75. Jubiläum der Befreiung der letzten Überlebenden von Auschwitz ein Bündnis mit einer Partei eingegangen, die mit ihrer Forderung nach einem Verbot »der Verstümmelung von Neugeborenen aus religiösen Gründen« wieder ganz offen jüdisches Leben in Deutschland bedroht.