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Kölner Wahrnehmungsstörung

Wie sehr sich die Schilderungen des gleichen Sachverhalts doch unterscheiden können: Nachrichtet der Deutschlandfunk, »ein Gutachten entlastet die arabische Redaktion der Deutschen Welle vom Vorwurf des strukturellen Antisemitismus«, ist bei der FAZ von einem »gravierenden Befund« zu lesen: »Der Sender hat ein Problem«. Denn das Gutachten bestätige Vorwürfe und gehe »noch darüber hinaus«.

Erweckt man bei dem Kölner Sender den Eindruck, die Deutsche Welle sei von allen Vorwürfen, die im vergangenen Herbst die Süddeutsche Zeitung und das Online-Medium Vice und in der Folge etwa auch Die Welt gegen den aus dem Haushalt des Bundeskanzleramts finanzierten deutschen Auslandssender erhoben hatten, freigesprochen, räumt selbst dessen Führung Fehler und Handlungsbedarf ein.

So veröffentlichte der Sender, der im übrigen wie der Deutschlandfunk zur ARD gehört, einen »10-Punkte-Maßnahmenplan«, während die mit der Untersuchung beauftragten Experten einen »Neuanfang« jedenfalls »in der arabischen Redaktion« der Deutschen Welle empfehlen und die Berufung eines Wertebeauftragten, der die Arbeit des Senders eine stetigen Evaluierung unterziehen soll, anregen.

Auch im Deutschen Bundestag sollen die Vorwürfe gegen den Sender noch einmal thematisiert werden, die von antisemitischen Äußerungen einzelner Mitarbeiter bis hin zur Zusammenarbeit mit arabischen Medien reichen, deren Programme von Antisemitismus geprägt seien. Dabei könnte auch gleich der Versuch des DLF debattiert werden, immerhin »berechtigte Antisemitismusvorwürfe« zu verharmlosen.

Sender Zeesen

Die Deutsche Welle hat am Sonntag mitgeteilt, ihre Zusammenarbeit »mit ihrem jordanischen Medienpartner Roya TV« auszusetzen. »Anlass ist das Bekanntwerden [!] von antiisraelischen und antisemitischen Kommentaren und Karikaturen in den Sozialen Medien«, heißt es in einer Stellungnahme des Senders, der sich »die Förderung einer friedlichen, stabilen Weltgemeinschaft« zum Ziel gesetzt hat.

Damit hat sich über das Wochenende der Antisemitismusskandal um den maßgeblich aus dem Budget des Bundeskanzleramts finanzierten deutschen Auslandssender noch einmal zugespitzt, nachdem bereits in der vergangenen Woche die Süddeutsche Zeitung unter der Überschrift »Ein Sender schaut weg« schwere Vorwürfe gegen zahlreiche arabische Mitarbeiter der Deutschen Welle erhoben hatte.

Ein Trainer der DW-Akademie soll danach etwa den Holocaust öffentlich als »Lüge« bezeichnet, ein Redakteur des Senders sich damit gebrüstet haben, »ein Gespräch in einem Café mit einer Dame abgebrochen zu haben, als er von ihrem jüdischen Glauben erfuhr«. Der für Beirut zuständige Korrespondent des Senders soll offen mit der islamistischen Terrororganisation Hisbollah sympathisiert haben.

Dazu beschreibt die Zeitung ein Klima der Angst, das in dem Sender herrsche, vor allem in dessen arabischer Redaktion. »Kollegen, die Missstände intern angesprochen haben oder in den vergangenen Jahren mit anderen Medien geredet hätten [..] seien als Querulanten gebrandmarkt und geschnitten worden, sagen sie.« Ihren Vorwürfen sei derweil die DW-Führung günstigenfalls halbherzig nachgegangen.

In dieses Bild paßt denn auch dem Umgang des Senders mit Roya TV. Noch am Freitag ließen die »Vertriebs- und Programmverantwortlichen« der Deutschen Welle der Plattform Vice erklären, sie hielten ihren jordanischen Kooperationspartner, den DW-Intendant Peter Limbourg im Mai 2020 mit dem »Freedom of Speech Award« seines Senders ausgezeichnet hatte, »definitiv nicht für israelfeindlich«.

»Israelische Staatsbürger, die bei Raketenangriffen der Terrororganisation Hamas sterben, nennt Roya auf Instagram ›Siedler der israelischen Besatzung‹, ihr Tod wird dadurch indirekt legitimiert. Opfer auf palästinensischer Seite hingegen werden als ›Märtyrer‹ bezeichnet. Die israelische Armee, die Israel Defense Force, nennt man bei Roya TV nur ›Israel Occupation Force‹. Auf Instagram teilt Roya TV mehrmals antisemitische Karikaturen von Landkarten, auf denen Israel ausgelöscht ist.«

Ist es nur eine »unglückliche« Formulierung, daß der Deutschen Welle nach eigener Auskunft nur »das Bekanntwerden von antiisraelischen und antisemitischen Kommentaren und Karikaturen« peinlich ist, nicht diese aber selbst? Bei der Antwort mag ein Blick auf die DW-Website helfen: Dort ist noch immer ein Kommentar zu finden, der Terrorismus als »im Völkerrecht verbriefte[n] Widerstand« legitimiert.