Schlagwort: Theokratie

Kotau vor den Mullahs

Amerikanische Diplomaten haben gegenwärtig viel zu tun. Einerseits scheint ein – noch geheimes – Abkommen zwischen Washington und dem islamistischen Regime in Teheran über dessen Atomprogramm nur noch wenige Zugeständnisse entfernt. Andererseits gilt es, entsprechenden Meldungen entgegenzutreten, überzeugend zu dementieren, was womöglich gar nicht mehr glaubwürdig zu leugnen ist.

Die Meldungen sind jedenfalls in der Welt: Ein amerikanisch-iranisches Übergangsabkommen über das Atomprogramm der Mullahs soll in den vergangenen Monaten und Wochen zunehmend Gestalt angenommen haben und nun vor der Vollendung stehen. Was allerdings aufhorchen läßt – oder: lassen sollte -, sind die kolportierten Inhalte einer solchen Einigung, die mit dem JCPOA nichts mehr zu tun hat.

War der Joint Comprehensive Plan of Action mit dem Versprechen verbunden, den Aufstieg der Islamischen Republik Iran zur Atommacht nachhaltig verhindern zu können, bliebe davon mit einem Interims-Abkommen nichts mehr übrig: Den offiziell nicht bestätigten Meldungen zufolge soll Teheran sein Atomprogramm »einfrieren« und sein auf Reinheitswerte von bis zu 60 Prozent angereichertes Uran behalten.

Das entspräche einer Anerkennung des aktuellen Stands des Rüstungsprogramms der Mullahs durch Washington, deren »geistliches Oberhaupt« Ayatollah Seyed Ali Khamenei jüngst noch prahlte, niemand könne die Islamische Republik aufhalten. Und als Bonus soll Washington noch bereit sein, Sanktionen gegen Teheran aufzuheben und dem Regime damit den Zugriff auf eingefrorene Milliarden erlauben.

Statt – zumal vor dem Hintergrund massiver Proteste gegen die blutige Herrschaft der Mullahs – das Scheitern des JCPOA zum Anlaß zu nehmen, das islamistische Regime zu isolieren, scheint die Regierung von Präsident Joe Biden jedenfalls nicht unwillig, sich mit Teheran zu arrangieren. Für ein windiges Abkommen scheint sie bereit, Zusagen an (nicht nur) Jerusalem zu brechen. Das ist in der Tat erklärungsbedürftig.

Amerikakundler

Das islamistische Regime in Teheran steckt in einer tiefen Legitimitätskrise, die sich durch die andauernden Proteste einer- und die brutalen Reaktionen der Mullahs darauf andererseits täglich verschärft. Vielleicht sind die Tage der Grünen Revolution, die inzwischen schon Schulmädchen zu Tode prügelt, die das Loblied auf sie verweigern, noch nicht gezählt, ihre Wochen sind es mit einiger Sicherheit.

Wie schlecht es um um sie tatsächlich steht, das zeigte der jüngste Auftritt Ayatollah Seyed Ali Khameneis, der sich in einer Rede vor »Studenten« ausführlich den Vereinigten Staaten, einem der »Erzfeinde«, widmete und Amerika den baldigen Zusammenbruch vorhersagte. »Eines der Anzeichen für den Niedergang Amerikas« sei »die Wahl von Leuten wie dem derzeitigen und dem ehemaligen Präsidenten«.

Mit Donald J. Trump hätten die Amerikaner einen »Verrückten« zum Präsidenten gewählt und es mit ihrer Entscheidung für Joe Biden als Amtsnachfolger nicht wesentlich besser gemacht. »Das ist ein Zeichen für den Zerfall einer Nation, das sind Zeichen für den Verfall der Zivilisation [in Amerika].« Bei seiner Analyse berief der greise »Revolutionsführer« sich allerdings ausgerechnet auf die beiden Politiker.

Hätte der eine doch erklärt, die Vereinigten Staaten stünden am Abgrund, während der andere sie bereits aus eben diesem retten wolle. Daß damit beide, Joe Biden wie Donald J. Trump, vorführen, was Demokratie ausmacht, nämlich die Fähigkeit zu einer Kritik, die das System nach durchaus widerstrebenden Vorstellungen verbessern soll, entging dem »geistlichen Oberhaupt« der Islamischen Republik freilich.

Selbstkritik dürfte dem Weltbild Ayatollah Seyed Ali Khameneis indes so fremd sein wie die Vorstellung, daß unterschiedliche Gesellschaftsentwürfe gleichberechtigt diskutiert und zur Wahl gestellt werden, sich dem Urteil jener stellen müssen, über deren Leben sie schließlich bestimmen. Die Vereinigten Staaten gehen deshalb noch lange nicht unter; das islamistische Regime in Teheran aber werden sie sicher überleben.

»Kulturnation«

Das islamistische Regime in Teheran veranstaltet in wenigen Tagen ein »internationales Kulturfestival«, das unter dem Motto »Die Vernichtung Israels« stehen wird. Mit einem nach Qassem Soleimani benannten Kampfschiff konnte Teheran auch einen passenden Ort für das zum 17. Mal stattfindende »International Resistance Film Festival« auftun, mit dem alljährlich die berüchtigten Basij-»Milizen« gefeiert werden.

Während der iranische »Außenminister« Hossein Amir Abdollahian gerade noch erklärte, die Politik seiner Islamische Republik richte sich »gegen Kriege«, demonstriert sein Regime mit dem »Filmfestival« anschaulich, daß im Weltbild der derzeit noch mit brutaler Gewalt in der islamistischen Theokratie herrschenden Mullahs jedenfalls Frieden wohl nicht das erstrebenswertere Gegenteil von Krieg darstellt.

Hält sich das Regime neben den regulären iranischen Streitkräften mit den auch als Pasdaran kannten Revolutionsgarden (IRGC) eine hochgerüstete Armee, sind die paramilitärischen Basij eine Art »Polizei«, auf die die Mullahs vor allem dann zurückgreifen können, wenn sie Proteste im Inland niederschlagen wollen. Im Ersten Golfkrieg rekrutierten die Basij unzählige Kindersoldaten und schickten sie in den Tod.

Qassem Soleimani befehligte bis zu seinem mittels Drohne herbeigeführten Tod im Januar 2020 in Bagdad »Spezialeinheiten« der Pasdaran, eine »Elite« innerhalb der »Elite«, und galt etwa als Organisator iranischer Waffenlieferungen an »palästinensische« Terroristen in Gaza und den umstrittenen Gebieten. Von den Vereinten Nationen mit einem Reiseverbot belegt, traf ihn eine amerikanische Drohne im Irak.

Nicht zuletzt spiegelt auch das martialische Motto des »Filmfestivals« einmal mehr den aggressiven Antisemitismus des islamistischen Regimes in Teheran, das mittlerweile einräumen muß, mit Waffenlieferungen mitverantwortlich zu sein für zahlreiche Opfer des russischen Einmarschs in die Ukraine, darunter viele Zivilisten. Und dennoch gibt es besonders im Westen Gestalten, die eine Isolation Teherans ablehnen.