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Mit Mandat

Am 1. Juli hat Ungarn den Vorsitz des Rats der Europäischen Union übernommen. Stand die belgische Ratspräsidentschaft unter dem Motto »Schützen. Stärken. Vorausschauen.«, hat Budapest die folgenden sechs Monate unter den nicht unbedingt originelleren, aber ambitionierten Slogan »Make Europe great again« gestellt. Und gleich zum Auftakt ist es dem ungarischen Premier Viktor Orbán gelungen, Old Europe in helle Aufregung zu versetzen.

Mit einer Antrittsreise nach Kiew, Moskau, Baku und Peking, über deren Sinn oder Unsinn durchaus zu streiten wäre, brachte der ungarische Regierungschef insbesondere Josep Borrell Fontelles gegen sich auf, den Hohen Außenbeauftragten der Europäischen Union und stellvertretenden Präsidenten der Europäischen Kommission. Viktor Orbán habe für seine Besuche »kein Mandat vom EU-Rat übertragen« bekommen, empörte sich der Spanier.

Wenn hingegen er, der Chef des Auswärtigen Diensts in Brüssel, erklärt, »die Israeli behindern weiterhin die humanitäre Hilfe und lassen die Menschen [in Gaza] hungern«, und damit ausnahmslos jedem Bürger des jüdischen Staates ein Verbrechen andichtet, dann hat Josep Borrell Fontelles gewiß das Mandat seiner Europäischen Union dazu, mit seiner antisemitischen Hetze das Leben von Juden auch und insbesondere in Europa in Gefahr zu bringen.

Es regte sich im offiziellen Europa bisher jedenfalls kein Protest ob dieser infamen Lüge des spanischen Sozialisten im Namen Europas. Und das ist bezeichnend. Freilich, auch einem Viktor Orbán sind antisemitische Ausfälle nicht fremd. Da ist der Ungar im schlechtesten Sinne lediglich so europäisch wie sein Kritiker. Ein Europa allerdings, das diesen Josep Borrell Fontelles gewähren läßt, hat es verdient, von Viktor Orbán vorgeführt und blamiert zu werden.

Falsche Freunde

Mit der Ausnahme Ungarns haben sich die Staaten der EU gegen eine Fortsetzung des israelischen Vorgehens gegen islamistische Terroristen in Gaza ausgesprochen. In ihrem Appell fordern 26 EU-Außenminister eine unverzügliche »humanitäre Feuerpause«, die in einen »nachhaltigen Waffenstillstand« münden soll, als Voraussetzung für eine »bedingungslose [sic!] Freilassung« israelischer Geiseln und »humanitäre« Hilfen für Gaza.

Initiiert von Belgien, dessen Regierung innerhalb der Europäischen Union zu den schärfsten »Kritikern« des israelischen Kriegs gegen die für das bösartigste und mörderischste Pogrom gegen Juden seit Ende des Zweiten Weltkriegs verantwortliche Hamas zählt, sollte der Appell bereits am Rande der 60. Münchner Sicherheitskonferenz als gemeinsame Position des Staatenbundes beschlossen werden, scheiterte aber am Widerstand Ungarns.

Und auch im zweiten Anlauf beim Treffen der europäischen Außenminister in Brüssel war es wieder ausgerechnet Viktor Orbáns Ungarn, das sich dem antiisraelischen Konsens verweigerte. Denn darum geht es, nicht um eine angeblich drohende »humanitäre Katastrophe« bei der Fortsetzung des israelischen Militäreinsatzes gegen den islamistischen Terror. Er wird mit dem Appell bereits diskreditiert, bevor er überhaupt richtig begonnen hat.

Dabei hat Jerusalem längst zugesichert, Zivilisten vor einer Bodenoffensive in Rafah den Abzug in in sichere Gebiete ermöglichen zu wollen. Daß die Vereinten Nationen die Unterstützung dabei verweigern, aber ganz offenbar auch die EU, ist entlarvend. Sie könnten, in Gaza oder Sinai, Vorbereitungen treffen, um das zu verhindern, was sie angeblich befürchten. Sie ziehen es jedoch vor, den jüdischen Staat zu »kritisieren«, zu diskreditieren.

Scholzidee

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz hat in einer »Europapolitischen Grundsatzrede« an der Univerzita Karlova in der tschechischen Hauptstadt Prag für eine Politik geworben, mit der er, wie ihm seine Redenschreiber aufnotierten, Europa »weltpolitikfähig« machen will. Was er als Lehre aus der von ihm so bezeichneten »Zeitenwende« verkaufen wollte, ist freilich eine Forderung, für die er schon länger wirbt.

Mit der Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip und der Einführung von Mehrheitsentscheidungen in der Außenpolitik soll danach die Europäische Union »an Souveränität« gewinnen, wie er im Mai 2021 formulierte. Mit dem Festhalten am Einstimmigkeitsprinzig drohe der EU dagegen eine »weltpolitische Bedeutungslosigkeit«, die dem »einzigartige[n] Friedens- und Wohlstandsprojekt« überhaupt nicht stehe.

Vor dem Hintergrund einer anderen Zeitenwende, einer vom Hausherrn (zunächst) unwidersprochen bleibenden antisemitischen Entgleisung eines Gasts im Amtssitz Olaf Scholz’, ist das Beispiel interessant, mit dem der Regierungschef 2021 für seine Idee warb: »Der EU-Außenbeauftragte« war damals daran gehindert worden, »für Europa mit einer Stimme zum wieder aufgeflammten Nahost-Konflikt zu sprechen«.

Ungarn hatte mit seinem Veto, eine »auch an Israel gerichtete Aufforderungen zu einem ›sofortigen Stopp aller Gewalt‹ und der ›Umsetzung einer Waffenruhe‹« in den vom 10. bis zum 21. Mai anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen den Streitkräften des jüdischen Staates und der in Gaza herrschenden islamistischen Terrororganisation Hamas verhindert, wie exemplarisch die tagesschau seinerzeit beklagte.

Ausgerechnet Budapest verhinderte also, daß die Europäische Union die militärische Selbstverteidigung der einzigen funktionierenden Demokratie im Nahen Osten gegen islamistischen Raketenterror aus Gaza in einer offiziellen Stellungnahme mit eben diesem auf eine Stufe stellt. Und ausgerechnet das beschwerte offenbar Olaf Scholz’ Gewissen so sehr, daß er an Europas »Weltpolitikfähigkeit« zweifelte.

Die laut tagesschau »strikt loyale« Haltung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán »zur israelischen Regierung und persönlich zu [inzwischen Ex-] Regierungschef Benjamin Netanyahu« verhinderte tatsächlich die weitere Selbstdemontage der EU. Es ist bedauerlich, daß es dafür eines Viktor Orbáns bedurfte. Und es ist bezeichnend, daß gerade er damit zeigte, weshalb Olaf Scholz’ Idee keine gute ist.

Schrecklich europäische Familie

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hat sich vom Parlament in Budapest ermächtigen lassen, das Land weitgehend per Dekret zu regieren. Mit dem unbefristeten Notstandsgesetz kann der Regierungschef das Parlament umgehen, das freilich ohnehin von seiner Fidesz-Partei, dominiert wird – von 199 Parlamentariern gehören 116 der Fidesz und 17 der mit ihr koalierenden KDNP an.

Nachdem dem Ermächtigungsgesetz in einer ersten Abstimmung am vorvergangenen Montag mit 137 Ja-Stimmen (72%) die in dieser Runde notwendige Mehrheit von 80 Prozent der anwesenden Mandatsträger noch gefehlt hatte, konnte es an diesem Montag die jetzt nötige Zustimmung von zwei Dritteln der Abgeordneten locker erreichen, die das Parlament damit praktisch entmachtet haben.

Mit dem Gesetz wurde eine Regel aufgehoben, nach der die Parlamentarier eine von der Regierung festgestellte »Gefahrensituation“ nach 15 Tagen bestätigen mußten. In diesem »Notstand« kann die Regierung »außergewöhnliche Maßnahmen« anordnen, »um die Stabilität des Lebens, der Gesundheit, der persönlichen und materiellen Sicherheit der Bürger und der Wirtschaft zu garantieren«.

Zu diesen Maßnahmen zählen auch Änderungen am Strafrecht, um Haftstrafen für Verstöße gegen Quarantäne-Regelungen oder gegen die Verbreitung »falscher« Informationen zu verhängen. Die ungarische Opposition sieht mit dem Ermächtigungsgesetz rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien ausgehöhlt, Einschätzungen, die wohl auch in weiten Teilen der EU und Deutschland geteilt werden.

Auf europäischer Ebene fragen sich denn auch mehr und mehr Mitgliedsverbände der Europäischen Volkspartei (EVP), ob es nicht Zeit wäre, die Fidesz, die Partei Viktor Orbáns, ob ihrer demokratie- und rechtsstaatsfeindlichen Politik aus ihrem Verbund auszuschließen. Dreizehn Mitgliedsparteien, die schon vor einem Jahr den Fidesz-Ausschluß verlangt hatten, haben deshalb jetzt ihre Forderung bekräftigt.

Gehörten schon damals, als es um eine antisemitische Kampagne der Fidesz zur Wahl des Europäischen Parlaments ging, die deutschen Unionsparteien nicht zu den Unterstützern eines Ausschlusses der Fidesz, halten sie sich auch jetzt wieder auffällig zurück. Während die Regierung in Berlin, an der sie nicht unwesentlich beteiligt sind, sich immerhin besorgt gibt, scheuen sie vor Konsequenzen zurück.

Einmal mehr blamieren die deutschen Unionsparteien sich mit ihrem lauten Schweigen als rückgratlose Vereine. Ob es um Antisemitismus geht, um Grundrechte wie die Freiheit der Wissenschaft oder nun um Rechtsstaat und Demokratie, CDU und CSU erweisen sich als unwillig oder unfähig, für sie zu streiten. Mit ihrem fortgesetzten (Nicht-)Verhalten gegenüber Fidesz und Viktor Orbán machen sie sich lächerlich.

Graue Schafe

Im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament im vergangenen Jahr geriet die Europäische Volkspartei (EVP), der in Deutschland die CDU und die CSU angehören, ob ihres Umgangs mit der ungarischen Schwesterpartei Fidesz in die Kritik. Die von Regierungschef Viktor Orbán geführte Partei bedient sich in ihren politischen Kampagnen regelmäßig rassistischer und antisemitischer Motive.

Im Wahlkampf vor der Entscheidung über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments sorgten die Ungarn vor allem mit einem antisemitischen Plakat für Aufsehen, das neben ihrem Lieblingsfeind George Soros Jean-Claude Juncker, den damaligen Präsidenten der Europäischen Kommission zeigte. Sollte die EVP sich von der Fidesz deswegen distanzieren, Fidesz gar ausschließen?

Ohne die Unterstützung durch die Fidesz-Abgeordneten im EP andererseits war Manfred Webers Wahl zum Nachfolger Jean-Claude Junckers gefährdet. Um einerseits das Gesicht wahren zu können und Fidesz andererseits nicht sanktionieren zu müssen und damit seine Wahl zum Kommissionspräsident zu gefährden, einigten Manfred Weber und Viktor Orbán sich bei einem Gespräch in Budapest auf eine Art Kompromiß.

Bayern wollte der von George Soros finanzierten Central European University (CEU) in Budapest einige Lehrstühle spendieren, die dafür weiterhin in der ungarischen Hauptstadt würde bleiben dürfen, während die Fisdesz nicht aus der EVP ausgeschlossen würde. Die von dem ungarisch-amerikanischen Philanthropen begründete Universität war immer wieder ins Visier der Regierung Viktor Orbáns und seiner Fidesz geraten.

Manfred Weber feierte sich im Anschluß an seine Reise nach Budapest als Verteidiger und Retter der Wissenschaftsfreiheit, während der Fidesz der Ausschluß aus der EVP erspart blieb, den immerhin 13 ihrer Mitgliedsparteien, nicht jedoch die CDU und die CSU gefordert hatten. Manfred Weber wurde später trotzdem nicht zum Kommissionspräsidenten ernannt, sondern – auch auf Vorschlag Viktor Orbáns – die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen.

Was wurde aus der »geretteten« Wissenschaftsfreiheit? Die CEU steht vor dem Abschluß ihres Umzugs nach Wien, während Ungarn in einem Verfahren um sein Hochschulgesetz eine Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof droht – wegen des Vorgehens gegen die CEU. Und die EVP? »›Es hilft in Europa niemandem weiter, wenn [..] wir alle die grauen Schafe rauswerfen‹, erklärte der Chef der CDU/CSU-Abgeordneten im EU-Parlament.«

Nachhilfe

Mehrere europäische Staaten haben dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (ICC) als sogenannte amici curiae die Übersendung von Gutachten angekündigt, mit denen sie Israels rechtliche Postion in einem von der »Palästinenserführung« angestrengten Verfahren stützen. Preschte die Tschechische Republik vor, folgten ihr bis Freitag auch die ungarische und die deutsche Regierung.

Im vergangenen Dezember hatte Fatou Bensouda, die Chefanklägerin des ICC, ein Ermittlungsverfahren gegen Israel eingeleitet, an dessen Ende Jerusalem verurteilt werden soll. Für die aus Gambia stammende Juristin, die sich eifrig von der »palästinensischen Zivilgesellschaft« hat beraten lassen, gleicht jüdisches Leben in den umstrittenen Gebieten beklagenswerten »Kriegsverbrechen«.

Fatou Bensouda verhalf allein schon durch die Aufnahme von Ermittlungen der »Palästinenserführung« in ihrem Lawfare gegen Israel zu einem Erfolg, trotzdem umstritten ist, ob der ICC zuständig ist für den Konflikt zwischen »Palästinensern« und Israel. Jerusalem hat das Pariser Statut nicht unterzeichnet, mit dem er gegründet wurde, »Palästina« kann ihm als Fantasiegebilde nicht beitreten.

Mit ihren völkerrechtlichen Stellungnahmen stützen nun Prag, Budapest und Berlin diese Argumentation. Auch sie betonen, daß »Palästina« kein Staat und daher der Internationale Strafgerichtshof schlicht gar nicht zuständig sei für die Vorwürfe aus Ramallah. Auch wenn insbesondere Berlin mit dieser Positionierung überrascht, ist sie doch folgerichtig und daher eigentlich nur selbstverständlich.

Deutschland strebt – und teilt damit den Standpunkt der meisten Staaten der Welt – eine Zwei-Staaten-Lösung im Konflikt zwischen »Palästinensern« und Israel an. Ein »palästinensischer« Staat soll dabei am Ende erfolgreicher Verhandlungen zwischen PLO und Jerusalem stehen. »Palästina« bereits zuvor Rechte zuzugestehen, die nur anerkannten Staaten vorbehalten sind, wäre daher widersinnig.

Die »Palästinenserführung« in Ramallah, die sich eben bloß anmaßt, einen Staat »Palästina« zu repräsentieren, sollte die Stellungnahmen der Europäer deshalb auch nicht zurückweisen, wie sie das freilich dennoch tut, sondern als Ansporn verstehen, sich ernsthaften Gesprächen mit Jerusalem nicht länger verweigern. Nur so kann, wenn überhaupt, »Palästina« Realität und ICC-Mitglied werden.

Rechtsruck

Am Abend könnte die deutsche CDU-Politikerin Ursula von der Leyen zur Präsidentin der Europäischen Kommission gewählt werden. Sicher ist ein Erfolg der Kandidatin, die den Europäischen Rat nicht vom Rat der Europäischen Union unterscheiden kann, auch nach ihrer mehrsprachig vorgetragenen Bewerbungsrede am Vormittag im Europäischen Parlament in Straßburg längst nicht.

Während ihre Parteifreunde in Deutschland, die im Wahlkampf zur Europa-Wahl am 26. Mai noch den CSU-Politiker Manfred Weber als ihren Vorschlag für das Amt präsentiert hatten, mit nationalistischen Untertönen nun an die Genossen der SPD appellieren, Ursula von der Leyen zu unterstützen, sind ihr die Stimmen der ungarischen Fidesz-Abgeordneten sicher, was sie nicht weiter stört.

War schon Manfred Weber günstigenfalls halbherzig auf Distanz zu den Abgeordneten aus Ungarn gegangen, deren Partei dort mit antisemitischen Ressentiments um Stimmen warb und noch immer wirbt, hat Ursula von der Leyen seit ihrer (auch von ihr selbst) nicht erwarteten Nominierung jede Kritik an den 13 Fidesz-Abgeordneten, die doch wieder zur EVP-Fraktion im EP gehören, unterlassen.

Das kann freilich kaum verwundern, hatte der ungarische Regierungschef und Fidesz-Vorsitzende Viktor Orbán die Nominierung der Politikerin in der Europäischen Kommission doch als »wichtigen Sieg« gefeiert. Wird Ursula von der Leyen heute zur Präsidentin der »Regierung Europas« gewählt, wäre dies ein weiteres Indiz für die fortschreitende Salonfähigkeit rechten Antisemitismus’.

Amigowirtschaft

Die deutschen Unionsparteien haben, was ihre Haltung zum Antisemitismus angeht, ein Glaubwürdigkeitsproblem. Als Mitglieder der Europäischen Volkspartei (EVP) ist ihr Lavieren in der Kontroverse um die Mitgliedschaft der ungarischen Fidesz und deren antisemitische Kampagnen in dem Zusammenschluß konservativer Parteien aus ganz Europa an Peinlichkeit kaum mehr zu unterbieten.

Die ungarische Regierungspartei ist seit Jahren für politische Werbung verantwortlich, die offen an antisemitische Ressentiments appelliert. Doch selbst nachdem die von Viktor Orbán geführte Partei neben ihrem Lieblingsfeind George Soros zuletzt auch Jean-Claude Juncker, den Präsidenten der Europäischen Kommission, attackierte, einen Parteifreund, halten CDU und CSU an der Fidesz fest.

Während mindestens 13 Mitgliedsparteien der EVP – freilich viel zu spät – einen Ausschluß der Fidesz fordern, können sich CDU und CSU nicht zu einer Unterstützung dieses Vorhabens durchringen. Ihr Spitzenkandidat zur Wahl zum Europäischen Parlament, der CSU-Politiker Manfred Weber, will sich vielmehr mit den Stimmen der Fidesz zum neuen Kommissionspräsidenten wählen lassen.

Der Bayer reiste in dieser Woche nach Budapest und konnte den ungarischen Regierungschef zwar davon überzeugen, eine beleidigende Äußerung in einem Interview zurückzunehmen. Zugleich einigten sich die konservativen Politiker bei ihrem Gespräch auf eine Regelung, die den Weiterbetrieb der von George Soros maßgeblich geförderten Central European University (CEU) ermöglicht.

Doch gerade die Details dieser Lösung lassen aufhorchen. Viktor Orbán stellt seinen Kampf gegen die renommierte Hochschule ein, im Gegenzug übernimmt Bayern die Finanzierung einiger ihrer Lehrstühle – die ersten von Bayern bezahlten Lehrstühle im Ausland. Gleichzeitig vermied es Manfred Weber, von Viktor Orbán eine glaubwürdige Distanzierung vom Antisemitismus zu fordern.

Und so dient die Einigung von Budapest letztlich einzig dazu, den Verbleib von Viktor Orbáns Fidesz in der EVP noch einmal zu sichern, denn deren Stimmen braucht Manfred Weber, um sein Ziel zu erreichen, der nächste Präsident der Europäischen Kommission zu werden. Statt sich Antisemitismus klar entgegenzustellen, organisierte Manfred Weber einen Deal, der ihn auch noch belohnt.

Letzte Rettung

Es war ausnahmsweise kein Sozialdemokrat, der den schönen Satz formulierte, »der Kampf gegen den Antisemitismus muss Aufgabe eines jeden Deutschen sein«, sondern Alexander Dobrindt, der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Zu der gehört auch Hans-Peter Friedrich, der nebenher Vizepräsident ist im deutschen Parlament in der ehemaligen Reichshauptstadt.

Schon als deutscher Innenminister fiel der Bayer durch sein Engagement gegen Antisemitismus auf. So tadelte er vor fünf Jahren höchstpersönlich den »Künstler« Bushido, weil der sein Twitter-Profil mit einer Karte »Palästinas« geschmückt hatte, auf der Israel fehlte. »Dieses Kartenbild dient nicht dem Frieden, sondern sät Hass«, analysierte der Minister damals gegenüber einem Boulevardblatt.

Zeigte der Politiker so schon früh, daß er sich auskennt, verwundert es nicht, stellt er sich hinter einen lieben Freund seiner Partei, Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán, dem böse Geister Antisemitismus vorwerfen. Brillant entlarvt er ihre Methoden: »Immer dasselbe: Wer nicht links ist, ist kein Demokrat, wer Soros kritisiert ist Antisemit, wer Europas Grenzen schützt ist inhuman [sic!]«.

Denn der Ungar sagt doch nur, wie es ist: Der Holocaust-Überlebende George Soros setzt in einer lange geplanten Kampagne seinen Reichtum ein, um Europa und insbesondere Ungarn durch Masseneinwanderung zu zerstören. Er ist verantwortlich für den Zerfall der UdSSR und Jugoslawiens, die Finanzkrise 2008 war sein Werk, und nun schickt er Flüchtlinge und Terroristen nach Europa.

Das sind die zentralen Botschaften, mit denen Viktor Orbán seit 2010 versucht, seine Ungarn, aber auch die Bevölkerung im restlichen Abendland aufzurütteln und zu motivieren, sich der Verschwörung zu widersetzen, Ungarn und, so möglich, Europa noch zu retten. Wäre das antisemitisch, Hans-Peter Friedrich wäre längst nach Budapest gereist, Viktor Orbán die Freundschaft zu kündigen.