Schlagwort: Sozialdemokratie

Kniefall vor Antisemitismus

Die australische Regierung hat angekündigt, die umstrittenen Gebiete, Gaza sowie »Ost«-Jerusalem zukünftig in offiziellen Dokumenten als »besetztes palästinensisches Gebiet« bezeichnen zu wollen. Wie Australiens Außenministerin Penny Wong im Parlament in Canberra erläuterte, nehme ihre Regierung mit diesem Schritt eine Entscheidung zurück, wertende Begriffe im Zusammenhang mit israelischen Außenposten zu vermeiden.

Damals, vor 9 Jahren, begründete der australische Generalstaatsanwalt George Brandis stellvertretend für das seinerzeit von Julie Bishop geführte Außenministerium, die bis dahin – und zukünftig wieder – genutzte Begrifflichkeit sei im Kontext von Gebieten, deren Status nicht geklärt sei und über den noch verhandelt werde oder werden solle, »nicht hilfreich«, Australien solle auf diese »(vorver-)urteilende Sprache« verzichten.

Julie Bishop freilich ist eine konservative, Penny Wong eine sozialdemokratische Politikerin, deren Labour Party demnächst einen Parteitag veranstaltet, bei dem sich auch die gegenwärtige australische Außenministerin dem Urteil mehrheitlich »israelkritisch« eingestellter Delegierter stellen muß. Es liegt daher durchaus nahe, hinter ihrer Entscheidung andere als die von ihr genannten Gründe zu vermuten. Vernünftig jedenfalls ist sie nicht.

Aus Gaza beispielsweise zog sich Israel im August 2005 zurück. Die abziehenden Streitkräfte sorgten dabei auch unter Androhung oder Anwendung von Gewalt dafür, daß sich seither kein Jude mehr freiwillig in dem Gebiet aufhält, das zwei Jahre später die islamistische Hamas in einem gewalttätigen Putsch gegen die Vertreter des Regimes in Ramallah übernahm. Gaza jedenfalls als »besetzt« zu bezeichnen ist eine Irreführung.

Und nicht minder irreführend – bewußt falsch – ist es, jenes Gebiet, das auch »Westjordanland« genannt wird, als »palästinensisch« zu bezeichnen, denn damit werden Besitzansprüche legitimiert, die das bestenfalls zum Teil sind. Jüdisches Leben in dem Gebiet hat es seit Jahrhunderten, seit Jahrtausenden gegeben, wie archäologisch Funde immer wieder belegen. Unter jordanischer Herrschaft wurden dort seit 1949 Juden vertrieben.

Allerdings wurde die jordanische Besatzung des Gebiets nie international anerkannt, wer es »palästinensisch« nennt, will dieses Unrecht legitimieren und perpetuieren. 1967 beendeten die israelischen Streitkräfte die nie anerkannte jordanische Besetzung auch von Teilen Jerusalems, das zwischenzeitlich alle Ansprüche auf sein Besatzungsgebiet aufgegeben hat. Damit stellt sich auch hier die Frage, wessen Gebiet Israel dort »besetzen« soll.

Einen »palästinensischen« Staat auf dem Territorium des ehemaligen britischen Mandatsgebiets Palästina lehnten derweil die allermeisten arabischen Staaten, mit ihrem Widerstand gegen die Resolution 194 der Vollversammlung der Vereinten Nationen 1947 ab. Nur weil die Europäer, auf die sich Penny Wong beruft, diese und manch andere historische Tatsache ignorieren, wird aus einem durchaus umstrittenen Gebiet kein »palästinensisches«.

Und das gilt erst recht vor dem Hintergrund, daß die »Palästinenserführung« – ebenso wie die Hamas – erklärtermaßen alle Juden für vogelfrei erklären, verfolgen und mit Gewalt zumindest vertreiben will. Die von der Außenministerin in Canberra angekündigte Sprachregelung ebnet den Weg in noch mehr blutige antisemitische Gewalt , die Penny Wong mit ihrer Wortwahl eben mit vollster Absicht hinnimmt, rechtfertigt und anerkennt.

Späte Erkenntnis

Während die Proteste gegen das islamistische Regime in Teheran ebenso anhalten wie dessen brutalen Versuche, das Aufbegehren zu ersticken, mehren sich in Deutschland Stimmen, die für ein Ende der Gespräche mit Teheran über eine Wiederbelebung des Joint Comprehensive Plan of Action plädieren. Zuletzt meinte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken, es sei Zeit für ein Zeichen: »Bis hierhin und nicht weiter«.

Die Erkenntnis kommt zwar mindestens sieben Jahre zu spät, richtig war und bleibt sie dennoch. Das zeigt nicht zuletzt die Dürftigkeit des »Gegenarguments«, das Parteifreund Nils Schmid vortrug, der der Partei den »außenpolitischen Sprecher« macht: Saskia Eskens Vorschlag »›hat mit verantwortungsvoller Außenpolitik nichts zu tun‹. Der Iran würde mit Atombomben Israel und die regionale Stabilität bedrohen.«

So dumm, zu glauben, Teheran könne durch ein Abkommen von seinem Streben nach Kernwaffen abgehalten werden, war nicht einmal Präsident Barack Hussein Obama: Für den war klar, daß man mit dem JCPOA günstigenfalls Zeit kaufe. Und er hoffte auf bessere Informationen über das iranische Kernwaffenprogramm. Die liegen heute teils vor, das klerikale Regime verweigert derweil weiter wichtige Informationen.

Vor acht Jahren – ohne JCPOA, allerdings mit vergleichsweise harten internationalen Sanktionen gegen Teheran – waren die Mullahs weiter davon entfernt, ihre Islamische Republik zur Atommacht zu aufsteigen zu lassen als heute, sieben Jahre nach Unterzeichnung des Abkommens. Nach Angaben der IAEA verfügen sie heute über mehr angereichertes Uran als je zuvor, das sie jederzeit waffenfähig machen können.

Die Behauptung, ein Scheitern der Wiener Verhandlungen mit Teheran würde die Situation wesentlich zuspitzen, ist daher ein Scheinargument. Die Realitätsverweigerung des Westens – und hier insbesondere der »E3« – und seine Weigerung, auf Vertragsverstöße des islamistischen Regimes mit mehr zu antworten als mit Gemeinsamen Erklärungen, haben den JCPOA noch schwächer gemacht als er ohnehin konstruiert war.

Die Islamische Republik Iran steht heute an der Schwelle zur Atommacht. Deshalb wird die Zeit, etwas dagegen zu tun, in der Tat knapp. Verhandlungen mit den Islamisten würden deren gründlich diskreditiertes Regime aufwerten, sie aber gewiß nicht davon abbringen, sich alle atomaren Optionen zu erhalten. Das können – vielleicht – internationale Sanktionen oder auch militärische Maßnahmen, sollten die nötig werden.

Davor schrecken Beschwichtiger wie Nils Schmid freilich zurück. Andererseits gilt »Kriegsmüdigkeit« in deutschen Regierungskreisen durchaus schon als ein Schimpfwort – jedenfalls im Zusammenhang mit dem, was Deutschland als Solidarität mit der Ukraine bezeichnet. Waffen und ihr Einsatz können Probleme lösen. Gilt das für die Ukraine, weshalb sollte es mit Blick auf das iranische Atomprogramm nicht gelten?

Saskia Eskens außenpolitische Kompetenzen sollte man nicht überschätzen. Nils Schmid hat seine derweil an der Seite eines sozialdemokratischen Außenministers erworben, der 2018 erklären zu können glaubte, »es gibt keine Abhängigkeit Deutschlands von Russland, schon gar nicht in Energiefragen«. Seinerzeit war Donald J. Trump Präsident in Washington und erdreistete sich, das Gegenteil zu behaupten.

Scholzidee

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz hat in einer »Europapolitischen Grundsatzrede« an der Univerzita Karlova in der tschechischen Hauptstadt Prag für eine Politik geworben, mit der er, wie ihm seine Redenschreiber aufnotierten, Europa »weltpolitikfähig« machen will. Was er als Lehre aus der von ihm so bezeichneten »Zeitenwende« verkaufen wollte, ist freilich eine Forderung, für die er schon länger wirbt.

Mit der Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip und der Einführung von Mehrheitsentscheidungen in der Außenpolitik soll danach die Europäische Union »an Souveränität« gewinnen, wie er im Mai 2021 formulierte. Mit dem Festhalten am Einstimmigkeitsprinzig drohe der EU dagegen eine »weltpolitische Bedeutungslosigkeit«, die dem »einzigartige[n] Friedens- und Wohlstandsprojekt« überhaupt nicht stehe.

Vor dem Hintergrund einer anderen Zeitenwende, einer vom Hausherrn (zunächst) unwidersprochen bleibenden antisemitischen Entgleisung eines Gasts im Amtssitz Olaf Scholz’, ist das Beispiel interessant, mit dem der Regierungschef 2021 für seine Idee warb: »Der EU-Außenbeauftragte« war damals daran gehindert worden, »für Europa mit einer Stimme zum wieder aufgeflammten Nahost-Konflikt zu sprechen«.

Ungarn hatte mit seinem Veto, eine »auch an Israel gerichtete Aufforderungen zu einem ›sofortigen Stopp aller Gewalt‹ und der ›Umsetzung einer Waffenruhe‹« in den vom 10. bis zum 21. Mai anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen den Streitkräften des jüdischen Staates und der in Gaza herrschenden islamistischen Terrororganisation Hamas verhindert, wie exemplarisch die tagesschau seinerzeit beklagte.

Ausgerechnet Budapest verhinderte also, daß die Europäische Union die militärische Selbstverteidigung der einzigen funktionierenden Demokratie im Nahen Osten gegen islamistischen Raketenterror aus Gaza in einer offiziellen Stellungnahme mit eben diesem auf eine Stufe stellt. Und ausgerechnet das beschwerte offenbar Olaf Scholz’ Gewissen so sehr, daß er an Europas »Weltpolitikfähigkeit« zweifelte.

Die laut tagesschau »strikt loyale« Haltung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán »zur israelischen Regierung und persönlich zu [inzwischen Ex-] Regierungschef Benjamin Netanyahu« verhinderte tatsächlich die weitere Selbstdemontage der EU. Es ist bedauerlich, daß es dafür eines Viktor Orbáns bedurfte. Und es ist bezeichnend, daß gerade er damit zeigte, weshalb Olaf Scholz’ Idee keine gute ist.

Beste Gesellschaft

In der vergangenen Woche wurde die »Nichtregierungsorganisation« Al-Haq in Österreich mit dem »Bruno Kreisky Preis für Verdienste um die Menschenrechte« der nach dem langjährigen Kanzler der Alpenrepublik benannten Stiftung geehrt. Mit der Preisvergabe an Al-Haq zeigt die der österreichischen Sozialdemokratie nahe Stiftung ein so beschämendes wie entlarvendes Verständnis von Menschenrechten.

Denn die von ihr ausgezeichnete »palästinensische« Organisation pflegt nicht nur einen aggressiven Antisemitismus, sie verfügt auch über Verbindungen in das »palästinensische« terroristische Milieu, die wohl noch weit mehr als »nur« problematisch sind. Shawan Jabarin, der Generaldirektor der Organisation, war ein Mitglied der Führung der terroristischen PFLP, der er wahrscheinlich noch heute angehört.

Munir Nuseibah, der für die der antisemitischen BDS-Bewegung nahestehende »NGO« die Ehrung entgegennahm, nannte die Gründung Israels in seiner Dankesrede eine »Katastrophe« und verleumdete den jüdischen Staat unverblümt als »zionistisches koloniales Projekt«, dem er damit offen die Daseinsberechtigung absprach. Und selbstverständlich fehlte auch der Vorwurf der »Apartheid« in seiner Rede nicht.

Mit der Ehrung von Al-Haq wird ein als Einsatz für Menschenrechte camouflierter Antisemitismus legitimiert, ein Antisemitismus gesellschaftsfähiger gemacht, der Terrorismus gegen Juden und Israel anfeuert und rechtfertigt. Nach einem Politiker benannt, dessen antisemitische Aussagen um die Welt gingen, hätte der »Bruno Kreisky Preis für Verdienste um die Menschenrechte« kaum würdigere Empfänger finden können.

Kriegserklärung

Die von dem Sozialdemokraten Jonas Gahr Støre geführte Regierung in Oslo hat eine weitreichende Kennzeichnungspflicht für Waren jüdischer Unternehmen aus den umstrittenen Gebieten, von den Golan-Höhen sowie aus dem Ostteil der israelischen Hauptstadt beschlossen. Die norwegische Regierung will damit nach eigener Auskunft die »Täuschung« von Konsumenten über die Herkunft der Waren verhindern.

Tatsächlich schließt sich das skandinavische Königreich Bemühungen an, jüdisches Leben in Gebieten, die außerhalb des international weitgehend anerkannten israelischen Kernlands liegen, aber von Jerusalem kontrolliert werden, zu kriminalisieren und perpektivisch unmöglich zu machen. Mit seiner gegen jüdische Selbstbestimmung gerichteten Maßnahme legitimiert Oslo vor allem »palästinensische« Apartheid.

Die PLO, die trotz ihrer tiefen Verstrickungen in antisemitischen Terrorismus als alleinige legitime Vertreterin »palästinensischer« Interessen gilt, strebt, wie aus ihrer »Nationalcharta« hervorgeht, einen Staat ohne Juden an, dem Judentum jedes Recht auf einen eigenen Nationalstaat abgesprochen. Wenn PLO-Vertreter behaupten, ihre Organisation habe Israel »anerkannt«, dann ist damit kein jüdischer Staat gemeint.

Sofern Oslo mit seiner Entscheidung meint, eine Zwei-Staaten-Lösung zu fördern, irrt es daher ganz gewaltig. Jüdisches Leben sollte in einem zukünftigen »Palästina« nicht weniger selbstverständlich sein als arabisches im existierenden Israel. Eine Kriminalisierung jüdischen Lebens freilich ist mit diesem Anspruch unvereinbar. Hinter dem norwegischen »Konsumentenschutz« steckt nichts als ordinärer Antisemitismus.

Strategische Partnerschaft

Erst wenige Wochen ist es her, daß die britische organisierte Sozialdemokratie Israel in einem Parteibeschluß »Apartheid« vorwarf und den jüdischen Staat verantwortlich machte für eine »fortdauernde Nakba in Palästina«. Young Labour, die Jugendorganisation der Labour Party, die hinter dem Beschluß steckte, erklärte nach ihrem Abstimmungserfolg (mindestens) all ihre Mitglieder zu »Palästinensern«.

Demonstrierte der sozialdemokratische Nachwuchs mit seiner antisemitischen Begeisterung, daß allen anderslautenden Beteuerungen der Parteiführung zum Trotz Juden in der britischen Sozialdemokratie nicht willkommen sind, irrte er ganz offenbar auch ein wenig: Nicht bloß »Palästinenser« wollen oder sollen die Jungsozialisten im Vereinigten Königreich sein, sondern Terroristen, Islamisten.

Wie jetzt bekannt wurde, steht Omar Mofeed, der als Generalsekretär der Arab Labour Group maßgebend an der Formulierung der juden- und israelfeindlichen Resolution beteiligt war, den Islamisten der in Gaza herrschenden Hamas nicht eben fern: Sein verstorbener Vater war ein hochrangiges Führungsmitglied der Terrororganisation, über die Omar Mofeed selbst sich mehrfach bewundernd äußerte.

Daß es einem bekennenden Anhänger der islamistischen Terrororganisation Hamas gelingt, innerhalb der britischen Sozialdemokratie eine breite Mehrheit für einem antisemitischen Beschluß zu organisieren, belegt einmal mehr anschaulich, welch enges Bündnis die Partei mit Antisemiten einzugehen bereit ist. In der Partei hat der Antisemitismus noch immer eine Heimat, sie ist eine Gefahr für Juden.

Unheilbar

Die britische Labour Party hat sich am Sonntag bei ihrer traditionell in Brighton veranstalteten Parteikonferenz mehrheitlich für eine Resolution ausgesprochen, mit der Israel eine »fortdauernde Nakba in Palästina« und »Apartheid« vorgeworfen werden. Die Resolution war von der Jugendorganisation der Partei eingebracht worden, die nach dem Votum ihre Mitglieder prompt zu »Palästinensern« erklärte.

Die britische Sozialdemokratie demonstriert mit ihrem Beschluß erneut, daß sie unfähig ist, aus eigener Kraft mit dem Antisemitismus fertig zu werden, dem sie sich unter ihrem Vorsitzenden Jeremy Corbyn geöffnet hat. Mit ihrem Apartheidvorwurf verhöhnt sie die Opfer der Rassentrennung in Südafrika und solidarisiert sich mit Verbrechern, die mit ihm ihren antisemitischen Terror zu legitimieren suchen.

Erklären die Sozialdemokraten im Vereinigten Königreich sich nur kurz nach der jüngsten Rede des »Palästinenserpräsidenten« Abu Mazen an die Vollversammlung der Vereinten Nationen, in der er sich mit Bestien in Menschengestalt wie Hakim und Amjad Awad solidarisierte, gar selbst zu »Palästinensern« und damit in ihrer Logik zu Opfern des verleumdeten jüdischen Staates, stellt das ihre Verderbtheit bloß.

Daß sich einige Repräsentanten der Partei unzufrieden zeigten über die antiisraelische Resolution und gar ankündigen, schärfer gegen Antisemitismus vorgehen zu wollen, kann vor diesem Hintergrund nur noch mit Kopfschütteln zur Kenntnis genommen werden. Die Labour Party ist nicht mit Erklärungen zu retten, denn Antisemitismus ist längst ihr Wesenskern. Sie ist das Problem, nicht dessen Lösung.

Zurück zur Normalität

Die Labour Party öffnet sich wieder für Jeremy Corbyn. Hieß es zunächst, der frühere Vorsitzende der britischen Sozialdemokratie sei auf einer Konferenz, die die Partei plant, nicht willkommen, betont die Parteiführung jetzt, die Ausladung des im April 2020 vom Amt des Parteichefs zurückgetretenen und im Oktober kurz aus der Partei ausgeschlossenen Parlamentariers sei ein »Irrtum« gewesen.

Hatte die Labour Party unter der Führung Jeremy Corbyns sich unfähig gezeigt, gegen freilich auch von ihrem Vorsitzenden ausgehende antisemitische Umtriebe vorzugehen, versprach Keir Starmer, sein Nachfolger an der Parteispitze, »bei Antisemitismus nie wieder wegsehen« zu wollen. Und tatsächlich schien er es ernst zu meinen, als er im Herbst 2020 Jeremy Corbyns Parteimitgliedschaft aussetzte.

Nach gut vier Wochen war der Parteiausschluß allerdings schon wieder Geschichte, Jeremy Corbyn durfte sich wieder Labour-Mitglied nennen. Einzig im Parlament wurde er nicht wieder in die Fraktion der Partei aufgenommen. Daß die Partei nun bedauert, ihn nach seiner Ankündigung, in Brighton auftreten zu wollen, ausgeladen zu haben, paßt ganz zu dieser seltsamen Art des Umgangs mit Antisemitismus.

Im Oktober 2020 hatte die staatliche Equality and Human Rights Commission, die über die Einhaltung der Menschenrechte im Vereinigten Königreich wacht, der Partei unter Jeremy Corbyn ein beschämendes Versagen beim Vorgehen gegen Antisemitismus in den eigenen Reihen bescheinigt; wenig zuvor hatte die Partei Versuche eingeräumt, Kritiker mit Lügen und Verleumdungen zu diskreditieren.

Mit Jeremy Corbyn umarmt Labour nun wieder einen Politiker, der sich vor antisemitischen Terroristen verbeugte und die BDS-Bewegung unterstützt. Er und die von ihm geführte Labour Party haben Antisemitismus im Vereinigten Königreich gesellschaftsfähiger gemacht und so dafür gesorgt, daß sich Ephraim Mirvis, der Oberrabbiner im Vereinigten Königreich, genötigt sah, vor der Partei zu warnen.

»Was muß ein Oppositionsführer tun, um als ungeeignet für ein Amt zu gelten?« hatte Ephraim Mirvis in seinem bemerkenswerten Meinungsbeitrag resigniert gefragt. »Reichen enge Kontakte zu denen, die den Haß gegen Juden stiften? Reicht es, jene ›Freunde‹ zu nennen, die den Mord an Juden befürworten?« Bei der Labour Party jedenfalls, das demonstriert sie jetzt, wird man dafür nicht geächtet.

Unbelehrbar

Die britische Kommission für Gleichheit und Menschenrechte (EHRC) hat der Labour Party unter der Führung des Politikers Jeremy Corbyn Versagen im Umgang mit Antisemitismus vorgeworfen. In einem Untersuchungsbericht bescheinigt die staatliche Kommission der sozialdemokratischen Partei »schwere Fehler« in ihren Reaktionen auf Beschwerden über antisemitische Vorfälle.

Die Reaktionen der Partei auf Antisemitismus in den Jahren 2015 bis 2020 könnten im schlimmsten Fall als Billigung des Haßes auf Juden interpretiert werden, heißt es in dem Bericht, der vor allem für den inzwischen aus dem Amt gewählten Jeremy Corbyn ein Armutszeugnis darstellt. Unter der Führung des linken Populisten konnte der Antisemitismus sich nahezu ungehindert in der Partei ausbreiten.

Während Jeremy Corbyn in ersten Reaktionen auf den Untersuchungsbericht dessen Schlußfolgerungen zurückweist und sie mit seiner Behauptung doch bestätigt, die EHRC würde Einzelfälle überbewerten und aufbauschen, muß sich einer seiner Anhänger wegen wiederholter antisemitischer Beleidigungen von Parteifreunden von Gericht verantworten und mit einer Gefängnisstrafe rechnen.

Auch vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß die Jahre, in denen der Parteivorsitzende Jeremy Corbyn hieß, verlorene für die britische Sozialdemokratie waren. Wenn der ehemalige Parteichef, der seine Partei im Unterhaus in London vertritt, noch immer versucht, den Antisemitismus seiner Anhänger zu verharmlosen, belegt er, daß die Wahl eines neuen Vorsitzenden das Problem nicht lösen konnte.

Corbynismus

Vor gut sieben Monaten erteilte eine Mehrheit der britischen Wähler einer sozialdemokratisch dominierten Regierung in London unter »Arbeiterführer« Jeremy Corbyn eine Absage. Mit ihrer Wahlentscheidung setzten die Briten auch ein Zeichen gegen den Antisemitismus, der unter dem linken Parteichef sich seit 2015 immer mehr ausbreiten konnte in der Labour Party und sie nachhaltig ruinierte.

Zu welchen Methoden der zwischenzeitlich von Keir Starmer abgelöste einstige Vorsitzende Jeremy Corbyn und sein Führungszirkel griffen, um innerparteilichen Widerstand gegen gegen ihren judenfeindlichen Populismus zu diskreditieren und zum Verstummen zu bringen, bestätigt nun noch einmal ein Statement, mit dem sich die Partei bei sieben ihrer ehemaligen Beschäftigten entschuldigt.

Diese hatten sich in einer TV-Dokumentation als Ex-Mitglieder der Governance and Legal Unit der Partei, die sich u.a. mit der Aufklärung von Antisemitismus-Vorwürfen gegen Mitglieder beschäftigt, kritisch über den Umgang der Parteiführung mit ihren Erkenntnissen geäußert und waren dafür noch vor Ausstrahlung der Sendung im Programm der BBC öffentlich diffamiert und beschimpft worden.

Wie die Partei jetzt betont, waren all diese Anschuldigungen falsch und gezielt zu dem Zweck erhoben worden, den Ruf der Whistleblower zu beschädigen. Zugleich veröffentliche die Partei eine weitere Erklärung, mit der sie sich bei dem Journalisten John Ware, der für die vor einem Jahr ausgestrahlte Dokumentation über den Umgang der Labour Party mit Antisemitismus verantwortlich war.

Die Labour Party verpflichtete sich zur Zahlung eines wohl sechsstelligen Betrags, mit dem ihre ehemaligen Mitarbeiter und der Journalist »entschädigt« werden sollen. Jeremy Corbyn verurteilte unterdessen das »politisch motivierte« Vorgehen seines Nachfolgers Keir Starmer, Len McCluskey, Generalsekretär der linken Unite-Bewegung, kritisierte die Entschädigungen als »Veruntreuung von Parteivermögen«.