Schlagwort: Zivilisation

Das Problem

Der israelische Außenminister Eli Cohen erntet Kritik dafür, daß er ein Treffen mit seiner libyschen Amtskollegin in Italien zumindest kurzzeitig öffentlich gemacht hat. Und in der Tat hätte er wohl ahnen können, was er damit auslöst. Von ihm als erster Schritt zu einer Normalisierung der libysch-israelischen Beziehungen präsentiert, hat er mit seiner Mitteilsamkeit womöglich mehr Schaden angerichtet als Nutzen gestiftet.

In Libyen versammelten sich antisemitische Mobs, um wegen des Treffens zu randalieren. Najla Mangoush wurde prompt ihres Amtes enthoben, immerhin konnte sie Libyen noch unverletzt verlassen und sich in Sicherheit bringen. Der Normalisierungsprozeß zwischen Libyen und Israel, so es ihn gab, dürfte zumindest vorerst und auf einige Zeit pausieren. Doch auch weitere Normalisierungsversuche dürften stocken.

Zweifellos hätte Eli Cohen professioneller handeln können, gleichwohl ist sein Mitteilungsbedürfnis gewiß nicht das eigentliche Problem. Denn der Vorfall zeigt vor allem die Virulenz des Antisemitismus auf, der in zu vielen Teilen der Welt eben auch dafür sorgt, daß, wer auf zivilisierte Weise mit Juden Umgang pflegt, um sein Leben fürchten muß. Nicht Eli Cohens Gesprächigkeit bedroht Najla Mangoush, sondern Antisemiten.

Die Führung in Tripolis biederte sich mit der Entlassung Najla Mangoushs bei einem Mob an, dessen Antrieb der Haß auf Juden ist, der wiederum selbst da, wo er eingehegt oder gar überwunden scheint und jedenfalls in Sonntagsreden geächtet, viel zu oft verharmlost und ignoriert wird. Nicht die Annäherung an Israel sollte riskant sein in einer Welt, die eine zivilisierte sein will, sondern der ganz bewußte Verzicht darauf.

Siegesfeier

Das islamistische Regime in Teheran, jenes, mit dem Washington sich jüngst hergab, einen schmutzigen Menschenhandel abzumachen, feiert sich in diesen Tagen als das Zentrum einer »Achse des Widerstands«, die an vielen Fronten »Sieg« auf »Sieg« erringt. Wo immer die Kräfte der »Achse« zuschlagen, ob in Syrien, dem Irak, dem Libanon oder anderswo, sind sie, begeistern sich die Tehran Times, erfolgreich.

Wer wissen möchte, um was für ein Regime es sich bei dem in Teheran handelt, dem jetzt der amerikanische Präsident Joe Biden noch einen weiteren milliardenschweren Erfolg bescherte, dem sei die Lektüre der im Vergleich zu anderen iranischen Sprachrohren als »gemäßigt« geltenden »Tageszeitung« empfohlen. Offen feiert das Blatt etwa die »Siege« der Hisbollah in den letzten größeren Auseinandersetzungen mit Israel.

Auf einer ganzen Seite darf sich da ein als »Kommandeur« der Hisbollah vorgestellter Sayyid Haidar an den Juli 2006 erinnern. Die Hamas überzog damals den Süden Israels mit Raketen, während die Hisbollah vom Libanon aus im Schutz eines Ablenkungsangriffs auf den Norden des jüdischen Staates mehrere seiner Soldaten in den Libanon verschleppte und damit einen Krieg auslösten, der gut einen Monat andauern sollte.

Wollte die Hisbollah mit ihren Geiseln in Israel inhaftierte Terroristen freipressen, machte Jerusalem den Islamisten einen Strich durch die Rechnung. Statt eines Verhandlungsangebots setzte Jerusalem auf den Einsatz seiner Streitkräfte. Die zerstörten von der Hisbollah genutzte Infrastruktur, die die Islamisten auch und gerade in bewohnten Gegenden unterhielt, schalteten zahlreiche Terroristen aus, töteten aber auch Zivilisten.

Als der »33-Tage-Krieg« im August 2006 in einen Waffenstillstand mündete, der seither mal mehr, mal weniger hält, hatten – nach Angaben aus Beirut – bis zu 1.300 Libanesen ihr Leben verloren, waren etwa eine Million Libanesen zu Flüchtlingen im »eigenen« Land geworden, nur etwas weniger als 20 Prozent der Gesamtbevölkerung, waren auch große Teile libanesischer ziviler Infrastruktur in Mitleidenschaft gezogen worden.

Von diesem und weiteren verheerenden »Siegen« der Hisbollah, von dem die Tehran Times und das Regime, das sie verantwortet, so schwärmen, hat sich der Libanon bis heute nicht erholt. Mit seinem erbärmlichen Kniefall vor Teheran, der gleichzeitig einer vor der von dort gesteuerten »Achse des Widerstands« ist, hat Präsident Joe Biden den Weg in weitere »Siege« geebnet, den Triumph der Barbarei über Vernunft und Zivilisation.

Barbarenfest

Erwartet werden Angela Merkel, ehemalige Kanzlerin, und Ursula von der Leyen, die amtierende Präsidentin der Europäischen Kommission, angesagt haben sich Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur, Bettina Stark-Watzinger, Ministerin für Bildung und Forschung, und weitere deutsche Prominenz. In brachiale Klänge gegossener Antisemitismus hat nichts an seiner Attraktivität eingebüßt im Land der Dichter und Henker.

Im bayerischen Bayreuth werden am Dienstag die diesjährigen Festspiele eröffnet, mit denen wie in den über hundert Jahren zuvor nur einer geehrt und gefeiert wird: Richard Wagner, der sich seinen Ruf, zeitlebens ein glühender Antisemit gewesen zu sein, nicht nur mit wüster Hetztraktaten gegen »den Einfluß der Juden auf unsere Musik«, sondern auch mit deshalb garantiert deutschen Kompositionen redlich erworben hat.

Und alle Jahre wieder sind die Bayreuther Festspiele, an deren Finanzierung neben Bayreuth selbst auch der Freistaat Bayern und die Bundesrepublik Deutschland zu nicht unwesentlichen Teilen beteiligt sind, ein Gradmesser dafür, was Bekenntnisse wert sind, in denen Antisemitismus »auf das Schärfste« verurteilt und konstatiert wird, der in Deutschland besonders mörderische Haß auf Juden habe »bei uns keinen Platz«.

Jene Werke, mit denen »Ärzte« in Konzentrationslagern die Opfer ihrer »medizinischen« Versuche zusätzlich folterten und zugleich deren Schmerzensschreie übertönten, sollten in zivilisierten Gesellschaften selbstverständlich geächtet sein, jedenfalls nicht Gegenstand öffentlicher Förderung. In Deutschland freilich vermag man zu »differenzieren«, »Künstler« oder gar »Genie« und Werk zu trennen und unbeschwert zu genießen.

Frage der Selbstachtung

Haben »palästinensische« Terroristen in den vergangenen Tagen an verschiedenen Orten in den umstrittenen Gebieten mal mit mehr, mal mit weniger »Erfolg« versucht, israelische Zivilisten und Sicherheitskräfte anzugreifen und zu ermorden, herrscht ein unübersehbar breiter internationaler Konsens, nicht etwa die terroristische Gewalt bedingungslos zu verurteilen, sondern sie zu rechtfertigen oder offen zu unterstützen.

Während terroristische Angriffe auf als Juden attackierte Menschen offenbar als deren persönliches Lebensrisiko hingenommen werden, wird Jerusalem öffentlich unterstellt, sein Vorgehen gegen den Terrorismus sei unangemessen oder verstoße gar gegen »Internationales Recht«. Wohl noch kein Terrorist, keine terroristische Organisation wurde aufgefordert, »zu deeskalieren« – und damit indirekt für Gewalt verantwortlich gemacht.

Der Rechtsstaat Israel hingegen wird hemmungslos ermahnt, »humanitäres Völkerrecht« zu achten, von dem zumindest insbesondere europäische »Mahner«, mißt man ihre Taten etwa an den eigenen Grenzen an ihren Worten, seltsame Vorstellungen zu haben scheinen. Israel freilich wird selbst noch für die Taten jüdischer Extremisten verantwortlich gemacht, zu deren ersten Opfern auch israelische Sicherheitskräfte zählen.

Institutionen mit hochtrabenden Namen verraten so tagtäglich, Vorstellungen und Werte, die zu bewahren sie vorgeben. Sie blamieren dabei zivilisatorische Grundwerte und signalisieren deren Gegnern und Feinden eine Kapitulationsbereitschaft, die gerade der jüdische Staat sich keineswegs leisten kann und leisten will. Gesellschaften jedoch, die nicht bereit oder willig sind, dem Vorbild Israel zu folgen, geben sich selbst auf.

Kollektive Selbstdemontage

Vor 20 Jahren von einem israelischen Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt, ist der »palästinensische« Terrorist Nasser Abu Hamid nun einem Krebsleiden erlegen. Der Mitgründer der Al-Aksa-Märtyrerbrigaden der Fatah, der dominierenden »Fraktion« innerhalb der terroristischen PLO, war an mehreren Mordanschlägen beteiligt, darunter dem Lynchmord an israelischen Reservisten in Ramallah 2000.

Während zivilisiertere Menschen das Ableben von Terroristen schlimmstenfalls zur Kenntnis nehmen, nutzen die »Palästinenserführungen« in Ramallah und Gaza den Tod des »Märtyrers«, zu Angriffen auf Israel, dem die Fatah gar die »Ermordung« Nasser Abu Hamids vorwirft, während die Hamas ankündigte, seinen Tod »rächen« zu wollen. Die PLO des »Präsidenten« Abu Mazen rief zu »Tagen der Wut« auf.

In vielen Orten der umstrittenen Gebiete inszenieren die jeweiligen Statthalter des antisemitischen Regmies in Ramallah »Massendemonstrationen«, auf denen Gewalt gegen Juden gefeiert wird, ein »Generalstreik« soll das öffentliche Leben zum Erliegen bringen. In ihrer haßerfüllten »Trauer« um den »Gefangenenführer« zeigt die »palästinensische« Gesellschaft ihren ganzen zivilisatorischen Nachholbedarf.

Ein »Volk«, das ob des Todes eines Erzterroristen derart in Rage gerät und »Rache« fordert, statt an und über sich selbst zu erschrecken, disqualifiziert sich selbst als ernstzunehmender und zu respektierender Verhandlungspartner über einen möglichen Frieden. Und da spielt es auch keine besondere Rolle, wer gerade in Jerusalem regiert. Das Problem sind die, die einen Nasser Abu Hamid zum »Helden« erklären.

Zumutung

In diesen Stunden wird in New York die 77. Vollversammlung der Vereinten Nationen eröffnet, unter deren Teilnehmern die Vertreter demokratisch verfaßter Staaten wieder eine Minderheit bilden, die freilich gerade noch groß genug sein dürfte, daß die von ihrer Legitimität ausgehende Attraktivität leider auch all die anderen Despoten, Diktatoren und sonstigen unappetitlichen Gestalten an den UN-Sitz lockt.

Verfügten die einen über mehr als bloß ein Mindestmaß an Selbstachtung, sie entzögen mit der ihnen zustehenden Souveränität der sich in New York anbahnenden Farce die Unterstützung und damit Massenmördern wie etwa einem Ebrahim Raisi die Bühne. Ein Scheusal wie der »Präsident« des islamistischen Regimes in Teheran dürfte es nicht wagen, die Grenzen seines Herrschaftsbereichs zu überqueren.

Muß der »Schlächter von Teheran«, dessen Regime seinen menschenverachtenden Charakter gerade wieder blutig unter Beweis stellt, allerdings nicht mehr fürchten als – wenn überhaupt – ein paar verschwurbelt mahnende Worte eines Olaf Scholz oder gar einer Annalena Baerbock, die sich vorgenommen hat, in New York »gemeinsame Lösungen für globale Probleme [zu] finden«, wird die Welt bleiben was sie ist.

Was kann es für einen zivilisierten Menschen überhaupt für »Gemeinsamkeiten« geben mit einem wie Ebrahim Raisi, der mit seinen blutbefleckten Händen doch für nichts anderes steht als für religiös verbrämten Terror, für Barbarei? Die Vollversammlung der Vereinten Nationen ist – wie die gesamte Weltorganisation in ihrer jetzigen Verfaßtheit – vieles, aber ganz gewiß keine Schmiede menschlichen Fortschritts.

Ethnopluralisten

Nach der Rückkehr der islamistischen Barbarei nach ganz Afghanistan hat Sigmar Gabriel, langjähriger Vorsitzender der SPD und bis März 2018 deutscher Außenminister, in einem Interview scheinbar selbstkritisch gefragt, »warum hat der Westen versucht, sehr idealistisch, Nation Building zu betreiben in einem Land, das völlig anders ist als die europäischen Staaten oder die Vereinigten Staaten«.

Nur kurz zuvor hatte auch der amerikanische Präsident Joe Biden versucht, mit ressentimentgeladener Rhetorik von der Inkompetenz seiner Regierung abzulenken und Afghanen alleinverantwortlich zu machen für die blamable Flucht des Westens vor den Taliban. Aus beiden Äußerungen spricht eine Arroganz, ein Chauvinismus, der derzeit Afghanen jede Reife abspricht, allein weil sie Afghanen sind.

Ganz so, als dokumentierten nicht eine breite Fluchtbewegung, aber auch regionaler Widerstand gegen die Rückkehr der Islamisten an die Herrschaft die Attraktivität westlicher Wertevorstellungen jedenfalls für nicht eben wenige Menschen in Afghanistan, versuchen Joe Biden wie Sigmar Gabriel, Menschen in ein Kollektiv zu pressen, das einfach noch nicht weit genug ist für die Zivilisation.

Sie entlarven damit nicht bloß ihre eigene Engstirnigkeit, sondern alle Vorstellungen, die allen Menschen gleiche individuelle Rechte zubilligen. Afghanen sind in ihrer Vorstellung als Afghanen offenbar nicht »reif« genug für eine Demokratie, Chinesen kommen vermutlich alle als Kommunisten zur Welt etc., das jeweilige Land ist für sie »völlig anders« und damit das Schicksal dort Lebender besiegelt.

Statt für zivilisatorische Errungenschaften einzutreten, propagieren sie mit ihren Äußerungen ein Menschenbild, das bereit ist, Unterschiede da zu akzeptieren, wo sie schlicht nicht akzeptabel sind. Sind Menschen, die aus einem »Land, das völlig anders ist«, emigrieren, überhaupt »integrierbar«? Oder müssen sie, um »ihre« wie »unsere Identität« zu wahren, ferngehalten, zurückgeschickt werden?