Schlagwort: China

Gruppentherapie

Unter Berufung auf chinesische Medien berichtet der Kölner Deutschlandfunk, »die seit Jahren verfeindeten großen palästinensischen Gruppierungen Fatah und Hamas haben ihre Streitigkeiten beendet«. Und auch die tagesschau meldet, daß sich in China »offenbar 14 palästinensische Gruppierungen getroffen und eine gemeinsame Erklärung zur Beendigung ihres jahrelangen Streits unterzeichnet« haben, darunter »auch die rivalisierenden Gruppen Fatah und Hamas«.

Und Weiter ist bei DLF wie tagesschau zu erfahren, daß »die gemäßigte Fatah von Präsident Abbas [..] die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland« kontrolliere, während »die militant-islamistische Hamas [..] 2007 die Macht im Gazastreifen« ergriffen und »Vertreter der Autonomiebehörde« vertrieben habe. »Hamas und Fatah haben 2011 erstmals versprochen, ihre Rivalität zu beenden«, Versuche, eine »Einheitsregierung« zu bilden, seien seither gescheitert.

An keiner Stelle halten es die Verkünder der frohen Botschaft für nötig, darauf hinzuweisen, daß es untertrieben wäre, lediglich einer ihrer »großen palästinensischen Gruppierungen« vorzuwerfen, als terroristische Organisation geächtet zu sein. Die »gemäßigte« Fatah ist die dominierende »Gruppe« innerhalb der PLO, eines Zusammenschlusses verschiedener »palästinensischer« Terrororganisationen, darunter etwa die im November 2023 in Deutschland verbotene PFLP.

Und auch die andere »große palästinensische Gruppierung«, die Hamas, ereilte bei der Gelegenheit ein deutsches Betätigungsverbot, das vom Innenministerium in Berlin u.a. so begründet wurde: »Unter HAMAS-Führung drangen islamistische Kämpfer bei parallelem Raketenbeschuss des israelischen Staatsgebiets aus dem Gaza-Streifen in grenznahe israelische Ortschaften vor und töteten auf barbarische Weise über 1.400 Zivilisten und Soldaten«.

Davon jedoch kein Wort bei DLF wie tagesschau, die die organisierten Terroristen als »Gruppen« oder »Gruppierungen« verharmlosen. China, Gastgeber der jüngsten »palästinensischen« Wiedervereinigung, will mit seinen vermittelnden Aktivitäten »Frieden und Stabilität« sichern, wie die beiden deutschen Sprachrohre der Propaganda Pekings noch ergänzen. Wenn Terrororganisationen, zumal die Hamas nur »Gruppierungen« sind, ist Krieg vermutlich Frieden in militanter Anmutung.

Billige Inszenierung

Wenn »Palästinenserpräsident« Abu Mazen von seiner mehrtägigen Reise in die Volksrepublik China zurückkehrt, dürfte die Inszenierung chinesisch-»palästinensischer« Verbundenheit deutlich mehr Mittel verschlungen haben als Peking gewöhnlich bereit ist, den »Palästinensern« in Form finanzieller Unterstützung zukommen zu lassen: Mit einer ganzen Million Dollar beteiligte sich China 2022 an der Finanzierung der UNRWA.

Dafür allerdings, daß das Ausbleiben solch freigiebiger »humanitärer Unterstützung« wahrscheinlich selbst bei dem chronisch unterfinanzierten »Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten« niemandem auffallen würde – die UNRWA meldete für das gleiche Jahr einen Bedarf von 1,6 Milliarden Dollar -, klingen die Hymnen des Regimes in Peking auf den Gast um so lauter. Und um so hohler.

Der »Palästinenserpräsident« sei »ein alter und guter Freund des chinesischen Volkes«, sein Besuch verdeutliche das »hohe Niveau der traditionell freundschaftlichen palästinensisch-chinesischen Beziehungen«, heißt es vom Außenministerium in Peking, das mit dem auch als Mahmoud Abbas bekannten »Präsidenten« eine »strategische Partnerschaft« vereinbarte und anbot, im »palästinensisch«-israelischen Konflikt zu vermitteln.

Was von diesem Angebot, mit dem Peking amerikanische Vermittlungsbemühungen im Rahmen der Abraham Accords hintertreibt, zu halten ist, wurde denn auch schnell klar, als es sich von seinem Gast mit einer Statue Yassir Arafats beschenken ließ. Redete der von »Frieden«, versprach er antisemitischen Terror. Bleibt zu hoffen, daß China seinen Worten Taten folgen läßt, die seinen tatsächlichen Hilfen für die »Palästinenser« entsprechen.

Germany first

Am Freitag hat der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz Peking besucht. Seit sich Staats- und Parteichef Xi Jinping im Oktober vom Nationalen Parteikongreß im Amt hatte bestätigen lassen, war der deutsche Sozialdemokrat der erste westliche Regierungschef, der mit dem Despoten den Austausch suchte, der die Volksrepublik China in atemberaubenden Tempo zu einer »modernen« Diktatur umgestaltet.

Plakatierte die SPD im letzten Europa-Wahlkampf noch »Europa ist die Antwort« und plädierte Olaf Scholz erst vor wenigen Wochen selbst noch für eine europäische Außenpolitik, über deren Ausrichtung Mehrheitsentscheidungen bestimmen sollen, ignorierte der deutsche Regierungschef mit seiner Reise nicht nur Kritik aus den eigenen Reihen, sondern stieß mit ihr auch europäische Partner vor den Kopf.

Verschaffte der Sozialdemokrat der chinesischen Propaganda die gewünschten Bilder, verschärfte er mit seiner Visite, die auch noch auf eine Initiative Pekings zurückgehen soll, die Spannungen innerhalb der Europäischen Union: Statt sich insbesondere mit Paris abzustimmen, zog Olaf Scholz erneut einen nationalen Alleingang vor, dessen Auswirkungen freilich nicht auf Deutschland beschränkt bleiben dürften.

Wie schon mit seiner alle Warnungen aus Europa, aber auch aus Übersee ignorierenden Politik gegenüber Rußland, die eben nicht nur verdiente Folgen für Deutschland hat, sondern Europa und die Welt trifft, führt Berlin auch diesmal vor, daß es kein verläßlicher Partner ist und sein will, sondern im Zweifelsfall rücksichtslos nationale Interessen verfolgt, selbst wenn der deutsche als Holzweg erkennbar ist.

Quelle Surprise!

Michelle Bachelet, die vom »Menschenrechtsrat« der Vereinten Nationen eingesetzte »Hochkommissarin für Menschenrechte«, hat dieser Tage China besucht. Zuletzt hatte eine Amtsvorgängerin der UN-Funktionärin 2005 Peking mit einer Visite beehrt, Louise Arbour, die nach ihrer Rückkehr der Volksrepublik »Fortschritte bei der Verwirklichung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte« bescheinigte.

Sie hörte sich damit nicht wesentlich anders an als ihre aktuelle Amtserbin. Wie Louise Arbour ließ die aus Chile stammende Michelle Bachelet wenig auf ihre Gastgeber kommen: »Ich begrüße das erklärte Ziel Chinas, eine qualitativ hochwertige Entwicklung zu gewährleisten, die eng mit der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte verbunden ist«, heißt es bei ihr 2022.

Es erstaunt deshalb etwas, daß Michelle Bachelet nun vielerorts für ihre Reise scharf kritisiert wird. Sie sei, beklagt sich etwa der SPIEGEL auf seiner Website, »der chinesischen Propaganda aufgesessen«. »Für ihr Amt« habe »sich die oberste Menschenrechtlerin der Uno damit disqualifiziert«. Ganz ahnlich wie »das deutsche Nachrichtenmagazin« sieht es die selbsterklärte »Zeitung für Deutschland«.

Daß »die vormalige chilenische Staatspräsidentin sich« sogar »der Sprache der Täter bedient und Internierungslager als Ausbildungszentren bezeichnet« habe, sei »ein Schlag ins Gesicht der Opfer«, konstatiert die Frankfurter Allgemeine. Was haben die Kommentatoren erwartet? Daß eine »Menschenrechtskommissarin« des »UN-Menschenrechtsrats« sich ernsthaft für Menschenrechte engagiert?

Die seit September 2018 als »Menschenrechtskommissarin« tätige Michelle Bachelet kennt wie ihre Amtsvorgänger und der »Menschenrechtsrat« in Genf nur ein Land, das ihr bzw. ihm ernsthaft Sorgen bereitet, das haben sie und er in den letzten Jahren immer wieder bewiesen. Wem daher erst jetzt (und nur) auffällt, daß Michelle Bachelet für ihr Amt nicht geeignet sei, unterschätzt das Ausmaß des Problems.

Verheerendes Zeichen

Die Vollversammlung der Vereinten Nationen hat am Donnerstag mit großer Mehrheit die Mitgliedschaft der Russischen Föderation im »Menschenrechtsrat« der Weltorganisation »ausgesetzt«. Für den von den Regierungen in Washington und London initiierten »Ausschluß« Rußlands stimmten 93 Staaten, 24 votierten dagegen. 58 Mitglieder der in New York tagenden UN-Vollversammlung enthielten sich.

Damit gehört Moskau zwar weiterhin dem »Menschenrechtsrat« der Vereinten Nationen an, verliert aber bis zum regulären Ende seiner Mitgliedschaft, die der Kreml in Reaktion auf die Entscheidung derweil selbst beendete, alle damit verbundenen Rechte. Gegen den »Ausschluß« Moskaus aus dem UNHRC stimmten auch mehrere Mitglieder des in Genf tagenden Gremiums, darunter China und Kuba.

Wenn die Freudentränen bei der tagesschau und anderswo über das »klare Zeichen gegen Moskaus unerträglichen Feldzug« getrocknet sind, müssen London, Washington und alle Staaten, die sich ihrer Initiative angeschlossen haben, sich freilich Fragen stellen lassen: Weshalb betrieben oder betreiben sie nicht mit ähnlichem Engagement etwa den Ausschluß Pekings aus dem »Menschenrechtsrat«?

Bereits im Februar 2021 warf das niederländische Parlament in Den Haag Peking einen Völkermord an den chinesischen Uiguren vor. Dennoch gab es keine Initiative der Niederlande, deren Mitgliedschaft im UNHRC noch in diesem Jahr endet, die Aufnahme Chinas in das Gremium zu verhindern. Und es gibt keine Initiative Amsterdams, Chinas Mitgliedschaft, die bis 2023 andauert, vorzeitig zu beenden.

Selbstredend unternahmen und unternehmen auch London und Washington nichts, Moskau aus dem UNHRC zu suspendieren. Wiegen die Opfer eines chinesischen Völkermords weniger schwer als die russischer Kriegsverbrechen? Der Respekt vor Menschenrechten ist kein Aufnahmekriterium für den in »Menschenrechtsrat« in Genf, ihre Mißachtung sollte daher auch kein Grund für einen Rausschmiß sein.

Mit ihrer Entscheidung, die russische Mitgliedschaft in dem Gremium auszusetzen, zugleich jedoch nichts gegen die beispielsweise Chinas zu unternehmen, hat die UN-Vollversammlung ganz gewiß kein deutliches Signal für Menschenrechte ausgesendet. Tatsächlich hat sie mit ihrem Verzicht, Verstöße der anderen UNHRC-Mitglieder gegen die UN-Charta ähnlich zu ahnden, diese letztlich legitimiert.

Bigotte Heuchelei

In der Volksrepublik China sind am Freitag die Paralympischen Spiele 2022 offiziell eröffnet worden. Nicht mit dabei in Peking sind Sportler aus Rußland und Weißrußland, nachdem ihnen zuvor die Teilnahme unter neutraler Flagge zunächst gestattet und nach Boykottdrohungen anderer Delegationen, die offenbar ein Zeichen setzen wollten gegen »Putins Krieg« in der Ukraine, untersagt worden war.

Wie Andrew Parsons, der Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC) erklärte, habe nach der ursprünglichen Entscheidung, die russischen und weißrussischen Athleten zu den Wettkämpfen zuzulassen, »eine ›sehr hohe Zahl‹ an Komitees, Mannschaften und Athleten [..] mit dem Boykott der Spiele gedroht«, »hinter den Kulissen« sollen auch Regierungen auf das IPC »eingewirkt« haben.

Mit ihrem »Protest« stellen die beteiligten Sportler und ihre Verbände sich freilich ein Armutszeugnis aus: Während sie erfolgreich den Ausschluß russischer und weißrussischer Sportler erzwangen, hatten und haben sie ganz offenkundig nicht die Courage, sich ähnlich engagiert gegen die Volksrepublik China als Austragungsort der Paralympics 2022 einzusetzen. Sie entlarven sich selbst als Heuchler.

Es ist schlicht wenig überzeugend, einerseits, wenn es um den Austragungsort der Wettkämpfe geht, mit »unpolitischem« Sport zu argumentieren, andererseits, bei der Teilnahme russischer und weißrussischer Athleten, aber sehr wohl politisch zu agieren. Mit ihren Boykottdrohungen zeigten Sportler und Verbände, was auch mit Blick auf die Vergabe der Paralympics an Peking möglich gewesen wäre.

Die Sportler und nationalen Paralympischen Verbände, die sich für den Ausschluß der Delegationen aus Rußland und Weißrußland eingesetzt haben, haben damit endgültig auch ihre Teilnahme an den Wettkämpfen in und um Peking politisiert, sie können sich nicht mehr mit einer angeblichen »Unschuld« des Sports herausreden. Sie sind mit ihrer bereitwilligen Teilnahme Komplizen des Regimes von Peking.

Feigheit

Begleitet von Ermahnungen, sich mit Meinungsäußerungen zurückzuhalten, treffen in diesen Tagen die Teilnehmer der XXIV. Olympischen Winterspiele in der Volksrepublik China ein. Schon finden in Peking die ersten Wettkämpfe statt, die Eröffnungsfeier ist für Freitag angesetzt. Während viele demokratische Staaten die Winterspiele »diplomatisch« boykottieren, konnte Berlin sich nicht dazu durchringen.

Zwar hat kein Vertreter der Regierung in Berlin seinen Besuch in Peking angekündigt, die Gelegenheit, sich dem von der Regierung in Washington initiierten »diplomatischen Boykott« der Olympischen Winterspiele anzuschließen und so zumindest ein kleines Zeichen für Menschenrechte zu setzen, hat die von Kanzler Olaf Scholz geführte Koalitionsregierung allerdings ungenutzt verstreichen lassen.

Ein Boykott, der nicht von den wichtigsten Protagonisten der Olympischen Winterspiele, den Sportlern, nicht getragen wird, ist zwar ohnehin allenfalls ein halbherziger, die wütenden Reaktionen des Regimes in Peking auf dessen Ankündigung belegten freilich dennoch, daß die von dem »diplomatischen Boykott« ausgehende Botschaft in der Volksrepublik durchaus ankommt und richtig verstanden wird.

Müssen sich Sportler die Frage gefallen lassen, weshalb sie sich von einem korrupten Internationalen Olympischen Komitee haben an China verkaufen lassen, wiegt das Schweigen der deutschen Regierung noch schwerer. Sie hätte sich Paris anschließen können, das dem Sport den politischen Charakter abspricht, oder eben Washington. Daß es aber weder für die eine noch die andere Position reichte, ist erbärmlich.

Deutsche Werte

Während Bundeskanzler Olaf Scholz sich weiter nicht zur Frage eines deutschen »diplomatischen« Boykotts der Olympischen Winterspiele in China festlegen will, haben seine Außenministerin Annalena Baerbock und Innenministerin Nancy Faeser angekündigt, im Februar nicht in die Volksrepublik reisen zu wollen. Beide Ministerinnen bezeichnen ihrer Entscheidungen freilich als »persönlich«.

Das offizielle Deutschland drückt sich damit weiterhin vor einer eindeutigen Positionierung zu dem von der amerikanischen Regierung initiierten »diplomatischen« Boykott der am 3. Februar beginnenden Wettkämpfe in der Volksrepublik. Die Regierung in Washington will damit zumindest ein Zeichen gegen das Regime in Peking setzen und dessen Haltung zu Demokratie und Menschenrechten.

Zwar ist ein Boykott, der nicht von den zweifellos wichtigsten Akteuren Olympischer Spiele getragen wird, den Athleten und ihren Verbänden, ohnehin allenfalls ein symbolischer. Doch verglichen mit der deutschen Nichthaltung ist selbst diese Halbherzigkeit ein Zeichen von Rückgrat. Olaf Scholz’ Verweis auf eine »einheitliche« Positionierung Europas, die Berlin anstrebe, führt zudem in die Irre.

Das Vereinigte Königreich, das allerdings nicht mehr der Europäischen Union angehört, hat sich bereits Washington angeschlossen, Frankreich hingegen lehnt einen »politischen« Boykott der Winterspiele dagegen ab: »Der Sport ist eine Welt für sich und muß so weit es geht vor politischen Einflüssen geschützt werden«, meint der in Paris als Bildungs- und Sportminister fungierende Jean-Michel Blanquer.

Eine europäische Haltung ist damit längst nicht mehr zu erreichen. Und eine Positionierung der Europäischen Union, die von Frankreich nicht geteilt wird, ist ebenso illusorisch. Was die Regierung in Berlin, die doch angetreten ist, eine »wertegeleitete Außenpolitik« zu betreiben, mit ihrer Entscheidungsverweigerung vorführt, ist tatsächlich ein peinliches Trauerspiel politischer Rückgratlosigkeit.

Entscheidungsschwäche

Die japanische Regierung hat angekündigt, sich dem »diplomatischen Boykott« der Olympischen Winterspiele anzuschließen, die in etwa sechs Wochen in China beginnen sollen. Zwar werden das Olympische sowie das Paralympische Komitee Japans hochrangige Vertreter zu den Wettbewerben schicken, Repräsentanten der politischen Führung in Tokyo werden aber nicht in die Volksrepublik reisen.

Tokyo, begründete der Leiter des Kabinetssekretariats Hirokazu Matsuno die Entscheidung, sei »davon überzeugt, daß die Achtung der Menschenrechte wichtig ist«. Man habe daher einmütig gegen politische Besuche der Winterspiele entschieden. Japan schließt sich damit Australien, Kanada und dem Vereinigten Königreich an, die bereits erklärt hatten, dem Beispiel Washingtons folgen zu wollen.

Wenn schon Politiker es angemessen finden, unter Berufung auf Menschenrechte die Olympischen Winterspiele in China zu boykottieren, sollten sich Sportlerinnen, Sportler und deren Verbände die Frage stellen, ob sie tatsächlich die Augen verschließen können vor den Peking vorgeworfenen massiven Menschenrechtsverletzungen, ob ihre Teilnahme »unpolitisch« oder gar »unschuldig« sein kann.

Bemerkenswerte freilich ist einmal mehr, daß die Regierung in Berlin es noch nicht vermocht hat, sich zu der Frage zu positionieren, obgleich sie sich doch eine »wertegeleitete Außenpolitik« auf die Fahnen geschrieben hat. Kanzler Olaf Scholz hatte sich ausweichend geäußert, Außenministerin Annalena Baerbock auf die EU verwiesen, die allerdings gar nicht über entsprechende Kompetenzen verfügt.

Die Regierung in Tokyo führt mit ihrer Entscheidung daher auch die neue deutsche Regierung ebenso vor wie die Europäische Union. In China werden, das ist unstrittig, Menschenrechte mit Füßen getreten, Menschen erst recht. Doch während andere Staaten – wenn auch nur halbherzig – vormachen, wie darauf reagiert werden könnte, blamiert Berlin sich in alter Tradition als entscheidungsunfähig.

Verratene Unschuld

Im Februar sollen in China die XXIV. Olympischen Winterspiele stattfinden, veranstaltet von einem Internationalen Olympischen Komitee, das die olympische Idee längst verraten hat, in einem Staat, den ein Regime führt, das Menschenrechte und Demokratie ablehnt und seine Verkommenheit in der Verfolgung einer Sportlerin zeigt, die über sexuelle Übergriffe eines seiner Funktionäre berichtet hatte.

Die Regierung in Washington will deshalb die Veranstaltung »politisch boykottieren«, nicht jedoch amerikanische Sportler auffordern, auf die Teilnahme zu verzichten. Dem »politischen Boykott« haben sich derweil weitere Regierungen angeschlossen, während anderswo, in den Staaten der EU, noch überlegt wird, ob man sich wenigstens auf diese Weise der Vereinnahmung durch Peking verweigern wird.

Der eben ins Amt gewählte deutsche Kanzler Olaf Scholz antwortete in mehreren Interviews auf die Frage nach seiner Haltung zu einem Boykott mit peinlicher Phrasendrescherei, seine Außenministerin will eine »gemeinsame Antwort« der Europäischen Union, um keine eigene formulieren zu müssen. Ob dieses Wegduckens ist der von Washington initiierte »politische Boykott« schon anerkennenswert.

Gleichwohl stellt sich die Frage, weshalb sich noch kein Sportverband diesen Winterspielen verweigert. Ist »dem Sport« das Schicksal einer verfolgten Sportlerin, die tatsächlich doch nur eine von vielen sein dürfte, tatsächlich so gleichgültig? Glauben sie wirklich, ihre Teilnahme an den Wettkämpfen habe überhaupt nichts mit Politik allgemein und speziell der Übergriffigkeit Pekings nichts zu tun?

Mit den »politischen Boykotten«, die freilich unter den gegebenen Pandemiebedingungen oft auch nur wohlfeil sind, muß sich »der Sport« der Frage stellen, was seine oft beschworenen Ideale wert sind, reicht es nicht einmal zur Weigerung, in einem Land anzutreten wie China. So kläglich der »politische Boykott« ist, die Unbeirrtheit, mit der »der Sport« an diesen »Spielen« festhält, ist weit jämmerlicher.