Schlagwort: Justizreform

Scheinheilige Jammerei

Im »deutschen Nachrichtenmagazin« SPIEGEL verrät Julia Amalia Heyer, was sie alpträumen läßt: Die Vorstellung eines »dritten Tempel[s] auf dem Tempelberg, ein möglichst großes Israel, am liebsten nur für Juden«, wie es Aryeh King, der Bürgermeister der israelischen Hauptstadt Jerusalem, und »seine Freunde« erstrebten. Julia Amalia Heyers Alptraum ist ansteckend, manch selbsterklärter »Freund« Israels teilt ihn.

So erklärte etwa der liberale Justizminister Marco Buschmann, im gleichen Blatt, Israel sei »immer ein Leuchtfeuer für Demokratie und Rechtsstaat im Nahen Osten« gewesen, jetzt jedoch plage »viele Freunde Israels [..] die Sorge, dass dieses Licht nun nicht unbedingt heller scheint«. Und für die CDU verlangt deren Roderich Kiesewetter gar ein Einschreiten Berlins: »Aus Deutschland sollten mehr als klare Worte erfolgen«.

Das Lamento insbesondere der deutschen Politik allerdings ist ein peinliches. Denn investieren diese »vielen Freunde Israels« nicht mit Begeisterung Jahr um Jahr mindestens dreistellige Millionenbeträge in den Aufbau und Unterhalt eines »Staates«, dessen gänzlich undemokratische »Führung« in ihren Äußerungen und Taten nichts anderes anstrebt als ein möglichst großes »Palästina«, am liebsten nur für »Palästinenser«?

Vorstellungen, die da als zuwendungsfähig unumstritten sind, sollen dort, wo sie gespiegelt werden, mit »mehr als klaren Worten« sanktioniert werden? Kein Jude lebt derzeit freiwillig in Gaza, Juden in den umstrittenen Gebieten und Israel gelten »Palästinensern« als »Friedenshindernisse«, als legitime Angriffsziele. Wer diese Ideologie mit Millionentransfers stützt, sollte anderes tun als »Sorgen« um die Strahlkraft Israels zu artikulieren.

Bigotte Sorge

Die von der Regierung um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vorangetriebene Justizreform hat am Montag eine wichtige Hürde in der Knesset genommen, dem israelischen Parlament. Während jene Parlamentarier, die das Projekt ablehnen, die Parlamentssitzung boykottierten, stimmten die anwesenden 64 Volksvertreter einhellig und damit einstimmig für eine Änderung bzw. die Abschaffung der sogenannten Angemessenheitsklausel.

Mit diesem Reformschritt werden Befugnisse des Obersten Gerichtshofs eingeschränkt, Gesetze sowie Entscheidungen von Regierungsmitgliedern als »unvernünftig« zu charakterisieren und deren Rücknahme einzufordern. Selbstverständlich kann diese Änderung wie das gesamte Reformvorhaben kritisiert werden, insbesondere durch Bürger Israels. Mahnende oder »besorgte« Ratschläge des Auslands indes verdienen ihrerseits Kritik.

Denn diese »Kritik« sagt mehr aus über die, die sie äußern, als über die in Israel geplante Justizreform. Läßt etwa das Weiße Haus verlauten, es sei »bedauerlich«, daß der Gesetzesvorschlag mit »der kleinstmöglichen Mehrheit« verabschiedet wurde, ist das vor allem peinlich für Washington: Das Parlament in Jerusalem hat 120 Sitze, die Mehrheit hat daher, ein volles Haus vorausgesetzt, wer oder was mindestens 61 Stimmen bekommt.

Zu Schwächen in der Beherrschung der Grundrechenarten offenbaren sich in der »Kritik« mangelnde Kenntnisse der Verhältnisse in Israel: Heißt es aus Berlin, man fürchte dort um »die Demokratie in Israel«, ist das nicht bloß unkonkret. Wird die Demokratie wirklich dadurch gefährdet, daß demokratisch legitimierte Institutionen gestärkt, ein Gremium hingegen, das bisher nicht demokratisch rückgebunden ist, geschwächt werden?

Kämen die deutschen Verfassungsrichter auf die Idee, einen Minister für »amtsunwürdig« zu erklären und damit dessen Entlassung zu verlangen, wollten die gleichen Richter selbst über die Ernennung neuer Verfassungswächter bestimmen, sie würden dafür wohl nicht überbordender demokratischer Begeisterung bezichtigt. Wer jedoch die Beschränkung von Befugnissen kritisiert, die es im »eigenen« Land noch nicht einmal gibt, ist bigott.