Schlagwort: Deutscher Bundestag

Deutscher Weg

Im Deutschen Bundestag wurde in dieser Woche eine von den Unionsfraktionen eingebrachter Antrag verhandelt, das Parlament möge die Regierung in Berlin auffordern, »das iranische Terrorregime effektiv [zu] sanktionieren und so die iranische Revolutionsbewegung aktiv [zu] unterstützen«. Mit einer ähnlichen Beschlußvorlage waren die oppositionellen C-Fraktionen bereits im Dezember gescheitert.

Während das Europäische Parlament kurz zuvor eine Ächtung der iranischen Pasdaran (IRGC) als terroristische Organisation verlangt hatte, überboten sich die Vertreter der Regierungsfraktionen im deutschen Parlament an diesem Donnerstag mit kreativen Ausflüchten, weshalb sie bei aller Sympathie für die iranische Oppositionsbewegung dem Antrag der Unionsfraktionen erneut nicht zustimmen würden können.

Ihre Argumente reichten dabei von Vorwürfen der Heuchelei an die Unionsparteien, die womöglich nicht einmal völlig unberechtigt sind, über die Behauptung, eine Ächtung der Pasdaran als Terrororganisation sei wirkungslos oder auf europäischer Ebene, denn nur auf dieser sei es sinnvoll, gar nicht durchsetzbar, bis hin zu Vorträgen darüber, was Berlin schon alles in die Wege geleitet habe, Teheran zu sanktionieren.

Am bizarrsten und entlarvensten freilich war der Auftritt des Abgeordneten Eugen Schmidt, der für die Fraktion der »Alternative für Deutschland (AfD)« sprach. Er wolle »nicht kritisieren«, »wie im Tausende Kilometer entfernten Iran der Islam praktiziert« werde, gab der Alternativdeutsche zu Protokoll und nannte Forderungen nach einem »Regierungswechsel im Iran« danach auch noch ernsthaft »erschreckend«.

Neben dieser Heranwanzerei an das islamistische Regime in Teheran mußte der Vortrag Janine Wisslers, sie steht der Partei Die Linke vor, wohl weitgehend farblos bleiben und in der nahezu staatstragenden Forderung gipfeln, es müsse »konsequent vorgegangen werden, um das Wirken des iranischen Staates und seines Geheimdienstes in Deutschland zu unterbinden«. Zu retten vermochte sie jedoch auch nichts mehr.

Der Antrag der Unionsfraktionen wurde »an die Ausschüsse« überwiesen und damit eine weitere Gelegenheit verpaßt, ein auch in Teheran unübersehbares Signal gegen die Herrschaft der Mullahs auszusenden. Der deutsch-iranische Handel floriert derweil mit wachsender Tendenz weiter, wenn auch nicht mehr ganz auf früherem Niveau. Der Deutsche Bundestag hat deutlich gemacht, an wessen Seite er steht.

Organversagen

Der Deutsche Bundestag hat mehrheitlich eine Resolution beschlossen, mit der die Parlamentarier die »gezielte und massenhafte Tötung von Menschen durch Hunger« in der Ukraine durch die »politische Führung der Sowjetunion unter Josef Stalin« als einen »Völkermord« bewerten und verurteilen wollen, der »in Deutschland und der Europäischen Union [..] bislang nur wenigen Menschen bekannt« sei.

Erzielte eine im Dezember 2018 beim deutschen Parlament eingereichte Petition, mit der die Volksvertreter aufgefordert wurden, den Holodomor als Genozid einzustufen, zwar auf die notwendige Anzahl an Unterzeichnern, dennoch befaßte sich der Bundestag aber nie mit ihr. Die Petition befindet sich noch immer »in der Prüfung«. Auch frühere Regierungen wollten sich zu dem Thema nicht festlegen.

Und in der Tat ist es unter Historikern umstritten, ob der Holodomor seriös als (versuchter) Völkermord zu bezeichnen ist. Es ist daher durchaus bemerkenswert, daß sich die Regierungsfraktionen sowie die Abgeordneten der Unionsparteien jetzt in der Lage zu einer recht unzweideutigen Einschätzung sahen. Gänzlich indiskutabel ist dabei freilich ihre Instrumentalisierung und Relativierung des Holocaust.

Ist es womöglich noch akzeptabel, leiten die Parlamentarier, wie sie es formulieren, »aus Deutschlands eigener Vergangenheit eine besondere Verantwortung ab, innerhalb der internationalen Gemeinschaft Menschheitsverbrechen kenntlich zu machen und aufzuarbeiten«, müssen sie sich gleichwohl fragen lassen, weshalb sie ihre Resolution erst und gerade jetzt einbringen wollten und beschließen konnten.

Auf einem Irrweg befinden sie sich aber jedenfalls, betonen sie – richtigerweise – die »historische Singularität« des Holocaust, gestatten sich dann aber, sie zu bestreiten, indem sie erklären, beide, Holodomor und Holocaust, gehörten in »in die Liste menschenverachtender Verbrechen totalitärer Systeme, in deren Zuge vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa Millionen Menschenleben ausgelöscht wurden«.

Damit leisten sie nicht bloß einer ahistorischen Gleichsetzung von Stalinismus und Nationalsozialismus Vorschub, sondern relativieren insbesondere die von Deutschen und ihren Helfershelfern begangenen Verbrechen am europäischen Judentum. Sie hätten besser vor ihrem Votum einen Blick in die ebenfalls am Mittwoch vorgestellte »Nationale Strategie gegen Antisemitismus« ihrer Bundesregierung riskiert.

Mission Aufarbeitung

»Der Holodomor fällt in eine Periode massivster, in ihrer Grausamkeit bis dahin unvorstellbarer Menschheitsverbrechen auf dem europäischen Kontinent. Zu diesen gehören der Holocaust an den europäischen Jüdinnen und Juden in seiner historischen Singularität, die Kriegsverbrechen der Wehrmacht und die planmäßige Ermordung von Millionen unschuldiger Zivilistinnen und Zivilisten im Rahmen des rassistischen deutschen Vernichtungskriegs im Osten, für die Deutschland die historische Verantwortung trägt. Orte wie Wola, Babyn Jar oder Leningrad stehen für diese unzähligen Verbrechen. Der Deutsche Bundestag leitet aus Deutschlands eigener Vergangenheit eine besondere Verantwortung ab, innerhalb der internationalen Gemeinschaft Menschheitsverbrechen kenntlich zu machen und aufzuarbeiten.«

(Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP: Holodomor in der Ukraine: Erinnern – Gedenken – Mahnen)

Bedingt abwehrbereit

Nachdem am Samstag Dutzende Rechtsextremisten versuchten, den Reichstag in Berlin zu stürmen und nur mit Mühe aufgehalten werden konnten, gibt sich die deutsche Politik nahezu geschlossen empört. Stellvertretend für sie erklärte Präsident Frank-Walter Steinmeier, »Reichsflaggen und rechtsextreme Pöbeleien vor dem Deutschen Bundestag sind ein unerträglicher Angriff auf das Herz unserer Demokratie«.

So berechtigt das Entsetzen über den Anblick von Reichsfahnen vor dem Parlamentssitz in der deutschen Hauptstadt allerdings auch sein mag, der zeitweise von nur noch drei Polizisten gegen den braunen Mob verteidigt wurde, so wenig sollte es davon ablenken, daß auch die, die sich jetzt ähnlich äußern wie das Staatsoberhaupt, am Wochenende nicht eben als wehrhafte Demokraten auffielen.

Denn sie waren einfach nicht da. Der Deutsche Bundestag macht seit Anfang Juli Ferien, die nächste Sitzungswoche beginnt am 7. September. Zwei Monate lang ruhte dann der parlamentarische Betrieb, acht Wochen, in denen es nicht an Themen für Debatten mangelte. Die Covid-19-Pandemie und die oftmals einschneidenden Folgen ihrer hysterischen Bekämpfung boten genügend Gesprächsstoff.

Doch ausgerechnet in einer Zeit, in der Grundrechte teils massiv eingeschränkt wurden und werden, in der parlamentarische Kontrolle der Regierung zweifellos nötiger ist als sonst, verabschiedeten sich die Parlamentarier in die Sommerpause. Und so waren sie denn auch nicht am Sonnabend da, als »das Herz unserer Demokratie« attackiert wurde, sondern – drei Polizisten, die nach Verstärkung riefen.

Welche Symbolkraft hätten Bilder von Abgeordneten entfalten können, die sich gemeinsam mit den Sicherheitskräften dem Reichs-Pöbel in den Weg stellen. Welche Wirkung könnte darüber hinaus ausgehen von einem Parlament, das im Ausnahmezustand tagt und sich den aktuellen Problemen widmet, die er verursacht. Die hochgelobte wehrhafte Demokratie – ihr Herz schlägt doch nur im Sommertakt.

Exklusive Sorgen

Während sich am vergangenen Mittwoch eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestags demonstrativ Sorgen machte über die Gefahren, die von jüdischer nationaler Selbstbestimmung für Frieden und Stabilität im Nahen Osten oder sogar der ganzen Welt ausgehen könnten, verkündete an anderer Stelle Philippe Lazzarini, der neueste Chef der UNRWA, Hiobsbotschaften.

Das »Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten« ist nach Überzeugung der Regierung in Berlin, der sie tragenden Parteien sowie weiten Teilen der parlamentarischen Opposition »ein unverzichtbarer Stabilitätsfaktor für die Region«. Doch diesem »Stabilitätsfaktor«, so Philippe Lazzarini an diesem Mittwoch, droht das dringend benötigte Geld auszugehen.

Während zwar der politische Rückhalt für seine Organisation groß sei, fehle es doch noch immer an der Bereitschaft, dieser »unerschütterlichen politischen Unterstützung« durch die Einhaltung finanzieller Zusagen Ausdruck zu verleihen. Und so sei derzeit sehr ungewiß, ob die UNRWA ihren Verpflichtungen ihren auf Hilfe angewiesenen Schützlingen gegenüber noch lange nachkommen könne.

Es droht also ein Kollaps dieses angeblich »unverzichtbaren Stabilitätsfaktors« mit bestimmt unabsehbaren Folgen für die Region, aber auch Europa und Deutschland, die ja in deren Nachbarschaft liegen. Und dieser Kollaps wäre, so deutete es Philippe Lazzarini jedenfalls an, vergleichsweise einfach zu verhindern: Nämlich durch großzügige finanzielle Zusagen und deren verläßliche Einhaltung.

Damit aber wollten die deutschen Parlamentarier sich nicht beschäftigen. Statt über die UNRWA zu debattieren, darüber, welchen weiteren Beitrag ihr Deutschland zum Erhalt dieses »unverzichtbaren Stabilitätsfaktors« leisten könnte, prangerten sie Jerusalem für etwas an, das noch gar nicht geschehen ist. Sorgen haben sie offenbar nur, wenn sie glauben, Israel dafür verantwortlich machen zu können.

Falsche Freunde

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags in Berlin haben am Mittwoch etwa eine halbe Stunde lang mehrere Resolutionen debattiert, in deren Mittelpunkt Pläne der Regierung in Jerusalem standen, von Juden bewohnte Orte in den umstrittenen Gebieten unter israelische Souveränität zu stellen. Ein Vorhaben, das die meisten deutschen Parlamentarier ablehnen, allen voran ihr Außenminister.

Heiko Maas, der die Debatte mit seiner Rede für Bundesregierung und SPD-Fraktion eröffnete, gab dabei ein Niveau vor, dem jede Sachlichkeit abging. Günstigenfalls demonstrierte der sozialdemokratische Politiker Ahnungslosigkeit, wahrscheinlicher aber handelte er vorsätzlich, als er den Abgeordneten erklärte, weshalb er die Pläne der israelischen Einheitsregierung ablehnt und verurteilt.

Sollte Jerusalem sein Vorhaben umsetzen, behauptete Heiko Maas ernsthaft gleich zu Beginn seines Auftritts, »stehen die Friedensvereinbarungen von Oslo auf dem Spiel«. Das muß zwar nicht einmal eine falsche Behauptung sein, taugt als Argument aber nur, ignoriert man, was »Präsident« Abu Mazen am 19. Mai in Ramallah verkündete – das Ende aller Abkommen mit Israel mit sofortiger Wirkung.

Damit ist Oslo bereits seit dem 19. Mai hinfällig, einseitig für nichtig erklärt durch Abu Mazen, den Heiko Maas auch als Mahmoud Abbas kennen dürfte: »Die Palästinensische Befreiungsorganisation und der Staat Palästina sagen sich von heute an von allen Verträgen und Vereinbarungen mit den Regierungen der USA und Israels los, sowie von allen Verpflichtungen, die aus diesen hervorgehen«.

Und Ramallah beendete denn auch konsequent die Sicherheitskooperation mit Israel, weigerte sich unter ausdrücklicher Berufung auf den 19. Mai, von Israel im Einklang mit diesen Abmachungen stellvertretend eingenommene Steuern und Abgaben entgegenzunehmen, und stellte – mit tödlicher Konsequenz – die Mitwirkung bei der Organisation von Operationen für »Palästinenser« in Israel ein.

Nichts davon jedoch erwähnte Heiko Maas auch nur. Er prangerte Israel nicht nur für etwas an, das Jerusalem jedenfalls noch gar nicht vorgeworfen werden kann – die Große Koalition in der israelischen Hauptstadt hat noch nicht mit der Umsetzung ihrer Pläne begonnen -, sondern für etwas, das die »Palästinenserführung« längst vollzogen hat. Heiko Maas beendete seinen Auftritt mit den Worten:

»Deutschland fühlt sich Israel verpflichtet, das ist ein Teil unserer historischen Verantwortung. Das gilt aber genauso für die Einhaltung der Grundsätze des Völkerrechts. Und wenn sich daraus ein Konflikt ergeben sollte, dann müssen wir das auch aushalten. Dazu zu schweigen ist keine Alternative. Das werden wir auch nicht. Und das müssen dann auch die aushalten, die dafür verantwortlich sind.«

Und jene deutschen Politiker und Parlamentarier, die dem jüdischen Staat mit double standards begegnen, ihn verleumden und verurteilen, statt ihn gegen die Angriffe seiner erklärten Feinde zu verteidigen oder sich wenigstens jeden Kommentars zu enthalten, werden es aushalten müssen, als das bezeichnet zu werden, was sie sind. Dazu nämlich zu schweigen, das ist bestimmt keine Alternative.

Deutsche Einheit

Am Mittwoch wollen die Abgeordneten des Deutschen Bundestags über derzeit zwei Anträge beraten, die sich wohl mehr oder minder kritisch mit der israelischen Sicherheitspolitik auseinandersetzen werden. Während ihre Kollegen in Brüssel schon Sanktionen gegen Jerusalem fordern, machen die deutschen Parlamentarier freilich noch ein Geheimnis um den Wortlaut ihrer Beschlußvorlagen.

Die Fraktionen der Regierungsparteien wollen, das immerhin ist bekannt, ihren Antrag »Frieden, Sicherheit und Stabilität im Nahen Osten fördern – am Ziel der Zweistaatenlösung festhalten« überschreiben, die Fraktion der Partei Die Linke ihren »Annexion von Teilen des Westjordanlandes verhindern – Friedenslösung im Nahen Osten retten«. Ihr »israelkritischer« Duktus zumindest eint sie.

Am 1. Juli könnte Israel damit beginnen, einen von der amerikanischen Regierung vorgelegten Plan zur Beendigung des »palästinensisch«-israelischen Konflikts umzusetzen. Ob und in welcher Form es dazu kommt, steht gleichwohl noch in den Sternen. Die Regierungsfraktionen sind sich dennoch bereits sicher, daß dadurch »Frieden, Sicherheit und Stabilität im Nahen Osten« in Gefahr geraten.

Ihre Kollegen von der Partei Die Linke sehen das prinzipiell wenig anders, machen nur etwas offener klar, wen sie für das Friedenshindernis »im Nahen Osten« halten. Beide Anträge erklären schon in ihren Überschriften ausgerechnet Israel, das bereits vor seiner (Wieder-)Gründung 1948 Ziel einer bis heute andauernden arabisch-»palästinensischen« Aggression war, zum eigentlichen Störenfried.

Tatsächlich gießen die deutschen Parlamentarier mit ihrer »Israelkritik« Öl in jenes Feuer, das löschen zu wollen sie eben doch bloß vorgeben. Ihre öffentliche Voreingenommenheit gegenüber Jerusalem (und Washington) stärkt natürlich eine »Palästinenserführung«, die sich noch immer zum antisemitischen Terror bekennt und seit Jahrzehnten jede ernsthafte Verhandlung mit Jerusalem verweigert.

Bloßstellende Antwort

Die Regierung in Berlin hat Vorwürfe zurückgewiesen, eine vom Deutschen Bundestag im Mai des vergangenen Jahres beschlossene Resolution gegen die BDS-Bewegung könne Grundrechte wie Meinungs-, Versammlungs- oder Vereinigungsfreiheit einschränken. Den Vorwurf hatte im Oktober 2019 das »Hochkommissariat für Menschenrechte« der Vereinten Nationen in einem Brief erhoben.

In dem Schreiben, das mehrere UN-Sonderberichterstatter unterschrieben hatten, klagten die Unterzeichner, der Beschluß des Bundestags, der als antisemitisch charakterisierten BDS-Bewegung keine offizielle Unterstützung zukommen lassen zu wollen, setze »einen besorgniserregenden Trend [..], die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit unverhältnismäßig einzuschränken«.

In ihrer Erwiderung, für die das von Heiko Maas geführte Auswärtige Amt verantwortlich zeichnet, stellt die deutsche Regierung sich nun freilich günstigenfalls halbherzig hinter das Parlament und dessen Resolution. Statt etwa zu betonen, daß der Antisemitismus der BDS-Bewegung selbst einen Angriff auf Grundrechte darstelle, hebt Berlin den unverbindlichen Charakter der Resolution hervor:

»Es handele sich lediglich um eine ›politische Erklärung‹ des deutschen Parlaments, individuelle Rechte würden dadurch in keiner Weise beeinträchtigt, heißt es in der Antwort des Auswärtigen Amts, die dem SPIEGEL vorliegt.«

Die deutsche Regierung drückt sich damit weiter vor einer eindeutigen Verurteilung der BDS-Bewegung, der unterdessen selbst einer der Unterzeichner der Beschwerde, der UN-Hochkommissar für Religions- und Glaubensfreiheit Ahmed Shaheed, grundsätzlich antisemitische Motive bescheinigte. Ihrer Charakterisierung der Bundestags-Resolution allerdings ist gleichzeitig wenig hinzuzufügen.

Sie ist nämlich in der Tat die Aufregung, die um sie gemacht wurde, kaum wert. Ohne jede Verbindlichkeit und abgeschwächt durch viele zu Protokoll gegebene »persönliche Erklärungen« ist sie nur ein Placebo, der exemplarisch einen Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) nicht dazu bringen konnte, seinen Sitz im Beirat einer Organisation aufzugeben, die sich zur BDS-Bewegung bekennt.

Und so ist die Antwort des Auswärtigen Amts auf die anmaßende Beschwerde des »Hochkommissariats für Menschenrechte«, dem Außenminister Heiko Maas erst jüngst 6.000.000 zusätzliche Euro zusagte, nicht nur bezeichnend für eine Regierung, sondern auch ein Parlament, die beide Antisemitismus allenfalls in Sonntagsreden bekämpfen, Worten aber so gut wie keine Taten folgen lassen.

Symbolpolitik

Der Deutsche Bundestag hat sich für ein Betätigungsverbot für die Hisbollah ausgesprochen. Der von den Fraktionen der Regierungsparteien und der oppositionellen FDP vorgelegte Antrag wurde unter mehrheitlicher Enthaltung der Abgeordneten von AfD, Bündnis 90/Die Grünen und der Linken angenommen und fordert die Bundesregierung auf, die Organisation wirksam zu bekämpfen.

Gleichzeitig wird die Regierung in Berlin in dem Beschluß aufgefordert, »die bisher vorgenommene gedankliche Trennung der Hisbollah in einen politischen und einen militärischen Arm aufzugeben«, die bis heute dafür sorgt, daß der imaginäre »zivile Arm« der Terrororganisation auch von Deutschland aus antisemitische Hetze betreiben und für den Kampf gegen Israel mobilisieren kann.

Trotz des Bundestagsvotums ist freilich nicht davon auszugehen, daß Berlin sich besonders beeilen wird, die Forderungen der Parlamentarier umzusetzen. Dabei lieferten und liefern die deutschen Ämter für Verfassungsschutz mit ihren Berichten immer wieder Gründe für ein Verbot der Hisbollah in ihrer Gesamtheit. Aus außenpolitischen Erwägungen aber wurden diese Warnungen ignoriert.

Und so kündigt denn auch Außenminister Heiko Maas in seiner Stellungnahme zum Bundestagsbeschluß keine konkreten Schritte zu dessen Umsetzung an, sondern weicht in gewundenen Formulierungen aus. Zwar sei natürlich »gegen kriminelle und terroristische Aktivitäten der Hisbollah« vorzugehen, aber »die politische Realität im Libanon«, der »Heimat« der »Partei Gottes«, sei »komplex«.

Mit dieser Begründung hatte sich im März auch Heiko Maas’ Staatsminister Niels Annen gegen ein Verbot der Hisbollah in Deutschland gewandt, die »ein relevanter gesellschaftlicher Faktor und ein Teil der komplexen innenpolitischen Lage im Libanon« sei. Das klingt zwar nicht überzeugend, spiegelt aber die Haltung der Regierung in Berlin. Sie wird die Aufforderung des Bundestags überhören.

Vorbild

Das niederländische Parlament hat die Regierung in Amsterdam aufgefordert, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg zur besonderen Kennzeichnung jüdischer Waren aus den umstrittenen Gebieten nicht umzusetzen. Die Initiative gegen das »diskriminierende« Urteil war von christlichen Abgeordneten ausgegangen und wurde auch von der Regierungsfraktionen unterstützt.

Auch wenn der mit 82 Ja- und 68 Nein-Stimmen angenommene Beschluß des Parlaments symbolischen Charakter hat und die niederländische Regierung nicht zu seiner Umsetzung verpflichtet ist, ist angesichts seiner breiten Unterstützung durch die Regierungsfraktionen nicht davon auszugehen, daß das von Mark Rutte geführte Kabinett in Amsterdam das Votum des Parlaments ignorieren wird.

Die niederländischen Parlamentarier demonstrieren mit ihrer schnellen Reaktion auf einen von ihnen zutreffend als »diskriminierend« charakterisierten Gerichtsspruchs eine Handlungsfähigkeit, die man im Nachbarland Deutschland vergeblich sucht. Zwar drängte Berlin jedenfalls bisher nicht auf Umsetzung des Zwangs zur Kennzeichnung jüdischer Waren, wurde aber auch nicht gegen ihn aktiv.

Das Parlament in Amsterdam blamiert mit seinem Beschluß auch Regierung und Reichstag in Berlin. Zwar herrscht in der deutschen Politik kein Mangel an wortreichen Streitern gegen Antisemitismus, denn um nichts anderes handelt es sich beim EuGH-Urteil. All den wohlklingenden Sonntagsreden folgt indes günstigenfalls nichts und schlimmstenfalls Beistand für antisemitische Initiativen.

Exemplarisch für diese Spezialität der deutschen Politik nach 1945 steht etwa der Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour, der – selbstverständlich – den Antisemitismus der BDS-Bewegung »schlicht unerträglich« finden, aber zugleich offenbar nichts dabei findet, neben einschlägig verrufenen Gestalten im Beirat einer Organisation zu sitzen, die die antisemitische Bewegung offen unterstützt.

Und so kann es nicht überraschen, daß das Parlament in Amsterdam innert weniger Tage dem Luxemburger Urteil, das Juden stigmatisiert und ausgrenzt, eine Absage erteilt, während der Deutsche Bundestag und die Regierung in Berlin sich – jedenfalls bis jetzt – nicht zu einer öffentlichen Reaktion durchringen konnten. Freilich, wo »die Antwort« ist, wäre das wohl auch sehr uneuropäisch.