Das Weiße Haus hat am Freitag neue sicherheitspolitische Leitlinien der Vereinigten Staaten veröffentlicht. Knapp drei Seiten des Dokuments sind Europa und der amerikanischen Sicht auf die Entwicklungen dort gewidmet, eine Kritik, die, wie der SPIEGEL formuliert, »ein Schock« für den Kontinent sei. Freilich ist die Kritik Washingtons an der europäischen Migrationspolitik so wenig neu wie die am Umgang Europas mit dissidenten politischen Ansichten.
Und auch die in dem Papier geäußerten Zweifel an der Verläßlichkeit Europas als Alliierter Amerikans dürften niemanden überraschen. Gleichwohl sorgt die Deutlichkeit, mit der Washington auf Distanz zu Europa geht, für einige Aufregung. Kaja Kallas, die Hohe Außenbeauftrage der Europäischen Union, schwieg auffallend lange zu dem Dokument, bevor sie in einer Stellungnahme Versäumnisse einräumte und ein selbstbewußteres Auftreten Europas ankündigte.
Weniger gelassen – aber immerhin schneller – reagierte Johann Wadephul, im Kabinett von Kanzler Friedrich Merz formell für Außenpolitik zuständig. »Meinungsfreiheit und gesellschaftliche Organisation«, faßt die Welt seine Stellungnahme zusammen, »seien deutsche Angelegenheiten«. »Wir glauben auch nicht, dass irgendjemand uns dazu Ratschläge geben muss«, verbittet er sich nach Angaben der Tageszeitung die offenbar umzumutbare auswärtige Einmischung.
Mit seinem wenig souveränen Rückgriff auf die »inneren Angelegenheiten« erinnert der CDU-Politiker an Heiko Maas, einen seiner Amtsvorgänger. Als Richard Grenell, seinerzeit US-Botschafter in Deutschland, es Anfang 2019 wagte, die von Berlin dominierte Politik Europas gegenüber der Russischen Föderation zu hinterfragen, reagierte der Sozialdemokrat pampig: »Fragen der europäischen Energiepolitik müssen in Europa entschieden werden, nicht in den USA«.
Wenig später war dann die Not ziemlich groß in Deutschropa, als nämlich die insbesondere von Berlin gegen alle (auch osteuropäischen) Warnungen noch weiter zementierte Abhängigkeit Europas von Moskau nicht bloß für kalte Wohnungen zu sorgen drohte. Und nun also glaubt der deutsche Außenminister Johann Wadephul stellvertretend für seine Regierung, »nicht, dass irgendjemand uns [..] Ratschläge geben muss«. Was kann da schon schiefgehen?