Frage des Respekts

Die Regierung in Jerusalem will den Obersten Gerichtshof Israels um eine neuerliche Fristverlängerung zur Umsetzung einer fünf Jahre alten Entscheidung zur Räumung Khan al-Amars bitten, einer illegalen Siedlung von Beduinen in den umstrittenen Gebieten. Wie israelische Medien melden, beruft sich die Regierung um Premier Benjamin Netanjahu dabei auf eine »unmittelbar bevorstehende« Einigung mit den Bewohnern des »Dorfes«.

Während seit einem halben Jahrzehnt um Khan al-Amar gestritten wird, hat sich an den unzumutbaren Lebensumständen dort wenig geändert. »Die Menschen hausen in Hütten aus Wellblech, Sperrholzplatten und Europaletten. Überall liegt Müll herum, Kinder spielen barfuß im Dreck«, schrieb die Berliner Morgenpost 2018, als Jerusalem eine Frist zur Räumung verstreichen ließ – möglicherweise, um einen Eklat mit Berlin zu vermeiden.

Seither wechselten die Regierungen in Jerusalem häufig, meist hieß ihr Chef freilich Benjamin Netanjahu. Und sie alle haben mit ihren immer wieder erneuerten Forderungen nach Fristverlängerungen nur erreicht, daß sich Khan al-Amar zu einem Wallfahrtsflecken für »israelkritische« Diplomaten vor allem aus Europa entwickeln konnte, die sich dort alle paar Monate treffen, um ihren latenten Haß auf den jüdischen Staat auszuleben.

Mit ihrer falschen »Solidarität« sind auch sie nicht unwesentlich mitverantwortlich dafür, daß die Bewohner Khan al-Amars sich »standhaft« zeigen und ein Leben im Elend einem unter wesentlich besseren Umständen in der Nähe vorziehen: Wer will schon als »Verräter« gelten, wenn etwa ein Sven Kühn von Burgsdorff als Vertreter der Europäischen Union sich bei einem Kurzbesuch von den Ausharrenden »beeindruckt« zeigt?

Steht eine einvernehmliche Einigung mit den Bewohnern Khan al-Amars über deren Umsiedlung wirklich bevor, kommt es auf ein paar weitere Tage bis zur Umsetzung der rechtsstaatlich bestätigten Räumung der illegalen Ansiedlung nicht an. Allerdings sollte schon 2018 eine solche Einigung nur noch eine Frage von Tagen sein. Es stünde Premierminister Benjamin Netanjahu gut zu Gesicht, respektierte er eine höchstrichterliche Entscheidung.