Schlagwort: Naftali Bennett

Politischer Offenbarungseid

In der nächsten Woche könnte sich entscheiden, ob US-Außenminister Antony Blinken bei seinem nunmehr für Juli angekündigten Besuch in Israel dort auf eine einigermaßen funktionierende oder eine bloß noch geschäftsführende Regierung treffen wird, die sich mit der Organisation neuerlich vorgezogener Parlamentswahlen beschäftigen muß, darüber hinaus aber nicht mehr viel gestalten wird können.

Am kommenden Montag soll in der Knesset über eine Verlängerung eines Gesetzes um weitere fünf Jahre abgestimmt werden, das die jüdische Bevölkerung in den umstrittenen Gebieten zivilrechtlich mit israelischen Bürgern gleichstellt. Dank des Gesetzes gelten in den Außenposten die gleichen Regularien wie im israelischen Kernland, obwohl die C-Gebiete unter israelischer Militärverwaltung stehen.

Das 1967 erstmals beschlossene Gesetz muß regelmäßig durch die Abgeordneten der Knesset in Jerusalem verlängert werden, was diese bisher auch immer mehrheitlich taten, unabhängig davon, ob sie sich dem progressiven oder konservativen politischen Lager zugehörig fühlen. Inhaltlich ist das Gesetz in Israel parteiübergreifend unumstritten, die Abstimmung darüber eigentlich eine bloße Formsache.

In diesem Jahr allerdings will die vom Likud um den ehemaligen Premierminister Benjamin Netanjahu dominierte Opposition dem Gesetz ihre Zustimmung verweigern. Wurde Premier Naftali Bennett von 61 der 120 Knesset-Abgeordneten ins Amt gewählt, ist ihm diese Mehrheit längst nicht mehr sicher. Mindestens ein arabischer Abgeordneter »seiner« Koalition will nicht für das Gesetz stimmen.

Der Likud sieht in dieser Situation eine Chance, die Koalitionsregierung in Jerusalem vorzuführen. Daß die führende Oppositionspartei dafür allerdings bereit ist, die jüdische Bevölkerung in den C-Gebieten in ein rechtliches Chaos zu stürzen, sie letztlich zahlreicher Rechte zu berauben – das Wahlrecht eingeschlossen -, offenbart einmal mehr, wie tief gesunken insbesondere diese Partei inzwischen ist.

Der Likud will die Regierung, die zu stützen freilich durchaus nicht Aufgabe einer Oppositionspartei ist, erklärtermaßen in ein Krise stürzen. Daß die Partei Benjamin Netanjahus allerdings bereit ist, mit einem Votum gegen die eigene politische Überzeugung die »Siedler« zu »Ausländern« zu erklären, ist an Schäbigkeit kaum zu übertrumpfen. Im Fall vorgezogener Wahlen sollte man den Likud daran erinnern.

Sabotage

Der Oberste Gerichtshof in Jerusalem hat das israelische Innenministerium angewiesen, das Staatsbürgerschaftsgesetz nicht länger umzusetzen, da es ausgelaufen sei. Das erstmals 2003 aus Sicherheitsgründen beschlossene Gesetz soll ein »automatisches« Aufenthaltsrecht für Ehepartner israelischer Bürger aus feindlichen Gebieten verhindern. Es war seither jährlich in der Knesset verlängert worden.

Das Gesetz ist innerhalb der großkoalitionären israelischen Regierung umstritten, so daß ihr im Parlament die nötige Mehrheit dafür fehlt. Und auf die Opposition, insbesondere die Abgeordneten der Partei des ehemaligen Premiers Benjamin Netanjahu kann Amtsnachfolger Naftali Bennett nicht zählen: Inhaltlich teilt der Likud die Ziele des Gesetzes, stimmt ihm jedoch aus »politischen« Gründen nicht zu.

Bereits im vergangenen Juli, als die Verlängerung des Gesetzes erstmals nach der Bildung einer der neuen israelischen Regierung in der Knesset anstand, zogen die Abgeordneten der einstigen Regierungspartei es vor, Naftali Bennett eine Abstimmungsniederlage zu bereiten, statt für die Verlängerung der Geltungsdauer des zuvor von ihnen regelmäßig im Parlament unterstützten Gesetzes zu stimmen.

Die an Innenministerin Ayelet Shaked gerichtete Mahnung des Obersten Gerichtshofs, das von ihr unterstützte Gesetz nicht länger zu vollziehen, ist daher vor allem ein »Verdienst« der bizarren Haltung der stärksten Oppositionspartei. Statt ein von ihnen eigentlich befürwortetes Gesetz mit einigen Stimmen zu unterstützen, lassen deren Abgeordnete es scheitern – und spielen so mit der Sicherheit des Landes.

Verfehlte Reaktion

Nachdem »palästinensische« Terroristen auch am Montag wieder mit Brandballons Feuer im Süden Israels ausgelöst haben, zerstörten die israelischen Luftstreitkräfte in der Nacht bei mehreren Einsätzen terroristische Infrastruktur in Gaza, darunter eine Werkstätte zur Herstellung von Raketen und ein Ausbildungszentrum der in dem von »Palästinensern« beanspruchten Gebiet herrschenden Hamas.

Hatte der inzwischen als Oppositionsführer auftretende frühere Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bereits mehrmals versprochen, für dauerhaften Frieden für den Süden des jüdischen Staates zu sorgen, konnten auch seine Nachfolger noch keine Strategie zur Lösung des Problems entwickeln. Gelegentliche Angriffe auf Hamas-Einrichtungen sind zwar berechtigt, beenden den Terror aber nicht.

Zugeständnisse, die zur Entspannung der Situation in Gaza beitragen sollen, darunter Konzessionen beim Warenverkehr über die israelische Grenze oder die Zulassung von Geldtransfers aus Katar, haben bisher auch nicht eben als Lösungsansatz überzeugen können. Von solchen Maßnahmen mögen die Islamisten nicht direkt profitieren, zumindest indirekt stützen sie deren Herrschaft aber in jedem Fall.

Als Premierminister ist Naftali Bennett der israelischen Bevölkerung verpflichtet. Es ist seiner Regierung Aufgabe, dafür zu sorgen, daß von den in Gaza herrschenden Terroristen keine Gefahren mehr für Israel ausgehen. Mit einer Politik, die sich gegenüber dem von Gaza ausgehenden Terror kaum von der seines Amtsvorgängers unterscheidet, verfehlen er und seine Regierung ihren Auftrag.

Realpolitik

Kurz nach der Rückkehr des israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett von einem Besuch in der amerikanischen Hauptstadt Washington hat sich am Wochenende Verteidigungsminister Benny Gantz in Ramallah zu Gesprächen mit »Palästinenserpräsident« Abu Mazen getroffen. Dabei seien, wie es in der israelischen Hauptstadt Jerusalem hieß, »aktuelle Sicherheitsfragen« besprochen worden.

Während das hochrangige Treffen in Israel ebenso auf Zustimmung stieß wie auf scharfe Kritik aus dem »linken« und dem konservativen Lager – die einen vermissen den Friedensschluß am Ende, den anderen war es bereits Zumutung genug -, hält sich das Regime in Ramallah bedeckt. Die in Gaza herrschende Hamas teilte mit, »Präsident« Abu Mazen habe damit das »palästinensische Volk« verraten.

Das unterschiedliche Echo in Israel entspricht dem einer lebendigen Demokratie, das auf der »palästinensischen« Seite indes offenbart, daß jedenfalls für Friedensgespräche, die diesen Namen auch verdienen, Jerusalem der »palästinensische« Ansprechpartner fehlt. Die Islamisten der Hamas führten das mit ihrer Kritik sowie neuerlichen Angriffen auf die Grenze Israels am Wochenende vor Augen.

Und das Regime um »Präsident« Abu Mazen selbst bestätigt diesen Eindruck mit seinem Schweigen zu dem Treffen. Die Clique um Benny Gantz’ Gesprächspartner in Ramallah weiß, daß ihr – zumal nach den »verschobenen« Wahlen – jedes Mandat fehlt, im Namen der »Palästinenser« worüber auch immer zu verhandeln. Ein Bekenntnis zu Friedensgesprächen würde sie wohl aus dem Amt fegen.

Es kann daher gar nicht verwundern, wenn auch Premier Naftali Bennett betont, eine Zwei-Staaten-Lösung im »palästinensisch«-israelischen Konflikt stehe auf absehbare Zeit nicht auf seiner Agenda. Das ist keine Absage an eine solche oder andere Ideen. Benny Gantz’ Visite in Ramallah demonstriert »nur«, was derzeit möglich ist – und daß Jerusalem bereit ist, das immer wieder neu auszuloten.

Schadensbegrenzung

Nachdem die »Palästinenserführung« in Ramallah mit ihrem plötzlichen Rückzug aus einer Abmachung mit dem Unternehmen Pfizer über die sofortige Lieferung von mindestens einer Million Impfdosen zur Immunisierung gegen das Covid-19-Virus aus israelischen Beständen demonstriert hat, was ihr Wort wert ist, sollen wenigstens drei Staaten ihr Interesse an dem Impfstoff signalisiert haben.

Die Regierung in Jerusalem sollte sich für einen dieser Interessenten entscheiden, und sie sollte es schnell tun. Zwar gibt das Regime um »Präsident« Abu Mazen zwischenzeitlich vor, sich doch noch mit Israel verständigen zu wollen. Sofern die Belieferung eines oder mehrerer dieser weiteren Interessenten kurzfristig realisierbar ist, sollte nun allerdings diesem bzw. ihnen Vorrang eingeräumt werden.

Die »Palästinenser« hatten ihre Chance – und sie haben sie ausgeschlagen. Bevor ihrer Verantwortungslosigkeit wegen – die Vereinbarung war etwa als »Normalisierung« zurückgewiesen und damit quasi als Hochverrat denunziert worden – tatsächlich Impfdosen unbrauchbar werden, sollten die über sie verfügen können, die ihre Entgegennahme nicht von israelischen Demutsgesten abhängig machen.

Jerusalem hat es nicht nötig, darum zu betteln, »Palästinensern« helfen zu dürfen, zumal dann nicht, haben die bereis ein entsprechendes Abkommen platzen lassen. Die neue Regierung um Premier Naftali Bennett sollte daher Ramallah eine klare Frist für eine Einigung setzen, die eher nach Stunden bemessen ist denn nach Tagen. Lassen die »Palästinenser« sie verstreichen, sollten andere zum Zug kommen.

Stilfrage

Mit 60 Stimmen und damit mit einer beinahe kaum so zu nennenden Mehrheit von einer Stimme haben die Abgeordneten der Knesset in der israelischen Hauptstadt Jerusalem am Sonntag Naftali Bennett zum neuen Premier des jüdischen Staates gewählt und den Amtsinhaber Benjamin Netanjahu in die Opposition geschickt: Israel hat eine neue, seine 36. Regierung, die eine des Wandels sein will.

Der bisherige Regierungschef, er war 12 Jahre ununterbrochen im Amt, und einige lautstarke Anhänger zeigten zu seinem Abwahl noch einmal herzlich wenig Respekt vor der demokratischen Entscheidung der Parlamentarier und der Würde des Plenums, nicht eben überzeugend schienen aber auch die ausgelassenen Feiern, mit denen Tausende etwa in Tel Aviv einen »Sieg« begehen zu können glaubten.

Mit der Vereidigung Naftali Bennetts als Ministerpräsident geht weder, wie die einen glauben mögen, Israel unter noch endet mit der Ablösung Benjamin Netanjahus ein besonders finsteres Kapitel in der Geschichte des 1948 wiedergegründeten jüdischen Staates. Wer den Amtswechsel feiern will, mag den feiern, man sollte sich auch dabei jedoch hüten, Benjamin Netanjahu negativ zu überhöhen.

Der Likud-Politiker ist nämlich kein blutsaufender Despot, der »sein« Land und »seine« Untertanen auspreßt(e) und es darüber ruiniert(e), sondern bei all seinen Fehlern eben auch ein sehr guter und erfolgreicher Regierungschef gewesen. Die vergangenen mehr als 12 Jahre, die Benjamin Netanjahu als Premier und in weiteren Ämtern ganz wesentlich prägte, waren gewiß nicht Israels schlechteste.

Und nicht unverdient ist Benjamin Netanjahu deshalb nach wie vor einer der beliebteren Politiker in Israel, vielleicht gar der beliebteste, nimmt man seine Wahlergebnisse zum Maßstab. Selbst unter arabischen Wählern war er bei der letzten Parlamentswahl Ende März deutlich erfolgreicher als jeder beliebige andere Spitzenkandidat. Und auch dieses Ansehen hat Benjamin Netanjahu sehr wohl verdient.

Freude über den Regierungswechsel ist deshalb nicht unangemessen, gleichwohl sollte sie maßvoll sein. Zeigen der nunmehr ehemalige Premier und seine Anhänger wenig Stil, wenig Respekt vor demokratischen Entscheidungen, sollte man doch nicht versuchen, sie aus Erleichterung über den Regierungswechsel mit Geschmacklosigkeiten zu übertreffen. Ein Peinlichkeitswettbewerb ist überflüssig.

Ende einer Ära

Wenn am Mittwoch für den bisherigen Oppositionspolitiker Yair Lapid die Frist für die Bildung einer regierungsfähigen Koalition abläuft, könnte Israel vor der Vorstellung einer Regierung stehen, in der – abgesehen vom Likud – so ziemlich jedes politische Lager vertreten sein wird, das es in dem jüdischen Staat gibt, selbst die Mitwirkung einer oder mehrerer arabischer Parteien scheint wahrscheinlich.

Nachdem Premier Benjamin Netanjahu vor vier Wochen an der Organisation einer Mehrheit für seinen Verbleib im Amt gescheitert war, deutet sich nun ein Erfolg für Yair Lapid an. Dem liberalen Politiker ist es gelungen, sich lagerübergreifende Unterstützung für ein Bündnis gegen den geschäftsführenden Amtsinhaber zu sichern. Israel könnte von einer sehr »bunten« Regierung geführt werden.

Das einende Ziel, Premierminister Benjamin Netanjahu abzulösen, könnte allerdings auch die größte Schwäche der gleichwohl noch nicht vorgestellten »Einheitsregierung« unter der anfänglichen Führung Yair Lapid sein, der in zwei Jahren das Amt an Yamina-Chef Naftali Bennett weiterreichen soll. Denn außer dem Wunsch, Benjamin Netanjahu abzulösen, verbindet die neuen Partner nicht eben viel.

So scheint inhaltlicher Streit in der neuen Regierung vorprogrammiert, so sie denn tatsächlich gebildet werden wird, Streit, der entweder ihr frühes Scheitern wahrscheinlich macht, oder für einen politischen Stillstand sorgt, wenn kontroverse Themen aus Angst vor ihm nicht angegangen werden. Und so ist die Nachricht vom möglichen Ende der Ära Benjamin Netanjahus leider nur eine bedingt gute.