Schlagwort: Rechtsstaat

Selbstdemontage

An diesem Donnerstag wird der ehemalige amerikanische Präsident Donald J. Trump in einem weiteren gegen ihn geführten Verfahren erstmals vor einem Gericht in Washington erwartet. Die in diesem Verfahren, dem dritten, das gegen den Republikaner derzeit läuft, geäußerten Vorwürfe wiegen schwer. So wird Donald J. Trump in der Klageschrift u.a. der »Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten« beschuldigt.

Weitere Anklagepunkte werfen ihm im Zusammenhang mit den Ausschreitungen militanter Anhänger am 6. Januar 2021 in Washington die »Behinderung von Verfassungsorganen«, die »versuchte Behinderung der Arbeit des Kongresses« sowie den »versuchten Entzug verfassungsmäßig garantierter Rechte zur Wahl« vor, nicht eben schmeichelhafte Vorwürfe für jemanden, der erneut zur Präsidentschaftswahl antreten will.

Daß es Donald J. Trump an einigen dafür notwendig scheinenden Qualitäten mangelt, belegen seine erneuten wütenden Ausfälle unmittelbar vor dem anstehenden Gerichtstermin, laut denen er das Opfer einer Verfolgung wie im Nationalsozialismus sein will. Mit dieser Gleichsetzung der US-Demokratie mit der deutschen Barbarei der Jahre 1933 bis 1945 überhöht er sich und verharmlost zugleich den Nationalsozialismus.

Donald J. Trump mißachtet mit seinen Entgleisungen, die bei ihm freilich zum Geschäftsmodell gehören, das Andenken der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung, er beleidigt mit ihnen die amerikanische Justiz, eine wichtige Säule der Gewaltenteilung, eine Grundfeste der Demokratie, der er dank der auch für ihn selbstverständlich geltenden Unschuldsvermutung überhaupt verdankt, noch tun zu können, wonach ihm beliebt.

Völlig unabhängig davon, wie dieses Verfahren ausgehen wird, ein Schuldspruch ist längst nicht sicher, hat Donald J. Trump mit seinen Äußerungen eine Grenze überschritten, die ein Bewerber um das Präsidentschaftsamt der Vereinigten Staaten zu überschreiten nicht einmal erwägen sollte. Menschen mit Anstand, Menschen mit Werten sollte er unwählbar sein. Für eine weitere Amtszeit im Weißen Haus ist er nicht geeignet.

»Illegale« Lektüre: Verleumdung eines Rechtsstaats

Natürlich darf auch die Stellungnahme des deutschen Diplomaten Sven Kühn von Burgsdorff nicht fehlen, des berüchtigten Repräsentanten der EU in Ramallah: »Ich halte es für zutiefst ungerecht, daß eine Familie, die fuffzich Jahre lang dort gelebt hat, daß die vor die Tür gesetzt werden sollen«, jammert er Bettina Meier ins Mikrofon, die für den Kölner DLF auf der Suche war nach Ungerechtigkeiten in Jerusalem.

Herausgekommen ist dabei ein Stück mit dem Titel »Rausschmiss nach 70 Jahren – Paläst. Familie soll Jerusalemer Altstadt verlassen«, an dem sich anschaulich demonstrieren läßt, daß vergeblich auf Informationen hofft, wer sich von dem Sender glaubt informieren zu lassen. Denn Bettina Meiernimmt es mit der Wahrheit nicht so genau in ihrer rührseligen Geschichte, in der die Details nicht zueinander passen.

Im Mittelpunkt stehen Nora Gaith und Mostafa Sub Laban, ein betagtes arabisches Paar, das »seine« Wohnung in der israelischen Hauptstadt Jerusalem räumen soll. Jüdische »Siedler«, heißt es, hätten unter Berufung auf Klauseln im Mietvertrag der beiden deren »Rausschmiss« aus »ihrer« Wohnung vor Gericht erstritten. Und dieses Vorgehen von »Siedlerorganisationen« gegen »Palästinenser« soll Methode haben.

»Die Siedlerorganisationen«, läßt Bettina Meier einen israelischen »Aktivisten« erklären in ihrer bösartigen Verleumdung des israelischen Rechtsstaats, »finden Klauseln in Mietverträgen, gegen die die palästinensischen Mieter verstoßen [..]. Dann können sie die Mieter rausschmeißen.« Geduldet von der israelischen Regierung würden »die Siedler« auf diese Weise »nichts als Gewalt und Spannungen« schüren.

Ihren Mietvertrag freilich, das immerhin war bereits zu erfahren, haben die Sub Labans 1953 mit dem Königreich Jordanien gemacht. Geschenkt, daß Bettina Meier nicht fragt, wie denn Amman in die Position kam, Wohnungen in Jerusalem zu vermieten. Wenn sie aber Sven Kühn von Burgsdorff unwidersprochen behaupten läßt, der »Rauswurf« beruhe auf der »illegalen« Anwendung israelischen Mietrechts, wird es unseriös.

Die Berufung auf Klauseln in einem jordanischen Mietvertrag durch »Siedlerorganisationen« und anschließend ihre Anwendung durch ein israelisches Gericht ist nämlich tatsächlich nicht »illegal«, sondern entspricht dem Völkerrecht. Die Sub Labans haben – unwidersprochen – gegen ihren Vertrag verstoßen. Waren ihnen die möglichen Folgen nicht bewußt, ist das vielleicht tragisch, aber kein Grund, Israel zu verleumden.

Doch genau das ist ganz offenkundig die Absicht hinter »Rausschmiss nach 70 Jahren«. Darauf deutet bereits die Klage in der Einleitung hin, daß in der Straße, in der die umstrittene Wohnung liegt, Nationalfahnen des jüdischen Staates zu sehen seien. Dazu der einschlägig verrufene Sven Kühn von Burgsdorff und ein »Aktivist«, die sich in ihrer Kernaussage auch noch widersprechen, fertig ist, was neumodisch Fake News heißt.

Frage des Respekts

Die Regierung in Jerusalem will den Obersten Gerichtshof Israels um eine neuerliche Fristverlängerung zur Umsetzung einer fünf Jahre alten Entscheidung zur Räumung Khan al-Amars bitten, einer illegalen Siedlung von Beduinen in den umstrittenen Gebieten. Wie israelische Medien melden, beruft sich die Regierung um Premier Benjamin Netanjahu dabei auf eine »unmittelbar bevorstehende« Einigung mit den Bewohnern des »Dorfes«.

Während seit einem halben Jahrzehnt um Khan al-Amar gestritten wird, hat sich an den unzumutbaren Lebensumständen dort wenig geändert. »Die Menschen hausen in Hütten aus Wellblech, Sperrholzplatten und Europaletten. Überall liegt Müll herum, Kinder spielen barfuß im Dreck«, schrieb die Berliner Morgenpost 2018, als Jerusalem eine Frist zur Räumung verstreichen ließ – möglicherweise, um einen Eklat mit Berlin zu vermeiden.

Seither wechselten die Regierungen in Jerusalem häufig, meist hieß ihr Chef freilich Benjamin Netanjahu. Und sie alle haben mit ihren immer wieder erneuerten Forderungen nach Fristverlängerungen nur erreicht, daß sich Khan al-Amar zu einem Wallfahrtsflecken für »israelkritische« Diplomaten vor allem aus Europa entwickeln konnte, die sich dort alle paar Monate treffen, um ihren latenten Haß auf den jüdischen Staat auszuleben.

Mit ihrer falschen »Solidarität« sind auch sie nicht unwesentlich mitverantwortlich dafür, daß die Bewohner Khan al-Amars sich »standhaft« zeigen und ein Leben im Elend einem unter wesentlich besseren Umständen in der Nähe vorziehen: Wer will schon als »Verräter« gelten, wenn etwa ein Sven Kühn von Burgsdorff als Vertreter der Europäischen Union sich bei einem Kurzbesuch von den Ausharrenden »beeindruckt« zeigt?

Steht eine einvernehmliche Einigung mit den Bewohnern Khan al-Amars über deren Umsiedlung wirklich bevor, kommt es auf ein paar weitere Tage bis zur Umsetzung der rechtsstaatlich bestätigten Räumung der illegalen Ansiedlung nicht an. Allerdings sollte schon 2018 eine solche Einigung nur noch eine Frage von Tagen sein. Es stünde Premierminister Benjamin Netanjahu gut zu Gesicht, respektierte er eine höchstrichterliche Entscheidung.

Europa im »Widerstand«

Wann immer in den vergangenen Jahren der Nahost-Konflikt jedenfalls teilweise entschärft werden konnte, war der europäische Anteil an diesen Fortschritten gering. Und das ist noch eine wohlwollende Übertreibung. Die Abraham Accords vermittelte die amerikanische Regierung unter Präsident Donald J. Trump, Sein demokratischer Nachfolger Joe Biden brachte Beirut und Jerusalem zumindest etwas näher.

Im Konflikt um das iranische Kernwaffenprogramm sabotierten die Europäer amerikanische Bemühungen, den Joint Comprehensive Plan of Action zu verbessern, und sabotierten aktiv Bemühungen um eine internationale Isolation des islamistischen Regimes in Teheran. Wofür auch immer die Europäische Union vor Jahren mit einem Friedensnobelpreis bedacht wurde, im Nahen Osten stiftet sie gewiß keinen Frieden.

Und auch im zweifellos nachhaltig gestörten »palästinensisch«-israelischen Verhältnis setzen die Europäer mit ihren vielfältigen Aktivitäten konsequent auf Konflikterhaltung oder gar -zuspitzung. Das demonstrierten erst vor wenigen Tagen erneut mehrere ihrer Repräsentanten beim antisemitischen Regime von Ramallah mit einem kollektiven Solidaritätsbesuch des umstrittenen Projekts »Zelt der Nationen«.

Das in den C-Gebieten liegende Gelände der als christliches »Friedensprojekt« bezeichneten Anlage eines »Palästinensers« wird von Israel als Staatseigentum betrachtet, der Betreiber, der sein »Zelt der Nationen« auch als »Symbol des Widerstands« gegen die »aggressive Siedlungspolitik Israels« vermarktet, sieht es als sein Privatgrundstück an. Die Besitzverhältnisse werden seit Jahrzehnten vor Gericht verhandelt.

Mit ihrem Besuch mischen sich die Vertreter zahlreicher europäischer Staaten nun natürlich in dieses Verfahren ein. Indem sie sich hinter das »Zelt der Nationen« stellen, ergreifen sie nicht nur Partei, sondern säen und befeuern als Diplomaten Zweifel am israelischen Rechtssystem. Damit allerdings delegitimieren sie Israel als Demokratie, statt etwa für die Akzeptanz einer rechtsstaatlichen Entscheidung zu werben.

Mit ihrer Parteinahme in einem Streit um Besitzverhältnisse dementieren die europäischen Diplomaten zugleich das »Zelt der Nationen« als »Friedensprojekt«. Denn ihr Engagement kann ja gar nicht anders als gegen Israel und dessen Institutionen gerichtetet verstanden werden. So jedoch leistet Europa keinen Beitrag zu einer Entspannung, sondern legitimiert letztlich auch gewaltförmigen »Widerstand« gegen Israel.

Verspieltes Ansehen

Premier Benjamin Netanjahu hat am Mittwoch in einem Schreiben an Knesset-Präsident Yuli Edelstein das Parlament in der israelischen Hauptstadt offiziell um Immunität vor Strafverfolgung gebeten. Gegen den jüngst im Amt des Vorsitzenden der Likud-Partei bestätigten Politiker wurde bereits seit längerem ermittelt, eine Anklage wegen Betrugs, Bestechlichkeit und Untreue stand kurz bevor.

Der Schritt Benjamin Netanjahus kommt zwar kaum überraschend, für einige Erschütterungen sorgt er dennoch. Der Politiker ist der erste Premierminister, gegen den noch während seiner Zeit im Amt Anklage erhoben werden soll. Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit hatte am 2. Dezember seine Klageschrift an die Knesset übermittelt, danach blieben Benjamin Netanjahu 30 Tage zu reagieren.

Während die Entscheidung des israelischen Premiers einerseits zwar nachvollziehbar scheint, nährt er mit wütenden Angriffen auf die israelische Justiz, diese wollte ihn aus dem Amt putschen, leider nicht eben den Glauben an seine Unschuld. Gerade als Premierminister sollte er Vertrauen in den Rechtsstaat signalisieren, jedenfalls nicht versuchen, die Behörden wie zuvor Medien zu diskreditieren.

Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit ist sich der Brisanz seiner Ermittlungen ohne jeden Zweifel bewußt, daher ist davon auszugehen, daß er mit der nötigen Sorgfalt ermittelt und das Verfahren gegen Benjamin Netanjahu vorbereitet hat. Statt sich diesem Verfahren zu stellen, versucht der Politiker mit beinahe allen Mitteln, es zu beenden oder die Anklageerhebung zumindest hinauszuzögern.

Weil er nur als Ministerpräsident um Immunität bitten kann, setzte Benjamin Netanjahu im vergangenen Jahr vorgezogene Neuwahlen durch, die ihn im Amt bestätigen sollten. Zwar ging er aus den Wahlen im April und im September nicht als klarer Verlierer hervor, die Ergebnisse etwa seiner Außenpolitik sind gewiß vorzeigbar, regierungsfähige Mehrheiten konnte er aber nicht organisieren.

Deshalb sind für den 2. März erneut Knesset-Wahlen angesetzt, bei denen der Likud-Politiker wieder als Spitzenkandidat seiner Partei antritt. Bis dahin bleibt Benjamin Netanjahu also ganz sicher amtierender Ministerpräsident. Und sollte das Wahlergebnis ähnlich ausfallen wie zuvor, ist absehbar, daß er noch länger in dem Amt bleiben wird, in dem er eben auch Immunität genießen könnte.

Daß er auf diese Weise freilich nicht nur sein eigenes politisches Vermächtnis als Premier verspielt, sondern das ganze demokratische System Israels aus persönlichen Gründen in Verruf bringt, scheint Benjamin Netanjahu längst nicht mehr zu stören. Wenn er jetzt um Immunität bittet, verlangt er – wenn auch nur zeitlich begrenzt – über dem Gesetz zu stehen. Die Bitte sollte ihm nicht gewährt werden.

Souveräne Justiz

Nach langen und teils kontrovers diskutierten Ermittlungen hat die israelische Polizei Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit eine Anklage Benjamin Netanjahus empfohlen. Sie wirft dem Premierminister Israels Bestechlichkeit, Betrug und Untreue vor. Der Chef der Regierung in Jerusalem nennt die Vorwürfe »haltlos«, während Oppositionspolitiker ihn bereits zum Rücktritt auffordern.

Benjamin Netanjahu ist – mit Unterbrechungen – seit 1996 israelischer Ministerpräsident und prägt damit seit über zwei Jahrzehnten ganz wesentlich die Politik in dem jüdischen Staat. Fehlverhalten wurde ihm in all diesen Jahren immer wieder vorgeworfen, bislang indes mit wenig Erfolg. Seine Partei, der Likud, und er wurden in Wahlen immer wieder bestätigt, fanden sich Koalitionspartner.

Sollte der Politiker also mit einiger Gelassenheit auf neuerliche Ermittlungen blicken, zeigt Benjamin Netanjahu sich recht dünnhäutig. Angriffe auf Medien oder Vorwürfe an Ermittler, sie seien voreingenommen, wirken nicht eben souverän. Besonders letztere können verheerend sein: Wie sollen Bürger in Institutionen des Staates vertrauen, traut ihnen nicht einmal der Ministerpräsident?

Dabei zeigen die Ermittlungen, daß die israelische Justiz funktioniert. Der Premier steht nicht über dem Gesetz, das ihn ja auch vor willkürlichen Anschuldigungen und Vorveruteilung schützt. Es wäre gut, könnte Benjamin Netanjahu als Politiker für Vertrauen in den Rechtsstaat werben, statt Zweifel an ihm zu säen. Denn das fällt, wie immer diese Affäre ausgehen mag, nur auf ihn selbst zurück.