Schlagwort: Claudia Roth

Allerletzte Klappe

Wenn das so intransparent wie üppig vom Staat gemästete Kultur-Establishment Deutschlands eine Kunst beherrscht, dann ist es die der als Heldentat inszenierten Selbstdemontage. Stand man eben noch tapfer auf gegen ein paar blaubraune Nazis und feierte sich für dieses »Engagement für eine freie, tolerante Gesellschaft und gegen Rechtsextremismus«, das »zur DNA der Berlinale gehört« war man kurz darauf so frei, offen in antisemitische Raserei zu verfallen.

Was diese Berlinale zum Problem macht, sind weniger die Ausfälle »Kunstschaffender«, die sich demonstrativ jenen Fetzen über die Schultern hängten, den auch die Kinderschlächter und Vergewaltiger der islamistischen Hamas trugen, als sie am 7. Oktober 2023 bestialisch über ihre jüdischen Opfer herfielen. Das Problem ist die Reaktion des Publikums auf sie: kollektiver Applaus, in den auch mancher einstimmte, der sich jetzt wortreich empört gibt.

Niemand ist aufgestanden und hat widersprochen oder wenigstens den Saal verlassen, als auf offener Bühne schon durch ihren Halstücher erkennbare Hamas-Sympathisanten ihren Antisemitismus auslebten, von einem »Genozid« in Gaza faselten, »Palästina« befreien wollten. Davon, was die islamistischen Barbaren und ihre »zivilen« Helfershelfer am 7. Oktober 2023 anrichteten, ein Pogrom, das sie für ganz Israel planten, allerdings schwiegen diese »Aktivisten«.

Jetzt will Claudia Roth, auch sie gehörte zu den Beifallsspendern, denen es erst nach einer viel zu langen Denkpause gelang, »tiefgehenden Israel-Hass« zu diagnostizieren, als Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien will jetzt »Aufarbeitung« betreiben, Kai Wegner, der Regierende Bürgermeister Berlins, der »angeblich nicht gut Englisch versteht«, kündigte »Gespräche« mit Claudia Roth und der Leitung der Berliner Filmfestspiele an und fordert »Aufklärung«.

Vom »kunstschaffenden« Publikum der Abschlußgala der Berlinale 2024 bleiben derweil nur sein begeisterter Applaus und sein mit jedem Tag seither lauter werdendes Schweigen danach. Es hat ganz offenbar nichts richtigzustellen und nichts zu bedauern. Aber falls mal wieder dekoratives »Engagement für eine freie, tolerante Gesellschaft und gegen Rechtsextremismus« gebraucht werden sollte, all diese »Kunstschaffenden« werden gewiß nicht zögern.

Emanzipation

Zahlreiche Teilnehmer und Gäste haben der im Berliner Kanzleramt angesiedelten Kulturstaatsministerin Claudia Roth am Freitag zur Eröffnung des diesjährigen Jewrovision-Wettbewerbs einen in dieser Form wohl nicht erwarteten Empfang bereitet: Von Pfiffen und Buhrufen begleitet, mußte die sichtlich irritierte Politikerin ihre aus allerlei Floskeln zusammengewürfelte Retortenrede mehrmals unterbrechen.

Jewrovision ist ein seit 2002 jährlich stattfindender Musik- und Tanzwettbewerb jüdischer Jugendzentren in Deutschland, die größte Veranstaltung ihrer Art im Bundesgebiet. Beteiligten sich sechs Jugendzentren an der ersten Jewrovision, nahmen am 20. Wettbewerb (2020 wurde er abgesagt) Talente aus 13 Städten bzw. Bundesländern teil. Ein unverfänglicher Termin, mag die Politikerin angenommen haben.

Spätestens seit der mit Zuwendungen aus ihrem Haus erst ermöglichten antisemitischen documenta fifteen muß sich Claudia Roth Vorwürfe gefallen lassen, mit ihren Entscheidungen einen der wohl bedeutendsten Beiträge der jüngeren Vergangenheit zur Verharmlosung und Verbreitung von Haß auf Juden und den jüdischen Staat geleistet zu haben. Da lag es nahe, sich um eine Einladung zur Jewrovision zu bemühen.

Freilich ging das Kalkül Claudia Roths unüberhörbar nicht auf. Wollte sie sich mit jungen jüdischen Künstlern schmücken und ihr aus eigener Arroganz ruiniertes Ansehen aufpolieren, geriet ihr Auftritt zu einem spektakulären Debakel, das die Selbstherrlichkeit insbesondere dieser Politikerin nur erst recht bloßstellte. Und es drängt sich die Frage auf, weshalb ihr Kanzler Olaf Scholz sie noch im Amt duldet.

Der Protest gegen Claudia Roth in Frankfurt/Main hat aber vor allem gezeigt, daß sich junge Juden nicht als Statisten einer Politik vereinnahmen lassen wollen, deren alltägliche Entscheidungen noch immer die Bekenntnisse ihrer Sonn- und Gedenktagsreden dementieren und durchaus nicht selten jüdisches Leben in Deutschland, aber auch anderswo in Gefahr bringen. Claudia Roth ist nämlich leider kein Einzelfall.

Kulturgut

Die Tageszeitung Die Welt veröffentlichte vor einigen Tagen auf ihrer Website eine E-Mail, die tiefe Einblicke in das Denken der Führung einer direkt beim deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz angesiedelten »obersten Bundesbehörde mit rund 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern« erlaubt. Das »so von StM’in gebilligt[e]« Dokument zeigt, wie Antisemitismus in deutschen Regierungskreisen verharmlost wird.

Formuliert hat die Nachricht an verschiedene Beteiligte der damals noch nicht eröffneten documenta fifteen Andreas Görgen, Ministerialdirektor bei Staatsministerin (»Stm’in«) Claudia Roth, der sogenannten Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, um Gespräche mit ihnen über Antisemitismusvorwürfe gegen die durch Mittel des Bundes erst ermöglichte »Kunstausstellung« in Kassel vorzubereiten.

Ist es noch kein Menschenalter her, daß Antisemitismus, deutscher Antisemitismus zur Auslöschung nahezu der gesamten jüdischen Population Europas führte, wird der Haß auf Juden und den jüdischen Staat in dem »so von StM’in gebilligt[en]« Schreiben als eine bloße Frage von Meinungs- oder Kunstfreiheit erörtert, die es – ausgerechnet unter Berufung auf den Nationalsozialismus – zu wahren und zu verteidigen gelte.

»Die Träger und Förderer der documenta könnten«, empfiehlt Andreas Görgen da in nicht eben unfallfreiem Deutsch, »unterstreichen, dass die documenta als Kunst-Ausstellung unter dem Schutz des GG und einen internationalen Raum der Kunst in Deutschland schafft. Diese Tradition der documenta, gerade in einem Land, das sich wie kein anderes an der Freiheit der Kunst vergangen hat, soll die documenta fortsetzen«.

Diese beiden Sätze, die exemplarisch stehen für den Tonfall des gesamten Dokuments, sind entlarvend: Sie zeigen, daß im Bundeskanzleramt Antisemitismus nicht als der mörderische Haß gilt, der er ist, sondern als – schlimmstenfalls wohl lästige – Meinung – und als solche vor staatlichen und sonstigen Eingriffen zu beschützen sei. Der Mord an 6 Millionen Juden war danach wohl nur ein unangenehmer Diskussionsbeitrag.

Das auf den 17. Januar 2022 datierte Schreiben hatte für Andreas Görgen so wenig negative Folgen wie für dessen Vorgesetzte, StM’in Claudia Roth. Die documenta fifteen konnte, obgleich »der Antisemitismus bei dieser documenta von Anfang an strukturell angelegt war«, wie der Zentralrat der Juden in Deutschland analysierte, so lange stattfinden wie geplant. In Deutschland steht Antisemitismus unter dem Schutz des GG.

Grüne Hybris

In der ehemaligen (west-)deutschen Hauptstadt Bonn veranstaltet die Partei Bündnis 90/Die Grünen an diesem Wochenende eine Bundesdelegiertenkonferenz, in deren Rahmen es sich auch Claudia Roth in ihrer Eigenschaft Staatsministerin für Kultur und Medien nicht nehmen lassen wollte, sich und ihr gleichwohl begeistertes Publikum mit einem von bizarrem Selbstlob geprägten Auftritt bloßzustellen.

Freilich sind Parteitage gewiß ganz allgemein weniger von Selbstkritik geprägt. Öffentlich zu erklären, »niemand, liebe Freundinnen und Freunde, keine andere Partei ist besser auf diese Zeit vorbereitet als wir Grüne es sind«, dafür Beifall zu erwarten – und auch zu bekommen -, diese Selbstherrlichkeit sucht ihresgleichen. Hat Claudia Roth, hat ihre Partei schon die documenta fifteen vergessen?

Als Staatsministerin hat Claudia Roth trotz so begründeter wie deutlicher Warnungen nicht verhindert, daß die hunderttägige Antisemitismusschau in Kassel eröffnet und – mit Millionen aus Berlin gefördert – bis zu ihrem geplanten Ende durchgeführt wurde. Zwar zeigte sie etwas, das wohl Einsicht darstellen sollte, doch kaum hatte sie Besserung gelobt, jubelte Claudia Roth schon über den Nobelpreis für Annie Ernaux.

Daß »eine der großen europäischen Schriftstellerinnen der Gegenwart« sich als regelmäßige Unterstützerin der BDS-Bewegung betätigt, übersah Claudia Roth dabei. Doch auch damit trug sie zur Bagatellisierung von Antisemitismus bei, dazu, daß der Haß, den in Europa zwischen 1933 und 1945 6 Millionen Juden mit ihrem Leben bezahlten, inzwischen als – schlimmstenfalls etwas exzentrische – »Meinung« gilt.

Eine deutsche Politikerin und eine Partei, die sie und sich auch und gerade vor diesem Hintergrund als »besser auf diese Zeit vorbereitet« feiert als alle anderen, haben jede Bodenhaftung verloren. Ihre Arroganz ist so entlarvend wie abstoßend. Vor allem aber ist diese so offen zur Schau getragene Selbstherrlichkeit gefährlich. Wer auf grüne Moral und Werte als Lösung wofür auch immer hofft, dem ist nicht zu helfen.