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Entscheidung mit Haltung

Ungarn hat am Donnerstag seine Anerkennung des Internationalen Strafgerichtshof (ICC) zurückgezogen. Wie die Regierung in Budapest mitteilte, reagiert Ungarn mit diesem Schritt auf die Politisierung des in Den Haag ansässigen Gerichts, das deshalb längst keine »respektable Institution« mehr sei. Zwar hatte Ungarn das Gericht zuvor anerkannt, das ungarische Parlament hatte das Römische Statut, die Arbeitsgrundlage des ICC, aber nie ratifiziert.

Als Anlaß für den Schritt nennt Budapest den vom mit der islamistischen Terrororganisation Hamas befreundeten ANC-Regime im vergangenen Jahr erwirkten »Internationalen Haftbefehl« gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, mit dem das Gericht sich in den antisemitischen Vernichtungskrieg der »Achse des Widerstands« gegen Israel hineinziehen ließ, zumal strittig ist, ob der ICC überhaupt für den jüdischen Staat zuständig ist.

Den wie etwa die Vereinigten Staaten hat auch Jerusalem den Internationalen Strafgerichtshof nicht anerkannt. Israel verfügt als Demokratie über ein international anerkanntes und gelobtes Rechtssystem, das selbst in der Lage und gewillt ist, auch Rechtsverstöße zu verfolgen, falls es im Rahmen des Kampfs zur Zerschlagung der Hamas und zur Befreiung der noch in ihrer Gewalt befindlichen jüdischen Geiseln dazu gekommen sein oder noch kommen sollte.

Mit seiner nach Verhängung des »Internationalen Haftbefehls« ausgesprochenen Einladung an Benjamin Netanjahu hatte Regierungschef Viktor Orbán demonstriert, daß die besonders in Europa gern verkündete Solidarität mit dem jüdischen Staat keine Leerformel sein muß. Nannte die amerikanische Regierung unter Präsident Joe Biden den antisemitisch motivierten Haftbefehl »empörend«, verhängte Amtsnachfolger Donald J. Trump Sanktionen gegen den ICC.

Ungarn, das derzeit vom israelischen Premier besucht wird, gehört in der EU zu den wenigen Staaten, die regelmäßig antiisraelischen Beschlüssen die Zustimmung verweigern. Bedient sich Viktor Orbán in der Auseinandersetzung mit politischen Gegnern durchaus auch antisemitischer Motive, ist es nun um so beschämender für seine zahlreichen europäischen Kritiker, daß ausgerechnet sein Land sich konsequent dem Mißbrauch internationalen Rechts widersetzt.

Deutsche Staatsräson

Francesca Albanese, die vom sogenannten »Menschenrechtsrat« der Vereinten Nationen (UNHRC) berufene »Sonderberichterstatterin für die Menschenrechtssituation in den besetzten palästinensischen Gebieten«, hängt an diesem Titel. Endete ihr Mandat bereits am 1. April offiziell, tourte sie in den vergangenen Wochen durch die Welt, um für dessen Verlängerung zu werben, über die am Freitag entschieden werden soll.

Zeichneten schon ihre Vorgänger in dem Amt sich durch ihre Voreingenommenheit gegenüber dem jüdischen Staat aus, verdiente Francesca Albanese sich mit »Berichten«, die sie unter Überschriften wie »Völkermord als koloniale Auslöschung« veröffentlichte, zuletzt gar die begeisterte Anerkennung des islamistischen Blutsäuferregimes in Teheran, das ihr einen »Menschenrechtspreis« verlieh, den sie – natürlich – nicht ablehnte.

Während beispielsweise die niederländische Regierung der glühenden Antisemitin bescheinigt, mit »vielen Äußerungen gegen den Verhaltenskodex« der Vereinten Nationen zu verstoßen und daher die Mandatsverlängerung für Francesca Albanese ablehnt, hüllt sich das von Annalena Baerbock geführte Auswärtige Amt in beredtes Schweigen. Zwar räumt es auf Nachfrage ein, gewisse Äußerungen der Italienerin seien problematisch.

Gegen ihre erneute Beauftragung jedoch wollen sich weder die feministische Außenministerin noch ihr Ministerium positionieren. Auch der geschäftsführende deutsche Kanzler Olaf Scholz will sich nicht zu der Personalie äußern. Verkündete der Sozialdemokrat einmal, Deutschlands Platz sei »an der Seite Israels« und versprach gar »klare Kante« gegen Antisemitismus, muß er öffentlich zum Handeln aufgerufen werden – bisher freilich vergeblich.

Einmal mehr gelingt es der scheidenden Regierung in Berlin mühelos, sich und Deutschland selbst vorzuführen. Hat es sich Francesca Albanese zur Aufgabe gemacht, Israel mit allen Mitteln zu verleumden und zu delegitimieren, bleibt auch hier das Berliner Geschwätz von der »deutschen Staatsräson« ohne praktische Folge. Soll so eine »Beschädigung« der weiteren Karriere Annalena Baerbocks vermieden werden, wäre das erst recht entlarvend.

Europas Beitrag

Im vergangenen Sommer vereinbarten die Europäische Kommission unter ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen und die »Palästinenserführung« um »Präsident« Abu Mazen eine weitere Vertiefung ihrer Kooperation bei der Überwindung der Dauerkrise des PLO-Regimes. Im Gegenzug für allerlei Versprechungen erhielt die Clique um den auch als Mahmoud Abbas firmierenden »Palästinenserpräsidenten« Zusagen über 400 Millionen Euro.

Das Geld sollte der Verabredung zufolge »in Abhängigkeit vom Fortschritt der Umsetzung der vereinbarten Reformen« in drei Tranchen zwischen Juli und September 2024 zur Verfügung gestellt werden. Teil dieser Reformen sollte eine Überarbeitung »palästinensischer« Lehrpläne und -bücher sein, die bereit im August 2024 erste Ergebnisse zeitigen sollte. Am 19. November 2024 meldete Brüssel, die dritte Tranche der Hilfen sei freigegeben worden.

Die Europäische Kommission und mit ihr die Europäische Union hielten damit Wort, zumindest gegenüber dem Regime in Ramallah. Die Zusage freilich, die Unterstützung für die »Palästinenser« werde vom Fortschritt der Reformen in Ramallah abhängig gemacht, hatte wohl günstigenfalls die Qualität eines CDU-Wahlprogramms, wie der Blick auf die auch in Gaza verwendeten »überarbeiteten« Lehrpläne und -materialien des PLO-Regimes zeigt.

In einer jüngst veröffentlichten Studie belegt die renommierte NGO IMPACT-se, daß das von Ramallah entwickelte Unterrichtsprogramm nach wie vor weit davon entfernt ist, gängige UNESCO-Standards für Bildung umzusetzen. Statt sie zu streichen, wurden gerade die problematischen Inhalte – antisemitische Hetze gegen Juden und Israel sowie die Verherrlichung terroristischer Gewalt – auch in neue Lehrpläne und -programme übernommen.

In Gaza hat, soweit möglich, in diesen Tagen auf Anordnung Ramallahs ein neues Schuljahr begonnen, nachdem der von der Hamas begonnene Vernichtungskrieg gegen den jüdischen Staat regulären Unterricht für lange Zeit nahezu unmöglich gemacht hatte. Das Regime um »Präsident« Abu Mazen hätte diese Gelegenheit nutzen können, mit seinem neuen Bildungsprogramm zum Abbau von Spannungen und zum Ende des Konflikts beitragen können.

Tatsächlich knüpft es jedoch da an, wo die »Al-Aksa-Flut« für dauerhaften Unterrichtsausfall sorgte. Heranwachsende insbesondere in Gaza werden, wenn überhaupt möglich, weiterhin und noch intensiver antisemitisch indoktriniert und dazu erzogen, islamistischen und anderen antisemitischen Terroristen nachzueifern. Und mit ihrer finanziellen Unterstützung für Ramallah hat die Europäische Kommission, hat die EU ganz wesentlichen Anteil daran.

Selbstentlarvung

Nachdem in der vergangenen Woche »Palästinenser« in mehreren Orten in Gaza über mehrere Tage gegen die Herrschaft der Hamas und ihren Krieg gegen Israel protestiert hatten, nimmt die islamistische »Befreiungsbewegung« blutig Rache. Hatte die in Gaza herrschende islamistische Terrororganisation zunächst versucht, die Demonstranten als »Verräter« zu verleumden und einzuschüchtern, geht sie nun immer brutaler gegen sie vor.

Wurden bereits vor dem Wochenende mehrere »Verräter« öffentlich »hingerichtet«, folterten die Islamisten jetzt einen jungen »Palästinenser« zu Tode, bevor sie seine Überreste durch die Straßen schleiften und schließlich ihn wie Müll vor der Wohnung seiner Angehörigen zurückließen. Der Wunsch nach Freiheit und Frieden – in Gaza stehen darauf Foltertod und Entwürdigung selbst noch danach durch die Kinder-Schlächter der Hamas.

Ist es gewiß zu früh, den »palästinensischen« Protesten gegen die islamistische Barbarei der Hamas in Gaza das Potential zu bescheinigen, die mit dem Regime in Teheran liierten und von zahlreichen arabischen Regimes zumindest klammheimlich unterstützen Terroristen zum nächsterreichbaren Teufel jagen zu können, zeigt deren Hemmungslosigkeit, die zweifellos auch darauf abzielt, die Öffentlichkeit einzuschüchtern, doch daß sie sie treffen.

Und wenigstens in Teilen der Bevölkerung Gazas hat der so bestialische wie offene Terror der Islamisten nicht die gewünschte Wirkung. Statt auf Zustimmung zu stoßen, selbst wenn die eine erzwungene wäre, verweigerten »Palästinenser« Berichten von der Beisetzung ihres jüngsten Opfers zufolge der Hamas weiter die Gefolgschaft und forderten lautstark ihr Verschwinden. Wollen sie, können die »Palästinenser« die Hamas schlagen.

Alter Wein in alten Schläuchen

In einem Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen, das in dieser Woche veröffentlicht wurde, stellte Dirk Niebel, von 2009 bis 2013 deutscher Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der berüchtigten UNRWA rückblickend ein beeindruckend schlechtes Zeugnis aus: Das »Palästinenserhilfswerk«, erklärte er, sei »mit den islamistischen Mördern« der Hamas »unauflöslich verbunden« und »teilweise personenidentisch«.

Und dennoch war Deutschland in den vergangenen Jahren einer der größten, teils sogar größter Geber des »Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten«.Versucht Dirk Niebel auch sein Versagen damit zu rechtfertigen, daß man seinerzeit ja nicht hätte ahnen können, wie tief die Bande zwischen Hamas und UNRWA tatsächlich seien, taugt spätestens seit diesem Interview Ahnungslosigkeit nicht mehr als Entschuldigung.

Politiker die heute der UNRWA Millionen zukommen lassen wollen, müssen wissen, daß sie damit auch die Hamas unterstützen. Das gilt erst recht, wenn sie wie Johann Wadephul und Florian Hahn selbst eine Einstellung der deutschen Finanzierung des Terroristen-Hilfswerks gefordert haben. Und dennoch findet sich im von den beiden Unionspolitikern mitverhandelten Vorschlag für einen Koalitionsvertrag keine entsprechende Formulierung.

Statt jede Zusammenarbeit UNRWA kategorisch auszuschließen, findet sich im Papier der Arbeitsgruppe 12 der blau gekennzeichnete und in Klammern gesetzte Satz: »Ohne umfassende Reform wird Deutschland die UNRWA nicht weiter finanzieren«, der damit den Unionsparteien zuzuordnen ist. Für die SPD stand derweil Svenja Schulze der Arbeitsgruppe vor, die offenbar keinerlei Änderungsbedarf bei der deutschen Haltung zur UNRWA sieht.

Angesichts dessen, was alles über das unheilvolle Wirken des UN-»Hilfswerks« bekannt ist, fällt es schwer zu sagen, welche Position skandalöser ist. Die SPD, die sich einmal stolz zu ihren auch jüdischen Wurzeln bekannte, tut so, als sei am und seit dem 7. Oktober 2023 nichts geschehen, was Zweifel an dem »Hilfswerk« wecken könnte, die Union hingegen weiß darum, beschränkt sich aber auf die Forderung nach »umfassenden Reformen«.

Darauf freilich hatten sich die Unionsparteien und die SPD übrigens bereits in ihrem Koalitionsvertrag vom 12. März 2018 einmal verständigt: »Wir werden in der EU eine Initiative sowohl zur ausreichenden und nachhaltigen Finanzierung als auch der Reform des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) ergreifen«. Was danach geschah, auch wegen der UNRWA geschehen konnte, ist bekannt.

Aufstand gegen die Hamas

Es ist in dieser Woche etwas geschehen, das, und das ist bezeichnend, gänzlich undenkbar wäre in Berlin, London, Paris oder Washington: »Palästinenser« versammelten sich in Gaza und erhoben Stimmen und Fäuste gegen die Hamas und ihre »Al-Kuds-Flut«, ihren Krieg gegen den jüdischen Staat. Zwar hatte es in Gaza bereits vereinzelte Proteste gegen die Islamisten gegeben. Neu allerdings ist das Ausmaß, das diese Ausstände innert kurzer Zeit angenommen haben.

Gewiß kann noch nicht als ausgemacht gelten, wie die seit mehreren Tagen und an einer wachsenden Zahl von Orten in Gaza anhaltenden Proteste ausgehen, ob sie gar das Potential entwickeln, die Hamas, die sich und die »Palästinenser« an die iranische »Achse des Widerstands« verkauft hat, hinwegzufegen, bringt ihre bloße Existenz doch schon einer ganze Reihe von Mythen in Wanken, an die sich freilich nicht allein die Terroristen klammern.

So scheinen die demonstrierenden »Palästinenser« herzlich wenig von der Idee zu halten, sie seien die Opfer eines israelischen »Genozids«, wie nicht zuletzt selbst Vertreter der Vereinten Nationen immer wieder zu behaupten wagen, denn sie machen – richtigerweise – die Hamas für diesen Krieg und dessen Folgen verantwortlich. Sie strafen damit auch all jene Lügen, die den barbarischen Überfall auf Israel mit »Kontext« zu rechtfertigen suchen.

Indem sie sich gegen den Krieg gegen Israel wenden, blamieren diese Proteste zugleich all das, was im Westen sich – und nicht bloß dort – »propalästinensisch« nennt, aber eben doch nie war und nicht ist, sondern »nur« antisemitisch. Die Protestierenden in Gaza wollen sich nicht von den Feinden Israels vereinnahmen und verheizen lassen, ob die nun in Teheran sitzen oder als hochdotierte UN-Funktionäre jeden zivilisatorischen Anstand verraten haben.

Nicht zuletzt scheinen die gegen die Hamas demonstrierenden »Palästinenser« mit der ewig wiedergekäuten Vorstellung aufzuräumen, eine »Zwei-Staaten-Lösung« sei Grundbedingung für Frieden. Sie stellen die Terrororganisation als Friedenshindernis bloß und damit alle Verfechter eines »palästinensischen« Staates als Voraussetzung für Frieden. Sie zeigen, daß es auch ohne »Palästinenserstaat« gehen könnte, in jedem Fall aber nicht mit der Hamas.

Positionsbestimmung

Kaja Kallas, die Nachfolgerin Josep Borrell Fontelles’ an der Spitze des Auswärtigen Diensts (EEAS) der Europäischen Union, hat sich in diesen Tagen in verschiedenen Hauptstädten im Nahen Osten sowie beim Regime in Ramallah vorgestellt. Station konnte sie bei ihrer Reise auch in Israel machen, wohin ihr Vorgänger sich zuletzt gar nicht mehr wagte. Wie lange Jerusalem Kaja Kallas noch ins Land läßt, ist freilich ungewiß.

Betonte die Diplomatin in einer Pressekonferenz vor Ort, es sei »klar, daß wir sehr gute Partner« seien, Israel »ein sehr bedeutender Handels- und Investitionspartner der Europäischen Union«, ließ sie es sich zugleich nicht nehmen, Israels erneuertes militärisches Vorgehen gegen die Hamas in Gaza zu diskreditieren und eine »Rückkehr zu Verhandlungen« zu verlangen, da, lehrmeisterte sie, »Gewalt nur weitere Gewalt nach sich« ziehe.

Bezeichnete Kaja Kallas die Verkündung solcher Weisheiten in Tel Aviv ernsthaft als Ausdruck europäischer »Solidarität mit Israel«, obwohl sie mit ihnen doch bestialischen islamistischen Terrorismus und die Verteidigung gegen ihn nicht bloß auf eine Stufe stellt, sondern ihr damit jede Legitimität abspricht, hatte sie schon am Tag zuvor in der ägyptischen Hauptstadt Kairo gezeigt, wo Europa, ihre EU sich tatsächlich wohlfühlt.

In der am Sonntag veröffentlichten »Gemeinsamen Erklärung der Hohen Repräsentantin Kaja Kallas und des Arabisch-Islamischen Ministerial-Komitees« wird die Hamas so wenig erwähnt wie der von ihr ins Werk gesetzte barbarische Überfall auf Israel oder jeglicher anderer Terrorismus. Dafür wird auch hier Israel namentlich aufgefordert, zur freilich abgelaufenen Waffenruhe zurückzukehren und sein Vorgehen gegen die Hamas verleumdet.

Und natürlich darf in dieser Erklärung der Hinweis auf eine »Zwei-Staaten-Lösung« nicht fehlen. Er wirkte freilich (geringfügig) überzeugender, könnten sich all jene Staaten, deren Außenminister ihn mitzuverantworten haben, dazu durchringen, das existierende Israel anzuerkennen. So weichgespült er auch daherkommt, daß die »Außenministerin« der EU einen solchen Angriff auf Israel mitträgt, verdeutlicht, was von ihrer »Solidarität« zu erwarten ist.

Einsicht

Von 2005 bis 2009 Generalsekretär der FDP, wechselte Dirk Niebel anschließend als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in das zweite von Angela Merkel als Kanzlerin geleitete Kabinett und blieb bis Dezember 2013 in dem Amt. Während seiner Zeit als Minister schaffte der liberale Politiker es, sich den Respekt des SPIEGEL zu erwerben, weil er sich durchaus häufiger »mit Israel« anlegte.

Kurz nach Amtsantritt hatte das Wochenblatt Dirk Niebel vieldeutig nachgesagt, er »bringe noch eine ganz persönliche Agenda mit, die nicht nur mit entwicklungspolitischen Zielen zu tun hat: Der Liberale hat ein Jahr in einem Kibbuz in Israel verbracht«. Spätestens im Juni 2010, da hatte der Minister »die israelische Regierung [angegriffen]«, »weil sie ihm die Einreise in den Gaza-Streifen verweigert[e]«, wurde er rehabilitiert.

Jetzt, mehr als ein Jahrzehnt später, hat sich Dirk Niebel erneut zu Wort gemeldet. Im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen räumt er auch eigene Irrtümer bei der Bewertung der berüchtigten UNRWA in Gaza ein und kritisiert die geschäftsführende deutsche Außenministerin Annalena Baerbock wegen ihrer ungbrochenen Unterstützung des »Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten« deutlich.

»Uns war schon klar, dass die UNRWA in Gaza auch mit der Hamas kommunizieren muss«, gibt er zu Protokoll, »doch dass sie mit den islamistischen Mördern unauflöslich verbunden ist, dass sie teilweise personenidentisch ist, das hätten wir niemals gedacht.« Spätestens seit dem 7. Oktober 2023 gebe es jedoch »unzählige Beweise«, die diese Verstrickungen belegen. Das Festhalten Berlins an der UNRWA sei daher nicht zu rechtfertigen.

Eine mögliche Erklärung dafür sieht Dirk Niebel freilich im geplanten Karrieresprung Annalena Baerbocks zu den Vereinten Nationen. Die Außenministerin habe »ja presseöffentlich erklärt, eher würde sie zurücktreten, als die Mittel für die UNRWA einzustellen. Vielleicht geschah das damals schon in dem Wissen, dass sie künftig die Generalversammlung der Vereinten Nationen als Präsidentin leiten soll?« Das allerdings wäre »schäbig«. In der Tat.

Warmlaufen für New York

Während das offizielle Deutschland noch immer »entsetzt« ist ob der Entscheidung Jerusalems, den bewaffneten Kampf zur Zerschlagung der Hamas und der Befreiung jüdischer Geiseln aus ihrer Gewalt fortzuführen, verdeutlichen zwei Nachrichten des Wochenende die niederträchtige Einseitigkeit der von Noch-Ministerin Annalena Baerbock mitunterzeichneten jüngsten Gemeinsamen Erklärung der »E3« »zu Gaza«.

War die Wiederaufnahme der Kampfhandlungen durch die israelischen Streitkräfte am vergangenen Dienstag Folge des Fehlens einer Nachfolgeregelung nach Auslaufen der auf 42 Tage – und damit bis Ende Februar – befristeten Waffenruhe, bekräftigte am Wochenende Steve Witkoff, der Sondergesandte des amerikanischen Präsidenten Donald J. Trump, daß allein die Hamas verantwortlich sei für die erneuete Eskalation.

Die Hamas, erklärte der amerikanische Unterhändler in einem Interview, habe jede Möglichkeit auf eine Einigung unter für sie »akzeptablen Bedingungen« zurückgewiesen, so daß weder eine Interims-Regelung für die Zeit nach dem Ende der Waffenruhe noch gar eine Übereinkunft über eine zweite Phase des Deals habe erzielt werden können. »Das geht auf das Konto der Hamas.« Berichte aus Ägypten bestätigen diese Darstellung.

Nach weiteren Meldungen vom Wochenende nämlich verschärft Kairo seinen Druck auf die islamistische Terrororganisation ganz erheblich. Sollte die Hamas sich auch dem neuen ägyptischen Verhandlungsvorschlag verweigern, droht Kairo mit der Schließung des Grenzübergangs in Rafah, über den derzeit noch etwa für verletzte »Palästinenser« die organisierte Ausreise zur Behandlung außerhalb von Gaza möglich ist.

Gleichzeitig droht Kairo mit verschärften Maßnahmen gegen bislang in Hotels untergebrachte »Palästinenser«, die im Rahmen des Deals aus der Haft in Israel freigepreßt worden waren und in Drittstaaten unterkommen sollten. Sollte die Hamas sich nicht auf Gespräche einlassen, will Kairo diese »Palästinenser«, Terroristen, die zumeist zu mindestens lebenslänglicher Haft verurteilt waren, festsetzen und zusammen abschieben.

Vergeht gegenwärtig kaum ein Tag ohne eine gegen Israel gerichtete Stellungnahme aus dem Auswärtigen Amts, zeigen diese Nachrichten, wie weit von der Realität diese Entgleisungen im Verantwortungsbereich Annalena Baerbocks entfernt sind. Die Noch-Ministerin und ihre Untergebenen haben jedes Maß verloren, ihre antiisraelische Einseitigkeit ist so offenkundig wie beschämend für das Land, das sie vertreten.

Absage an die »palästinensische Sache«

Seit Anfang des Monats haben nach israelischen Angaben bereits etwa 1.000 »Palästinenser« Gaza verlassen, in der nächsten Woche sollen weitere 600 Menschen folgen. Wie COGAT, das beim israelischen Verteidigungsministerium angesiedelte Büro für zivile Angelegenheiten in Gaza und den umstrittenen Gebieten, meldete, haben die »Palästinenser« Gaza freiwillig verlassen, 70 von ihnen etwa am letzten Mittwoch in Richtung Europa.

Anfang Februar hatte der israelische Verteidigungsminister Israel Katz die Streitkräfte angewiesen, Möglichkeiten zur Unterstützung von »Palästinensern«, die Gaza verlassen wollten, zu schaffen. Erwogen bereits vor dem barbarischen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 viele und vor allem jüngere »Palästinenser«, sich außerhalb Gazas ein Leben aufzubauen, soll jetzt eine neue israelische Behörde ihnen dabei behilflich sein.

Der amerikanische Präsident Donald J. Trump hatte ebenfalls Anfang Februar während eines Besuchs des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu in Washington vorgeschlagen, »Palästinensern«, die das wollten, sollte die Ausreise aus Gaza ermöglicht werden. Damit sollte, so die Idee, der Kampf zur Zerschlagung der islamistischen Terrororganisation Hamas und ein grundlegender Wiederaufbau im Anschluß daran erleichtert werden.

Stieß der US-Präsident mit diese Vorstellungen auf erhebliche Kritik – freilich vor allem außerhalb »Palästinas« -, soll inzwischen sogar Ägypten die Bereitschaft geäußert haben, etwa eine halbe Million »Palästinenser« aufzunehmen. Washington soll Kairo im Gegenzug Unterstützung im Milliardenhöhe angeboten haben. Auch mit afrikanischen Staaten soll es Verhandlungen über die Aufnahme von »Palästinensern« aus Gaza geben.

Selbst wenn solche Berichte noch oft dementiert werden und Washington wie Jerusalem weiter wahrheitswidrig vorgeworfen wird, sie planten »Zwangsvertreibungen« oder gar »ethnische Säuberungen«, senden jene »Palästinenser«, die Gaza jetzt den Rücken kehren, ein starkes Signal aus. Was immer ihre persönlichen Motive sein mögen, sie haben es gründlich satt, von angeblich wohlmeinenden »Freunden« weiter der Hamas ausgeliefert zu werden.