Schlagwort: Yair Netanjahu

Kernkompetenz: Sohn

Während Benjamin Netanjahu sich anschickt, der nächste israelische Ministerpräsident zu werden, macht auch Yair Netanjahu wieder Schlagzeilen, dessen größte Leistung in seinem bisherigen Leben darin besteht, der Sohn seines Vaters zu sein. Und so würde wohl auch diesmal kaum jemand Notiz von Yair Netanjahu nehmen, ginge es in seinen jüngsten Äußerungen nicht einmal mehr um Benjamin Netanjahu.

Dem Likud-Politiker werden in fünf Fällen Bestechlichkeit und Vorteilsnahme vorgeworfen, nach langen Ermittlungen wurde Ende 2019 gegen ihn schließlich Anklage erhoben und im Frühjahr 2020 der Prozeß wegen Korruption eröffnet, der das zuständige Bezirksgericht in Jerusalem und den Angeklagten noch Jahre beschäftigen könnte. Im Rechtsstaat Israel steht auch ein Ministerpräsident nicht über dem Gesetz.

Das hat Benjamin Netanjahu, der sich freilich vom Amt erhofft, Einfluß auf »sein« Verfahren nehmen zu können, gelernt, Yair Netanjahu dagegen hat das für Demokratien basale Prinzip der Gewaltenteilung offenbar noch immer nicht begriffen: In einem Rundfunkgespräch beließ er es nicht bei Vorwürfen gegen die israelische Justiz, sondern forderte für Ermittler und Kläger im Prozeß seines Vaters die Todesstrafe.

Zwar war auch Benjamin Netanjahu – selbst als amtierender Ministerpräsident – nicht eben zurückhaltend mit der Justiz umgegangen und ihr durchaus etwa »Verrat« vorgehalten. Davor allerdings, für seine Ankläger die Todesstrafe zu fordern, bewahrte Benjamin Netanjahu seine Vernunft dann doch noch. Daß er jetzt einerseits von Meinungsfreiheit spricht, aber seinem Sohn nicht zustimmt, spricht nicht gegen ihn.

Troll

Wäre Yair Netanjahu nicht vor allem der Sohn des israelischen Premiers, er und seine häufigen verbalen Ausrutscher würden – verdient – erst ignoriert und dann hoffentlich bald vergessen, statt Schlagzeilen zu machen. Nun hat er der Europäischen Union Heuchelei vorgeworfen und ihr einen baldigen Untergang prophezeit, nach dem »Europa wieder frei« sein werde, »demokratisch und christlich«.

Anlaß der jüngsten Angriffe Yair Netanjahus auf die EU war ein Tweet ihrer Vertreter in Israel, mit dem sie über ihre Teilnahme an einer »palästinensisch«-israelischen Gedenkveranstaltung berichtete, in deren Rahmen die Eltern getöteter »Palästinenser« und Eltern getöteter israelischer Bürger gemeinsam an die »Opfer des Konflikts« erinnerten, eine Veranstaltung, die durchaus kritikwürdig ist.

Und auch die Teilnahme von EU-Vertretern an einem solchen Event – in diesem Jahr im Internet abhalten – verdiente in vielerlei Hinsicht Kritik. Immerhin ist Brüssel und sind zahlreiche Mitgliedsstaaten der EU als größte Unterstützer des Regimes in Ramallah oder etwa der UNRWA mitverantwortlich für jenen Terror, dessen Opfer sie im Rahmen dieses »Gedenkens« vorgaben zu betrauern.

Europa deshalb jedoch eine Re-Christianisierung zu wünschen, diese mit Begriffen wie Freiheit und Demokratie in Zusammenhang zu bringen, verrät neben fehlender Kinderstube eine gehörige Ahnungslosigkeit über das, wofür Christentum in Europa eben auch steht: den barbarischen deutschen Antisemitismus, der in der Auslöschung beinahe des gesamten europäischen Judentums gipfelte.

Und das ist dann eine Vorstellung, neben der die existierende Europäische Union, so beklagenswert ihre Verfassung und so verheerend ihr Einfluß nicht zuletzt im »palästinensisch«-israelischen Konflikt auch sein mögen, das doch etwas zivilisiertere Übel sein dürfte. Yair Netanjahu täte die eine oder andere Denkpause gut, dann könnte ihm aus richtigem Anlaß noch die richtige Kritik gelingen.