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Wahnidee

Unter brasilianischem Vorsitz fand in dieser Woche ein Treffen der Außenminister der G20-Staaten statt, eines informellen Zusammenschlusses der 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, der Europäischen Union sowie der Afrikanischen Union. Hatte der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zuvor mit antisemitischer Hetze Schlagzeilen gemacht, bot auch die G20-Konferenz ein Podium für Angriffe auf Israel.

Denn das, was in Rio de Janeiro als einstimmige Haltung formuliert wurde, die Forderung nach einer »Zwei-Staaten-Lösung«, die der »einzige Weg zum Frieden im Nahen Osten« sei, ist nicht allein deshalb skandalös, weil etwa der amerikanische Außenminister Antony Blinken und seine deutsche Kollegin Annalena Baerbock keine Probleme hatten, sich mit ihrer Zustimmung in eine Reihe zu stellen mit Rußland oder Südafrika.

Die Forderung nach zwei Staaten, »einem palästinensischen und einem israelischen«, ist gegenwärtig an sich bereits so inakzeptabel wie die nach einem Verzicht Israels auf die Zerschlagung der Hamas in Rafah, die in Rio de Janeiro ebenfalls auf breite Zustimmung stieß. Eine Anerkennung »Palästinas« als Staat an Jerusalem vorbei käme einer Belohnung des barbarischen Überfalls der Hamas auf den jüdischen Staat gleich.

In Jerusalem, der israelischen Hauptstadt, könnte das nur als aggressiver Akt aufgenommen werden. Islamistische und andere »palästinensische« Terrororganisationen dürften sich angefeuert fühlen, ihre Angriffe auf Israel fortzusetzen und auszuweiten. Nicht umsonst galt bisher Frieden als notwendige Voraussetzung dafür, überhaupt eine Schaffung und Anerkennung eines »palästinensischen« Staates in Erwägung ziehen zu können.

Den zweiten Schritt vor dem ersten machen zu wollen, heißt Öl ins Feuer zu gießen. Inzwischen ist selbst in gleichwohl tendenziös antiisraelischen Dokumenten der Vereinten Nationen nachzulesen, »die Hamas äußerte keinerlei Bedauern über die Ereignisse vom 7. Oktober, ihre Führer drohten mehrmals, diese Angriffe zu wiederholen«. Wer glaubt, eine »Zwei-Staaten-Lösung« sei darauf eine angemessene Antwort, ist irre.

Realpolitik

Mit Jair Bolsonaro hat am Wochenende ein Bewerber die Präsidentschaftswahl in Brasilien für sich entschieden, der mit seiner menschenverachtenden Brachialrhetorik selbst den dauerwahlkämpfenden Donald J. Trump in den Schatten stellt. Der rassistische Ex-Militär hat keine Achtung vor demokratischen Standards, befürwortet Folter und ist ein wüster Gegner sexueller Selbstbestimmung.

Dennoch hat der israelische Premier Benjamin Netanjahu dem Wahlsieger gratuliert und wird wahrscheinlich zu dessen Amtseinführung am 1. Januar nach Brasilien reisen. Zudem hat er Jair Bolsonaro nach Israel eingeladen, der in seinem Wahlkampf angekündigt hatte, Jerusalem als Hauptstadt des jüdischen Staates anerkennen und die »Botschaft« der PLO in Brasilien schließen zu wollen.

Leider ist Israel ein Staat, der auf internationaler Ebene regelmäßig stigmatisiert wird und verleumdet. Und selbst Staaten, deren Regierungen in wohlfeilen Sonntagsreden ihre freundschaftlichen Beziehungen zu Jerusalem beschwören, haben etwa in Gremien der UNO regelmäßig keinerlei Skrupel, gemeinsam mit erklärten Feinden Israels gegen die einzige nahöstliche Demokratie zu stimmen.

Vor diesem Hintergrund ist jede Stimme, die sich dem antisemitischen Konsens verweigert oder verweigern könnte, eine, um die es zu werben gilt – und sei es eben die eines von einem wenig sympathischen Demagogen geführten Brasiliens. Schrecken Berlin, London oder Paris nicht davor zurück, mit Teheran oder Pjöngjang zu votieren, kann Benjamin Netanjahu einen Jair Bolsonaro umgarnen.